edition motorfuture: KING > Folge 43

„Nun, Herrschaften, um es vorweg zu sagen, ich habe selbstverständlich vollstes Vertrauen in Ihre Arbeit, in Ihr Engagement, in Ihre Professionalität.“ Wie ein gütiger Herr, der gerade zwei Dienstboten vergattert, bedachte er Toth und Teufel mit aufmunternden Blicken. „Aber die Causa King scheint ganz offensichtlich Kreise zu ziehen, die sich selbst meinen Blickwinkeln entziehen.“

Professor Pawelke räusperte sich. Er ließ seine Ansage für ein paar lange Sekunden im Raum stehen.

„Unter der Hand habe ich erfahren, dass es… nun, wie soll ich sagen…, dass es aus Gründen der Staatsräson geboten scheint, die Ermittlungsarbeit mit äußerster Diskretion zu betreiben.“

„Die offiziellen Ermittlungen liegen auf Eis“, unterbrach der Detektiv trocken.

„Das“, antwortete Pawelke huldvoll, „ist möglicherweise eine noch etwas präzisere Beschreibung des Status quo.“

Der Aufsichtsratsvorsitzende räusperte sich wieder. Es gelang ihm nicht vollständig, sein Unbehagen zu verbergen. Er fixierte zunächst den Detektiv und wandte sich dann erneut mit einem charmanten Lächeln der Anwältin zu. Er zögerte einen unentschlossenen Moment. Es war nicht das erste Mal in seinem langen und erfolgreichen Leben, dass er das dringende Bedürfnis verspürte, sich einer unausgesprochenen Staatsräson zu widersetzen. Aber nie zuvor war dieser – an und für sich unerhörte – Drang so stark gewesen. Keine Frage, der Professor, der dem Land als allseits anerkannter Forscher und Hochschullehrer und nicht zuletzt als Bundesminister gedient hatte, fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.

Er sagte: „Ich hoffe, ich kompromittiere Sie nicht über die  Maßen mit der Bitte, die Nachforschungen in unserem Sinne fortzuführen. Diskret selbstverständlich.“

„Keineswegs“, sagte Toth rasch, um Teufel zuvorzukommen. Bei unvorhergesehenen Entwicklungen – und die überraschende Reaktion Pawelkes auf die ganz offensichtlich politisch gesteuerte Behinderung der offiziellen Ermittlungen war eine solche Situation – war der Detektiv unberechenbar. Sie wusste, er brauchte den Auftrag, er brauchte das Geld. Sie hatten ja eben in ihrem Vorgespräch exakt darüber geredet. Aber sie konnte nicht sicher sein, ob Teufel den bisherigen Verlauf des Gesprächs mit Pawelke ebenso interpretierte, im Grund genommen positiv interpretierte, wie sie es selbst tat. Es war im Sinne der Auftragssicherung also besser, rasch Pflöcke der Willensbildung einzuschlagen. Aber ihre Sorge war unbegründet.

„Keineswegs“, bestätigte Teufel. „Es ist immer interessant, wenn ein mehr oder weniger profanes Tötungsdelikt ganz plötzlich höheren Interessen unterstellt wird.“

„Das mag so sein“, sagte Pawelke und fixierte den Detektiv. „Ich muss Ihnen nicht erklären, dass es solche höheren Interessen selbstverständlich geben kann.“

„Natürlich nicht.“

„Und ich möchte gerade deshalb mein Anliegen äußerster Diskretion noch einmal sehr deutlich unterstreichen“.

„Ich habe Sie sehr gut verstanden.“

Der Detektiv sah dem Aufsichtsratsvorsitzenden des 1. FC Borussia direkt in die Augen. Ein anderer Mann hätte den Blick abgewendet, aber der Professor ließ sich nicht einschüchtern, schon gar nicht von einem Subalternen.

Teufels Blick blieb beharrlich und aufdringlich. Er war stur wie ein Bulle. Er sagte: „Darf ich Ihnen eine Frage stellen bezüglich der besonderen Umstände, die Sie erwähnt haben.“

„Lieber nicht.“ Pawelke hob beide Hände. Er lächelte. Er überlegte einen kurzen Moment, ob der Schnüffler mit den zu langen Haaren und dem teigigen brutalen Gesicht eine Begründung verdiente. Er entschied sich für freundliche Kooperation. Er sagte: „Die Möglichkeit, dass Sie mich in Verlegenheit bringen, ist doch relativ groß, wenn Sie wissen, was ich meine.“

„Bedauerlicherweise nein.“ Teufel lächelte jetzt ebenfalls. Der Mann, der ihm von seiner Partnerin und Auftraggeberin in keinem allzu günstigen Licht beschrieben worden war, begann ihm zu gefallen. „Aber vielleicht kann ich es mir zusammenreimen.“

„Versuchen Sie es einfach“, antwortete Pawelke. Und nach einer kurzen Pause: „Ich höre, Sie haben Ihren Polizeidienst zuletzt beim LKA geleistet.“

Der Detektiv starrte ihn an.

„Ich bin ganz sicher, Sie kennen das Spiel.“

Teufels Gesicht blieb ausdruckslos. Er hob den Kopf und sagte: „Ich muss es ja nicht im Detail wissen. Obwohl…“

„Vergessen Sie es ganz einfach“, sagte der Professor. „Ich werde Ihnen nicht sagen, was dahintersteckt. Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich bin noch nicht einmal sicher, ob ich über korrekte Informationen verfüge.“

„Sobald die Schlapphüte im Spiel sind, wird die Lage unübersichtlich“, bestätigte Teufel mit regloser Miene.

⇒ Folge 44 am Montag bei motorfuture

 

 

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