edition motorfuture: KING > Folge 23

„Mr. Carpenter, Brad, was wissen wir über diese Scheiße da in Deutschland?“ Jack Store fixierte den Mann an seiner rechten Seite.

Brad Carpenter, der Chef der National Security Agency, räusperte sich: „Nun, ich…  Unsere Leute arbeiten mit Hochdruck an der Sache… Tag und Nacht.“

„Das heißt, wir wissen, dass wir nichts wissen.“

Jack Stores Stimme war klar und gleichzeitig tonlos, und der NSA-Chef überlegte, ob diese Tonlosigkeit immer noch den gefürchteten Sarkasmus des Vizepräsidenten spiegelte oder ob sich endlich – endlich! – die Resignation bemerkbar machte. Mann, Mann, Mann! Store und sein Präsident hatten ganz schön abgewirtschaftet. Store, dieser elitäre Upperclass-Millionär und sein Präsident, dieser arrogante, abgehobene Emporkömmling.

„Wir wissen, dass wir viel wissen, im Grunde genommen alles wissen, Mr. Vicepresident, Jack.“ Das war eine Bemerkung, die er sich vor zwei Jahren noch nicht herausgenommen hätte. Brad Carpenters Strichlippen verzogen sich kaum wahrnehmbar, und was er für ein feines Lächeln hielt, machte sein fahles Gesicht noch maskenhafter. Er räusperte sich erneut und sagte dann mit seinem kalten Bass: „Die Leute in Berlin ziehen das ganze Material durch sämtliche in Frage kommenden Filter. Und die Jungs aus der Zentrale unterstützen sie nach Kräften dabei.“

„Sicher“, sagte der Vizepräsident und musterte den Abhörchef. „Das Problem ist bloß, dass ich diese Auskunft auch von meinem achtjährigen Sohn hätte bekommen können.“

„Kein Grund zur Panik“, entgegnete Carpenter. Er hatte den Respekt vor diesen beiden Kaspern im Weißen Haus längst verloren. „Wenn der Mossad seine Finger im Spiel hat, dann wissen wir in den nächsten vierundzwanzig Stunden Bescheid.“

„Wenn der Mossad Wind von der Sache bekommen hat, dann fliegt uns dieser verdammte Alptraum irgendwann dermaßen um die Ohren“, sagte Jack Store düster.

„Der Mossad hat momentan genug damit zu tun, den Gaza-Streifen anzuzünden und den Libanon und Syrien“, sagte Ken Fleißmann, der stellvertretende Außenminister.

Jack Store nickte.

Er schaute in die Runde.

Aus der altertümlichen Klimaanlage an der Decke fiel ein Kondenswassertropfen auf den feuchten Teppichboden.

„Was hat es mit diesem Guru auf sich?“

„Unsere Leute versuchen gerade, diese Information zu verifizieren“, sagte CIA-Chef Floyd Lloyd mit seinem Nussknacker-Gesicht.

„Ihr seid alle immer dran, richtig?“ Der Vizepräsident zog an seinen Anzugärmeln. „Ihr seid dran und arbeitet Tag und Nacht und wisst, dass ihr nichts wisst, richtig?“

„Korrekt, Mr. Vicepresident, wir arbeiten Tag und Nacht an der Sache!“ Der CIA-Nussknacker sah dem Vizepräsidenten direkt in die Augen, um schließlich fortzufahren: „Dieser Guru ist so eine Art Wahrsager. Kam vor ein paar Wochen aus Georgien nach Israel… Behauptet, den siebten Sinn zu haben. Ist aber vermutlich nur ein Spinner…“

„Die Mossad-Jungs haben den Knaben nach allen Regeln der Kunst durch ihre diversen Psycho-Mühlen gedreht“, sagte Brad Carpenter.

Jack Store nickte. Das wusste er alles bereits. Warum erzählten ihm die Spezialisten, in die das Land Jahr für Jahr dreistellige Milliardensummen investierte, nicht zur Abwechslung mal etwas Neues.

„Der Knabe hat jedenfalls irgendwelche Tricks auf Lager,“ sagte er düster.

„Da passt er ja ganz gut zu unserem Mann.“

Das Nussknackergesicht des CIA-Chefs verschob sich in der grobschlächtigen Kinnpartie.

„Mit seinen Zaubertricks passt er auf jeden Fall ganz gut zur Paranoia der meisten Geheimdienstchefs“, sagte der Vizepräsident eine Spur zu ruhig. Er fixierte nacheinander den CIA-Chef und dann dessen Kollegen von der NSA und danach jeden einzelnen der Männer, die mit am Tisch saßen.

Wieder fiel ein Tropfen aus der undichten Klimaanlage in die muffige Stille des abhörsicheren Raumes.

Eisige Kälte im Blick Jack Stores. Er mochte diese Männer nicht. Diese Leute machten sich die Hände schmutzig und es machte ihnen nichts aus. Angeblich taten sie es für ihr Land und für ihr Amt. Aber die Wahrheit war: Sie taten es, weil sie dazu in der Lage waren… Weil sie es konnten.

Der Vizepräsident erhob sich abrupt und sagte: „Lasst unsere deutschen Freunde wissen, sie sollen die Ermittlungen einstellen.“

 

⇒ Folge 24 am Montag bei motorfuture

 

 

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