edition motorfuture: KING > Folge 16

„Das eigentliche Problem ist, wenn ich das alles richtig verstanden habe, dass der Name King in Abhörprotokollen auftaucht, die Polizei und Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die Wettmafia angefertigt haben.“

Knecht schwieg. Sein Magen begann zu rebellieren.

„Es geht auch um Fußballspiele… Auch in deutschen Ligen.“

„Ich heiße nicht King“, sagte Knecht.

„Natürlich nicht, offiziell jedenfalls nicht“, sagte Mandy Müller. „Inoffiziell aber schon. Nämlich bei praktisch allen Schiedsrichtern in Berlin und Brandenburg. Und bei vielen Schiedsrichtern über Berlin und Brandenburg hinaus. Und bei deinen Funktionärskollegen natürlich.“ Sie sah ihrem Gönner und Förderer über den Tisch hinweg direkt in die Augen. „Und vielleicht ja auch noch bei ein paar anderen Leuten.“

 

Kapitel 7

Die Zeit ist eine launische Spielerin.

Monika Trauernicht hatte den Spruch vor einigen Wochen mit rotem Lippenstift auf den Garderobenspiegel im engen Bootshausflur geschrieben, und Willi Teufel hatte ihn einfach stehen lassen. Die Zeit ist keine Spielerin, dachte er, die Zeit ist die Bank. Der Spieler – das bist du, und all‘ die anderen sind ebenfalls nur Spieler. Wir sind nur die Spieler. Aber auf lange Sicht kann nur die Bank gewinnen, und die Bank ist die Zeit.

 

Es lief nicht gut im Bootshaus.

Es lief nicht gut bei Teufel.

 

Wenig Aufträge, kaum Umsatz, kein Geld auf dem Konto. Gut, der Detektiv hatte seine schwarze Kasse. Manche Kunden zahlten lieber bar. Dann nahm er das Geld und bunkerte es in der Kassette, die er in einem Schließfach bei der Berliner Bank an der Reichsstraße im Westend deponiert hatte. Legal war das nicht, bei Licht betrachtet war es Steuerhinterziehung. Aber unter dem Strich gab ihm das Schwarzgeld einen kleinen Teil dessen zurück, was ihm staatliche Willkür genommen hatte – seine Pensionsansprüche. Wenn die Zeiten schlecht waren, stoppte Teufel an der Filiale Reichsstraße, holte ein paar Scheine aus der Kassette und versuchte, so lange wie möglich mit dem Bargeld auszukommen. Er ließ den Wagen dann stehen und fuhr mit dem Rad, ging grundsätzlich nicht in die Kneipe und kaufte billiges Bier und billigen Rotwein beim Discounter. Die Zigaretten drehte er sowieso selbst, und diese erzwungenen Fastenwochen warfen ihn jedes Mal zurück in ein einfaches Leben, an dem man Gefallen finden konnte. So lange jedenfalls, wie das Girokonto noch die Daueraufträge für Miete, Krankenversicherung, Wasser und Strom bediente – und solange in der Kassette im Schließfach Bargeld in Form ausreichend großer Scheine wartete. Das war das Problem. Nicht das einfache Leben an sich war bedrückend, sondern die in prekären Lagen rasch wachsende Angst, sich auch das einfache Leben nicht mehr leisten zu können. Die perverse Schlagerromantik von unbezahlten Telefon- und Gasrechnungen war die unverschämte Lüge eines dümmlichen Schlagermillionärs. Das Leben war kein Spiel, sondern ein permanenter Deal. Ohne Geld war der Mensch kein Mensch. Wenn das Geld knapp wurde, richtig knapp wurde, zeigte die Zivilisation ihre Zähne, wurde das System unversöhnlich, geriet die Existenz ins Rutschen.

Gut, der Bombenanschlag vom Olympiastadion war ein Hoffnungsschimmer. Apo Toth hatte zehn Tagessätze Vorschuss ausgehandelt… Aber die Umstände klangen ziemlich banal. Nachhaltiger Umsatz war von dem Fall nicht zu erwarten. Gut, die Abschlagszahlung war bereits verbucht. Zehn Tage Vorschuss reichten immerhin für die vorübergehende Stabilisierung eines Girokontos in schwerem Seegang. Zehn Tage Vorschuss waren in der aktuellen Situation genau genommen ein Riesenumsatz, ein gewaltiger Fortschritt, ein wahrer Segen. Willi Teufel hielt Demut und Dankbarkeit für wichtige Säulen der Selbstwahrnehmung. Jedenfalls galt das für seine Situation. Demut, die Dienerin der Genügsamkeit. Und Dankbarkeit als Geste des Einverständnisses. Es war gut wie es war, auch wenn es manchmal schwierig war. Die Dankbarkeit schmeckte in diesem Fall nach Schwarzpulver und Eisen, aber dem Detektiv war das egal.

 

Dann die Sache mit dem Bootshaus.

Illegal, hieß es plötzlich.

 

⇒ Folge 17 morgen bei motorfuture

 

 

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