edition motorfuture: KING > Folge 57

Der Detektiv langte über den niedrigen Tresen des Empfangs und griff sich den aufgeschlagenen Terminkalender der Sekretärin. Er malte einen Kreis um die Ziffern 12.00, und dahinter notierte er seinen Namen: Willi Teufel, Privatdetektiv. Dann legte er die Kladde zurück, lächelte freundlich und sagte: „Wenn Sie mich jetzt bitte anmelden.“

„Das werde ich ganz sicher nicht tun“, sagte die Empfangsdame, eine sorgfältig gekleidete und wohlduftende Endvierzigerin mit energischer Brille. „Ich kann Ihnen aber anbieten, die Polizei zu rufen.“

„Das halte ich, bei Berücksichtigung der Aktenlage, für eine schlechte Idee“, sagte Teufel. Er musterte die Frau mit seinem Bullenblick: „Ich kann Sie natürlich nicht aufhalten… Aber vielleicht sollten Sie den Plan zunächst einmal mit Ihrem Chef besprechen.“

Die Sekretärin musterte den Eindringling jetzt ebenfalls. Sie war sich sicher, dass die Geschäfte dieser Firma im Prinzip legal waren. Aber sie hatte nie auch nur eine Sekunde gezweifelt, dass ihr Chef, der smarte Herr Dr. Krause, jede Menge Dreck am Stecken hatte. Sie ließ den Detektiv stehen, durchquerte den Flur, klopfte an eine Tür, öffnete diese – und wurde sanft zur Seite geschoben.

„Wenn Sie Ihren Chef und mich bitte fünf Minuten alleine lassen.“ Der Detektiv lächelte. „Es wird nicht zu Ihrem Schaden sein… Auch nicht zu seinem.“

„Wer sind Sie?“, sagte der Mann hinter dem Schreibtisch. „Und vor allem: Was wollen Sie?“

„Mein Name ist Teufel, Willi Teufel. Ich bin Privatdetektiv. Und ich muss Sie…nun… mit einer Information behelligen.“

„Ein Privatdetektiv, da schau an.“ Krause, der Mann mit der Promotionsurkunde aus Innsbruck, lehnte sich in seinem Chefsessel zurück. Er trug breite Hosenträger über einem blau karierten Hemd mit aufgeschlagenen Manschetten. Sein volles schwarzes Haar war nach hinten gekämmt. Die weinrote Krawatte war akkurat gebunden, doppelter Windsorknoten, und seine Füße steckten in riesigen, braunen, rahmengenähten Schuhen. Schwarze Seidenstrümpfe wuchsen aus diesen Schuhen empor und in zwei ebenfalls schwarz schimmernde Hosenbeine hinein.

Der Immobilienentwickler Dr. Krause betrachtete den Besucher in der Jeans, der abgewetzten Lederjacke und den Turnschuhen. Er lächelte amüsiert. Er sagte: „Ich dachte, Privatdetektive gibt es nur im Film.“

„Vielleicht ist das ja ein Film.“

„Vermutlich ein falscher Film.“

„Ich sehe, wir verstehen uns.“ Jetzt lächelte Teufel.

Der Geschäftsmann sah ihn kalt an. Schon möglich, dass dieser Typ da mit der unangenehmen physischen Präsenz eine Information für ihn hatte. Das Business war lukrativ, aber brutale Geschäftsmethoden und hohe Gewinnmargen hatten ihren Preis. Krause nickte seiner Sekretärin zu, und hinter Teufel schloss sich die Tür.

„Nun, Herr…“

„Teufel, Willi Teufel.“

„Also, Herr Teufel, was kann ich für Sie tun, habe ich etwas ausgefressen?“

„Nichts, was sich nicht korrigieren ließe.“

Der Detektiv warf den Vordruck mit der Abschleppandrohung auf den Schreibtisch. Das doppelte gefaltete Papier nahm auf dem polierten Mahagoni-Schreibtisch die Farbe eines Urinflecks an.

„Diesen Zettel hat sich mein Auto in der Zufahrt zu Ömers Autodienst eingefangen.“

„Was Sie nicht sagen.“ Der Immobilienentwickler legte scheinbar entspannt seine teuren Schuhe auf die teure Schreibtischplatte. Seine Kiefermuskeln arbeiteten. „Ich vermute mal, Sie haben Ihr Auto widerrechtlich abgestellt. Und…“

„Es geht nicht um mein Auto“, sagte Teufel.

„Ach nein!“

„Wir reden über die Werkstatt.“

„Halten Sie Aktien an dem Unternehmen?“ Krauses Spott war unüberhörbar, aber seine Stimme verriet, dass er beunruhigt war.

„In gewisser Weise.“

„Dann rate ich Ihnen zu verkaufen. Und zwar rasch. Der Laden ist bald keinen Cent mehr wert, wenn ich die beiden Zufahrten aufreißen lasse, um die marode Installation zu sanieren. Und jetzt halte ich es für angebracht, wenn Sie gehen.“

Krause schwang sportlich seine Füße vom Tisch und erhob sich, um dem ungebetenen Gast den Weg zur Tür zu zeigen, aber Willi Teufel stand bereits breitbeinig vor ihm. Der Detektiv drückte den deutlich längeren Krause mit einer kurzen Handbewegung humorlos zurück in den Schreibtischsessel.

„Das ist Körperverletzung“, stammelte der Geschäftsmann hysterisch.

„Noch nicht“, sagte der Detektiv.

⇒ Folge 58 morgen bei motorfuture

 

 

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