edition motorfuture: KING > Folge 65

„Haben Sie irgendwelche Referenzen?“

„Nun ich…“ Teufel sah hinunter zu dem Hundchen und suchte dann den Blick des Vermieters: „Sagt Ihnen der Name Pawelke etwas, Professor Pawelke?“

„Pawelke… Professor Hans Pawelke?“

„Genau der.“ Teufel nickte unbeholfen. Beflissenheit war nicht sein Ding. „Ich glaube, der Professor schätzt mich durchaus, auf seine Art jedenfalls.“

 

Toth war ebenfalls in Schwierigkeiten. Sie hatte der Versuchung nachgegeben, einen Streit mit Jürgens Tochter Julia anzufangen. Es ging, wieder einmal, um die Wochenendbetreuung JJs. JJ, Jürgen Junior, war Julias Söhnchen. Julia ging ein und aus mit JJ. Oft lieferte sie ihn am Donnerstag oder Freitag einfach ab, und Jürgen lächelte sie an und wünschte ihr ein schönes Wochenende. Julia, Jürgens Tochter aus erster Ehe, war sein Augapfel. Julia war eine schwierige junge Frau. Aber Kritik an ihr war tabu.

Jetzt hatte Apollonia dieses Tabu zum ersten Mal wirklich gebrochen, und der Zorn und das Unverständnis ihres Mannes waren ein bedrohlicher dunkler Sturm.

„Lass‘ sie in Frieden“, sagte er mit tonloser Stimme, „sonst…“

„Sonst was?“

„Sonst setze ich dich vor die Tür. Dich und deinen ganzen Schickimicki-Müll.“

„Das ist nicht dein Ernst.“

„Oh doch, das ist es.“

Jürgens Ausbruch war furchterregend gewesen, und sie hatte befürchtet, die geschwollenen Schlagadern an seiner Stirn könnten platzen. Aber noch hatte sie keine Lust klein beizugeben, obwohl sie spürte, dass vermutlich tatsächlich nur diese Möglichkeit bleiben würde.

Schweigen im Hause Toth. Das hatte es noch nie gegeben. JJ war verwirrt. Apollonia mochte den kleinen Jungen. Sie sprach mit ihm, als wäre nichts geschehen. Und Jürgen, der Großvater, kümmerte sich mit liebevoller Hingabe um seinen Enkel. JJ war fast so wichtig für ihn wie Julia.

 

„Was ist“, sagte Willi Teufel am Telefon, „mal wieder schlecht gelaunt?“

„Was willst du?“ Apollonia Toth fühlte sich wirklich schlecht.

„Ich habe mit Frau Schulz gesprochen, der Sekretärin.“

„Und?“

„Die Dame hat eine interessante Vergangenheit.“

„Ich bin schlecht drauf, okay? Also spann mich nicht auf die Folter.“

„Na gut, ich mach’s kurz, ich bin selber nicht gut drauf.“ Der Detektiv saß im Heck seines alten Daycruisers. Durch die Ritzen der Bootsgarage quoll das gelbe Licht des späten Nachmittags. Das Wasser war schwarz, und die Havel saugte am Bootsrumpf. Teufel liebte diese Stimmung. Alles war vergänglich. Er umriss die fürchterliche Karriere der Frau Schulz mit dürren Worten: Terroristin, verurteilte Mörderin, harte Haftstrafe. Seit einiger Zeit wieder draußen, jetzt in einem persönlichen Resozialisierungsprogramm des konservativen Pawelke.

„Was du nicht sagst.“ Apollonia Toth vergaß für einen Augenblick ihre privaten Sorgen.

„Die Frau lügt wie gedruckt“, sagte Teufel.

„Kann schon sein.“

„Ich werde mich mal bei ihr umsehen.“

„In ihrer Privatwohnung?“

Teufel schwieg.

„Das wirst du nicht tun.“

„Vergiss es einfach.“

 

Teufel fuhr rüber nach Tempelhof. Rühmann wie ein Chef auf dem Beifahrersitz. Auf dem Tempelhofer Damm machte er einen U-Turn und steuerte den alten Mercedes vorsichtig durch die schmale Hausgasse zu Ömers Werkstatt. Die Parkplätze an der Mauer waren jetzt fast alle belegt, ebenso die Stellplätze auf dem Hof. Teufel stoppte zwischen zwei Parkreihen, stieg aus und sah sich um. Na also, geht doch.

Ömer, der Mann im roten Arbeitsmantel, war rasch bei ihm: „Ich habe Ihnen schon einmal gesagt, dass Sie hier nicht parken können.“

„Wieso? Es ist genügend Platz hier.“

„Das hier ist eine Werkstatt und kein Parkhaus.“

„Selbstverständlich. Ich möchte auch gar nicht parken, ich möchte nur kurz mit Peter Pan sprechen.“

„Er hat zu tun“, sagte der Werkstattbesitzer barsch.

„Das weiß ich“, antwortete Teufel freundlich. „Ich möchte ihn trotzdem kurz sprechen.“

„Hat das nicht Zeit bis Feierabend? Meine Leute sind zum Arbeiten hier.“

„Das weiß ich. Es ist aber dringend. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie ihm Bescheid geben. Es dauert nicht lange.“

 „Nicht lange, nicht lange… Die Leute sollen hier arbeiten und nicht rumquatschen.“

„Genau“, sagte Teufel. Er hatte den langen Peter Pan in seinem roten Overall an einem der Rolltore entdeckt und schob sich jetzt an dem Werkstattbesitzer vorbei. „Es dauert nicht lange, versprochen.“

„Zwei Minuten, keine Sekunde länger“, sagte Ömer mit kalten dunklen Augen. Dann rief er in Richtung Werkstatt: „Peter Pan, einer deiner Freunde ist hier. Er will dich sprechen. Ich gebe dir zwei Minuten.“ Sein Ton klang verächtlich.

„Ich bin kein Freund.“ Die Stimme des Detektivs war jetzt flach wie eine Feile. „Der Junge ist für mich so etwas wie ein Sohn. Also behandeln Sie ihn gut.“

Der Werkstattbesitzer blieb stehen und suchte nach einer Antwort, aber Teufel scheuchte ihn weg wie eine lästige Fliege. „Behandeln Sie ihn gut, das ist mir wichtig. Sehr wichtig!“ Und zu Peter Pan, der ihnen entgegengekommen war, sagte er: „Dein Chef ist leider kein freundlicher Mensch. Er hat Probleme mit Leuten, die auf seinem Grundstück parken.“ Dann zog er sein Handy aus der Tasche, holte das Foto auf den Bildschirm und hielt es dem Jungen unter die Nase: „Hast du eine Idee, was das sein könnte?“

⇒ Folge 66 morgen bei motorfuture

 

 

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