edition motorfuture: KING > Folge 66

Der Werkstattbesitzer blieb stehen und suchte nach einer Antwort, aber Teufel scheuchte ihn weg wie eine lästige Fliege. „Behandeln Sie ihn gut, das ist mir wichtig. Sehr wichtig!“ Und zu Peter Pan, der ihnen entgegengekommen war, sagte er: „Dein Chef ist leider kein freundlicher Mensch. Er hat Probleme mit Leuten, die auf seinem Grundstück parken.“ Dann zog er sein Handy aus der Tasche, holte das Foto auf den Bildschirm und hielt es dem Jungen unter die Nase: „Hast du eine Idee, was das sein könnte?“

Peter Pan, der Motorradfan, zögerte keine Sekunde: „Das ist ein Kawa-Zündschlüssel, steht ja auch drauf. Großes K für Kawasaki. Warum fragst du mich das?“

„Kann man in etwa das Baujahr zuordnen?“

„Klar, siebziger Jahre, vielleicht frühe achtziger. Schau dir das Ding doch an. Ein Stückchen Blech wie ein Briefkastenschlüssel.“

 

 

Kapitel 20

Pawelke schwitzte seine Selbstgewissheit aus jeder Pore. Er war emeritierter Universitätsprofessor. Staatsrechtler. Er war ehemaliger Spitzenpolitiker. Bundesverkehrsminister. Er hatte fast 30 Jahre lang dem Bundestag angehört. Sieben Legislaturperioden. Nebenbei hatte er der Gesellschaft stets in Ehrenämtern gedient. Bund der Vertriebenen. Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Berliner Fußballverband. 1. FC Borussia. Heute trug er eine kleine Medaille des Bundesverdienstkreuzes am linken Revers seiner braunen Anzugsjacke. Der Professor lächelte zufrieden und in gewisser Weise durchaus freundlich. Er bedeutete den Gästen, Platz zu nehmen.

Dann wandte er sich an Teufel: „Bevor wir in medias res gehen. Nun… Ich habe dem Herrn Landgerichtspräsidenten a.D. aus Wiesbaden Ihre Integrität bestätigt.“

„Tatsächlich?“ Der Detektiv war zu überrascht, um sich zu bedanken.

„Sie brauchen sich nicht zu bedanken. Der Kollege hat gefragt, und ich habe geantwortet.“

„Danke“, sagte Teufel. Er spürte den feuchten Hemdkragen an seinem Hals.

„Ich habe die Hoffnung, dass Sie sich mit belastbaren Informationen revanchieren.“ Der Aufsichtsratsvorsitzende des 1. FC Borussia zeigte wieder ein konziliantes Lächeln, das hinter dünnen Lippen verschwand, als sich Apollonia Toth zu Wort meldete: „Ich möchte das Privatgespräch ja nicht stören. Aber vielleicht könnten mich die Herren…“

„Nein“, sagte Pawelke kalt. „Schnaps ist Schnaps und Dienst ist Dienst, nicht wahr? Herr Teufel mag Ihnen bei Gelegenheit den Hintergrund unserer kleinen Nebenabsprache erläutern oder auch nicht. Diese Entscheidung liegt ganz bei ihm. Jetzt würde ich es begrüßen, den aktuellen Stand der Ermittlungen zu erfahren.“

„Wie Sie wünschen“, antwortete die Anwältin. Ihre Augen waren schmal, und ihre Figur war fast zu zierlich für eine Frau in den hohen Vierzigern. Sie erteilte Teufel mit einer fahrigen Geste das Wort.

„Wir wissen jetzt immerhin, was passiert ist“, begann Teufel. „Und wie es passiert ist.“

Pawelke nickte zustimmend.

„Zunächst einmal: Frau Schulz, Ihre Assistentin, ist tatsächlich die einzige Augenzeugin.“

„So steht es im Untersuchungsbericht“, sagte der Professor ungeduldig. „Ich finde das offen gestanden ungewöhnlich.“

„Dass Frau Schulz die einzige Augenzeugin ist?“

Der Professor nickte wieder.

„Sie finden es ungewöhnlich, weil das Olympiastadion ein gut frequentierter Ort ist, richtig?“

„Exakt.“

„Es war ein Dienstagmorgen, kurz nach zehn.“

„Das ist ebenfalls richtig.“

„Ich will damit sagen: Dienstagmorgens, kurz nach zehn ist der Parkplatz vor dem Eingangsbereich des Olympiastadions kein gut frequentierter Ort. Ganz im Gegenteil.“

Der Professor blickte über den niedrigen Besuchertisch. Er sah Teufel direkt in die Augen. Er hatte Vertrauen gefasst zu dem bulligen Mann mit der abgewetzten Lederjacke. Er nickte wieder.

„Ganz im Gegenteil“, wiederholte der Detektiv. „An einem gewöhnlichen Wochentag kurz nach zehn Uhr ist der Parkplatz vor dem Eingangsbereich des Olympiastadions meistens ein ziemlich verlassener Ort.“

„Unsere Frau Schulz ist also die einzige Augenzeugin.“

„Sie stand am Eingang und hat geraucht, als Herr Kings Auto in die Luft geflogen ist.“

„Ja, Frau Schulz ist starke Raucherin. Sie genehmigt sich immer wieder mal eine Raucherpause…“

„…am Haupteingang, ein gutes Stück entfernt von diesem Büro.“

Pawelke hob den Kopf.

„Könnte sie nicht irgendwo in der Nähe ihre Pausenzigaretten rauchen?“

„Ich weiß nicht, wo die Mitarbeiter der Geschäftsstelle ihre Zigaretten rauchen“, sagte der Professor.

„Wir wissen zweitens, dass unter dem Wagen eine mit Semtex gefüllte Miene explodierte.“

„Semtex, wer sagt das?“ Die Stimme des Fußballfunktionärs war jetzt schneidend. In den Ermittlungsakten des LKA, die man ihm freundlicherweise unter der Hand zur Einsicht vorgelegt hatte, war der Sprengstoff nicht klassifiziert worden.

„Die Information stammt aus einer absolut zuverlässigen Quelle“, sagte Apollonia Toth. „Sie werden verstehen, Herr Professor, dass wir diese Quelle schützen müssen.“

Pawelke nickt wieder. „Semtex also.“

„Ja, Semtex.“ Teufel räusperte sich. „Die Bombe war eine Fahrzeugmine aus DDR-Beständen. So eine Art Tellermine. „Nur mit einer größeren Treibladung.“

„Aus DDR-Beständen?“

„Ja, aus DDR-Beständen. Auslöser war ein Zeitzünder, man hat die Reste einer Armbanduhr gefunden.“

„Sagt Ihre Quelle.“

„Sagt unser Informant.“

Pawelke erhob sich, ging hinüber zu seinem Schreibtisch und setzte sich in den lederbezogenen Drehstuhl. Er drehte sich langsam zum Fenster. Seine Stimme klang jetzt gedämpft: „Semtex, Fahrzeugmine, Zeitzünder. Und die Täter? Irgendwelche Anhaltspunkte?“

⇒ Folge 67 morgen bei motorfuture

 

 

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