edition motorfuture: KING > Folge 14

„Ein paar Leute vom Landeskriminalamt sind zu mir in die Schule gekommen und haben mich verhört“, sagte die junge Frau.

„Ein paar Leute? Verhört?“

Mandy Müller nickte. Sie wirkte sehr groß auf ihrem Stuhl, und ihre Augen waren sehr blau. Sie sah aus wie eine Göttin aus Gullivers Reisen, nicht wie eine Studienreferendarin. Walter Knecht spürte seinen Magen, seinen empfindlichen Magen.

„Zwei Typen und eine Frau vom Landeskriminalamt. Sie haben mich direkt aus dem Unterricht holen lassen. Sie haben mich nicht im Lehrerzimmer verhört, sondern im Büro des Direktors. Der zutiefst besorgte Stegner musste den Raum natürlich verlassen.“

„Stegner, was hat der damit zu tun?“

Knecht kannte Dr. Stegner, den Schulleiter des Dylan-Thomas-Gymnasiums in Berlin-Mitte. Stegner war ein unflexibler Pedant, der hin und wieder einen Wink aus dem Kultus- und Sportministerium brauchte, wenn zum Beispiel die Einsatzplanung für eine englische Woche den Stundenplan der hoffnungsvollen Studienassessorin und DFB-Schiedsrichterin Mandy Müller tangierte. Philologischer Sesselfurzer, sagte Knecht dann. Stegner hat auch ein Problem, wenn im Kühlschrank des Lehrerzimmers das Lämpchen nicht brennt, assistierte die Junglehrerin. Sondergenehmigung für außerschulischen Einsatz erteilt, hieß es aus dem Ministerium jedes Mal lapidar, sobald Knechts Beschwerde per E-Mail eingegangen war.

„Stegner? Der hat nichts damit zu tun“, sagte die junge Frau.

„Und du?“ Der Oberschiedsrichter kämpfte mit seinem Kreislauf. „Was um Himmels Willen hast du mit dem Attentat am Olympiastadion zu tun?“

„Nichts“, sagte die junge Schiedsrichterin. „Natürlich habe ich nichts damit zu tun.“

„Natürlich nicht.“

„Sie haben mich wegen meines Fußballhintergrunds befragt.“

„Wegen deines Fußballhintergrunds?“

Die junge Frau nickte.

„Ja, und sie haben mich mit Nachdruck aufgefordert, dich nicht über diese Befragung zu informieren. Befragung – so nannten sie es.“

„Und warum tust du es jetzt trotzdem?“

„Vielleicht… Vielleicht, weil ich es dir schuldig bin?“

Vielleicht, vielleicht.

„Du bist mir gar nichts schuldig“, sagte Knecht mit seinem schwachen Magen. „Sie machen eine Staatsaffäre daraus, okay. Aber was habe ich damit zu tun?“

„Vielleicht ist es eine Staatsaffäre. Ein Bombenanschlag auf ein Auto ist jedenfalls keine Kleinigkeit. Schon gar nicht, wenn das Auto dem großen geheimnisvollen FC-Borussia-Gönner und -Mäzen Stanislaus King gehört.“

„Pawelke macht wahrscheinlich Druck bei seinen Freunden.“

 „Pawelke ist ein Brechmittel“, sagte die junge Frau. „Ein alter Rasierwasser-Mann mit Grapscher-Augen.“

„Na klar.“ Walter Knecht musterte die junge Frau auf der anderen Seite des Tisches. Er spürte seinen verdammten Magen. Er sagte: „Warum also hast du mich herbestellt?“

„Um dir eine Information zu geben, die ich dir angeblich nicht geben darf.“

Walter Knecht schwieg. Red‘ schon Mädchen. Seine Alarmsysteme arbeiteten auf Hochtouren, obwohl… Es gab ja gar keinen Grund für Alarm.

Die junge Frau sah ihn an. Dieser Mann förderte ihre sportliche Karriere mit allen Mitteln. Sie glaubte ihn zu kennen. Obwohl… Bei Hermann Hesse hatte sie gelernt, dass kein Mensch den anderen kennt.

Sie sagte: „Du bist bereits im ersten Raster hängen geblieben.“

 

⇒ Folge 15 morgen bei motorfuture

 

 

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