edition motorfuture: KING > Folge 31

Und Karl-Heinz würde ihn zur Seite nehmen und sagen: Sach mal, Alter, willst du jetzt große Politik machen, oder willst du Zimperliese spielen?

Nein, dann lieber das Gespräch mit Günther.

 

Der Außenminister, mittlerweile völlig übellaunig, bestieg gottergeben den Fond seines gepanzerten Dienstwagens und ließ sich in die Klosterstraße rüberfahren, tatütata, Personenschützer im Begleitfahrzeug vorn, Personenschützer im Begleitfahrzeug hinten, beide Autos gut besetzt mit Sonnenbrillen, Funkgeräten, Feuerwaffen. Polizeipistolen, Maschinenpistolen, das ganze Programm… Vom Auswärtigen Amt am Werderschen Markt rüber zur Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport in der Klosterstraße sind es für eine Blaulicht-Eskorte auf der Busspur keine fünf Minuten, und wie sonst soll der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland in seiner Hauptstadt Berlin schon unterwegs sein? Blaulicht auf der Busspur, Tempo, Tempo, zack-zack, Bahn frei.  Drüben in der Berliner Senatsklitsche rein in die Tiefgarage, unten raus – Sicherheit! Sicherheit! Personenschützer sind ja keine Waschlappen –, rein in den Aufzug, hoch in dieser Muffbude, die nach Dienstplänen und Brückentagen und Kantine riecht. Kommunalpolitik. Nein, schlimmer: Berliner Kommunalpolitik.

 

Gero Günther, der grüne Innensenator, erhob sich gelangweilt hinter seinem betont einfachen Amtszimmerschreibtisch, als die Hektikertruppe des Parteifreundes ins Vorzimmer stürmte. Er winkte zur offenen Tür hinüber.

„Komm‘ rein.“

Er wies auf einen der Stühle des betont einfachen Amtszimmerbesprechungstischs.

„Nimm Platz.“

Gero Günther, der grüne Berliner Innensenator, hasste Hell Schneider, den grünen Außenminister der Bundesrepublik Deutschland. Und Hell Schneider hasste ihn. Oberfundi gegen Oberrealo, raunten die Medien insiderisch. Was für ein Quatsch, sagte Günther: prinzipientreuer Idealist gegen verschlagenen Rambo. Was für eine Schmiererscheiße, sagte Schneider: pragmatischer Problemlöser gegen blutleeren Prinzipienreiter. Grün – das war in beiden Fällen aber auch die Farbe des Neides. Gero Günther bewunderte den Außenminister insgeheim für dessen intellektuelle Wendigkeit, für die Fähigkeit zur Selbstinszenierung, für die brachiale Brutalität, die dieser stets mürrische, übelgelaunte und unverschämte Typ förmlich verkörperte. Und Hell Schneider neidete dem Berliner Innensenator die fast schon legendäre Beliebtheit, die der ehemalige Studienrat in allen Lagern und bei allen Strömungen der Partei genoss. Eine umfassende humanistische Bildung, die erkennbar gute Kinderstube und der ganz offensichtlich ernst gemeinte Wille, mit harter politischer Arbeit das Gemeinwohl zu stärken und das Leben des Bürgers zu verbessern – das waren grauenhaft graue Mittelstandstugenden, mit denen die immer noch grüne Pullover strickenden Mittelstandsspießer in seiner Öko-Spießer-Partei aber ganz unverkennbar zu beeindrucken waren. Er ist ein Furzklemmer, sagte Schneider über Günther, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Er ist ein Straßenköter, sagte Günther über Schneider, um meistens mit maliziösem Lächeln hinzuzufügen: Der arme Kerl, muss immer noch immerzu um sich beißen, wau-wau.

„Tee?“

Der Innensenator lächelte gelangweilt. Der beige Anzug, der unverkennbar von der Stange war, schlotterte um die lange, dürre Gestalt.

„Nein danke, ich habe keine Magenschmerzen“, sagte der Außenminister, der aussah, als habe er Magenschmerzen. „Habt ihr keinen Kaffee aus ökologisch korrektem Fairtrade-Anbau?“

„Wir hätten auch eine Latte…“ Gero Günther zeigte wieder sein feines Lächeln, das früher seinen mehr oder weniger begabten Schülern gegolten hatte. „Allerdings ganz herkömmlich direkt ins Glas gegossen, also ohne Macchiato.“

„Das sehe ich ein, das spart Strom“, sagte Schneider und machte es sich auf seinem Behördenstühlchen bequem. Er sah sich um. Das hatte man also davon, wenn man beliebt war. Die Kotzbrocken-Alternative – er hatte nie daran gezweifelt – war ganz eindeutig die bessere Variante.

„Ich bin wegen der King-Sache hier.“

„Weswegen?“

„Wegen der King-Sache. Der Anschlag auf den Großkotz, auf sein Auto.“

 

⇒ Folge 32 morgen bei motorfuture

 

 

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