edition motorfuture: KING > Folge 50

„Und er hatte keine Freunde“, ergänzte Teufel.

„Ich habe in seinem Umfeld jedenfalls nichts dergleichen entdeckt“, sagte Hoffmann. „Und wenn ich es recht überlege: Ich habe den Mann nur ein einziges Mal bei einem echten, offenen Lachen ertappt. Einem geradezu herzlichen Lachen.“

„Du meinst die Sache mit dem Motorrad“, sagte King.

„Ja, die Sache mit der alten Kawasaki. Einer Z 750, Baujahr `75.  Kesselring kommt an einem schönen Herbsttag damit an, und ich laufe ihm zufällig über den Weg, als er das Ding in der Garage abstellt, und ich rufe ihm im Vorbeigehen Typ und Baujahr zu, und ich sehe und höre sein offenes, herzliches Lachen, und ich erinnere mich, wie überrascht ich war, und es war das einzige Mal, dass wir uns privat ein paar Takte unterhalten haben.“

„Was war mit der alten Kawa?“ Teufel sah hinüber zu seinem Kollegen.

„Die alte Z war Kesselrings Hobby, sein Augapfel. Ja, so hat er sich tatsächlich ausgedrückt. Sein Augapfel.“

„Und in Ihnen hatte er einen Bruder im Geiste gefunden.“

„Kann man so sagen. Alte Motorräder haben etwas…“ Hoffmann unterbrach sich. Der Ablauf des Gespräches gefiel ihm nicht. In einer Vernehmung der Befragte zu sein, gefiel ihm nicht.

Aber Teufel ließ nicht locker: „Dann hätte das ja der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein können, oder?“

Kings Detektiv runzelte die Stirn. „Dazu gehören immer zwei.“

„Sicher.“ Teufel lächelte. „Das heißt, Sie haben das Motorrad nie mehr erwähnt?“

„Ich nicht und er nicht.“

„Ein Mann ohne Freunde also…“

„Was nicht heißt, dass er keine Feinde hatte“, sagte Apollonia Toth.

Der Mann am Klavier schüttelte den Kopf: „Selbst das würde ich ausschließen. Der Mann war zu eigenbrötlerisch, zu latent aggressiv. Ein menschlicher Monolith. Niemand feindet sich mit so jemandem an, wenn Sie wissen, was ich meine.“

Apollonia Toth nickte.

Sie lächelte.

Das Wortspiel gefiel ihr.

Der Mann am Klavier gefiel ihr. Die physische Präsenz des Mannes gefiel ihr. Kings Detektiv war weder besonders groß noch besonders attraktiv. Er war ein Mann. Er hatte sie gerade verteidigt.

„Und Sie, Herr King, haben Sie Feinde?“

Typische Bullenfrage. Willi Teufel roch das ungelüftete Vernehmungszimmer im Nachhall seiner Worte.

„Männer wie Stan King haben keine Feinde“, sagte Friedo Hoffmann.

„Ich habe keine Feinde“, bestätigte der Milliardär.

„Dafür sind Sie sind zu reich und zu mächtig“, sagte die Anwältin.

„Ich habe jedenfalls keine Feinde, die es darauf anlegen, mich mitsamt meinem Chauffeur und meinem Auto in die Luft zu jagen.“

Kings Kopf wandte sich wieder über die linke Schulter. Er suchte den Blickkontakt mit dem Mann am Klavier. Er sagte: „Herr Hoffmann wüsste Bescheid, wenn es Feinde gäbe, die mir nach dem Leben trachten.“

„Herr King ist Mäzen, Sponsor, Arbeitgeber, Kunde“, sagte der Detektiv. „Er ist nicht ganz einfach im Umgang, wer wäre das schon in seiner Situation… Er ist fordernd, manchmal streng. Aber er ist fair.“

„Fairness kennt keinen objektiven Maßstab“, sagte Willi Teufel kühl. „Vor allem nicht im persönlichen Bereich.“

„Wenn Sie auf Beziehungskrisen anspielen, Untreue, Eifersucht, Sex, vergessen Sie’s. Für solcherlei Kleinkram ist mein Leben zu kurz.“

Und zu kostbar. Wahrscheinlich bezahlst du für körperliche Dienste, bei freier Auswahl, versteht sich, und wahrscheinlich bezahlst du gut. Die aggressive Ader der Anwältin pulsierte.

„Mag sein, dass Ihnen das nicht passt, gnädige Frau.“ Der Milliardär hatte sie durchschaut. „Das passt den meisten Frauen nicht. Umso besser, dass es meine Angelegenheit ist.“

„Eifersucht ist nicht nur ein Beziehungsthema“, sagte Teufel.

„Was Sie nicht sagen.“ Stanislaus King lächelte. „Glauben Sie ernsthaft, ich hätte irgendwelche Scharmützel mit irgendwelchen Rivalen?“

„Ich glaube gar nichts“, sagte Teufel humorlos. „Ich weiß nur, dass auf Ihren Wagen ein Bombenattentat verübt wurde. Und dass Ihr Fahrer tot ist. Und dass ich mir an Ihrer Stelle Sorgen machen würde, weil man ganz offensichtlich ja ausschließen kann, dass der Anschlag möglicherweise Ihrem Chauffeur gegolten hat.“

Stanislaus King zeigte sein schmales Lächeln. Er hob die Hand und deutete mit dem Zeigefinger auf den Mann am Klavier in seinem Rücken. „Friedo, was meinst du?“

„Ludwig Conrad hatte auch keine persönlichen Feinde“, sagte Friedo Hoffmann düster.

⇒ Folge 51 morgen bei motorfuture

 

 

KING. Projekt6 Band 1.

demnächst als eBook bei Amazon KDP