edition motorfuture: KING > Folge 71

„Diese verdammt wichtigen Chefdiplomaten telefonieren doch ständig in der Weltgeschichte herum.“

„Das ist richtig.“ Der Präsident nickte versonnen. „Na hoffentlich wurden die Herren nicht abgehört.“

Hahaha.

Die Runde amüsierte sich jetzt prächtig.

„Ich hoffe nicht“, sagte der Vize. „Und wenn doch, dann sollten wir aber ganz rasch einen Untersuchungsausschuss beantragen.“

Hahaha. Hahahaha.

Der schmächtige Verteidigungsminister und der bullige Geheimdienstkoordinator schlugen sich vor Begeisterung auf die Schenkel. Schon wahr, dieser Jack Store war ein arroganter, überheblicher Klugscheißer. Aber er war eloquent und schlagfertig. Und er war witzig.

„Unser Freund Miesepeter war… nun, wie soll ich sagen… er war behilflich.“

„Er hat es sicher gerne getan“, sagte der Präsident spöttisch.

„Er hat ein wenig gejault“, bestätigte der Vize, „aber unterhalb der Wahrnehmungsschwelle“.

„Unterhalb Johns Wahrnehmungsschwelle, nehme ich einmal an.“

„Selbstverständlich.“ Jack Store nickte. „Es gibt nur die eine Wahrnehmungsschwelle, wenn wir mit dem Kerl reden.“

Hahaha. Hahaha. Hahahaha.  

Die Runde hatte jetzt ihren Spaß. Die fünf Männer im Büro des Präsidenten waren keine Freunde. Im Grunde genommen misstrauten sie sich. Das galt mittlerweile sogar für die Alumni Brent und Jack. Aber in ihrer Abneigung gegen den griesgrämigen deutschen Außenminister waren sie sich einig. Intern nannten sie ihn nur Freund Miesepeter. Oder Freund Helm-Mut. Die Tatsache, dass ein junger Mann auf Polizisten seines Landes einprügelte, war einfach nur widerlich. Feige. Mit solchen Leuten konnte man keinen Staat machen. Das heißt: Deutschland konnte schon. Die Deutschen waren fleißig und klug. Und sie waren ziemlich zahlreich. Ein enormer Wirtschaftsfaktor an strategisch wichtiger Stelle, den man nutzen musste. Aber das Volk selbst, sein Charakter… Die Deutschen machten ständig Staat mit Leuten wie Freund Helm-Mut. Oder mit Stasi-Leuten, die es als Wendehälse aus dem Stand geräuschlos und geschmeidig in höchste bunderepublikanische Ämter geschafft hatten. Dazu die ganzen ekelhaften Nazi-Opportunisten, die nach dem Terror des totalen Krieges und der Konzentrationslager mit größter Selbstverständlichkeit als echte Demokraten weitergemacht hatten. Amtschefs, Universitätsprofessoren, Minister, Arbeitgeberpräsidenten, Bundeskanzler. Oder jetzt der Oppositionschef im Bundestag mit seinem ehrgeizig ins Hirn gestoppelten Englisch. Russisch sprach er fließend. Kein Wunder. Angelmann hatte das Privileg zweier Studienjahre in Moskau genossen. Merkwürdigerweise interessierten sich die Deutschen nicht für das Gerücht, Angelmann habe an seinem Institut als Propagandasekretär gewirkt. Das war komisch, denn es gab doch noch jede Menge Zeitzeugen. Angelmann selbst konnte sich nicht erinnern. Nach so vielen Jahren, sagte er. Man macht so viele Dinge in seinem Leben, sagte er. Wenn nicht alles täuschte, würde die amtierende Regierung die nächste Bundestagswahl verlieren. Angelmann hatte nach der Wende einfach das Trikot gewechselt. Angelmann war jetzt ein Christdemokrat wie aus dem Bilderbuch. Angelmann war auf dem Sprung. 

Hahaha. Hahaha. Hahahaha.

Diese Deutschen.

„Egal.“

Der Präsident war jetzt kurz angebunden.

„Wenn die Mossad-Leute hinter unseren Freunden her sind, dann haben sie wenigstens schon mal diesen Professor erwischt.“

„Und du meinst, wir müssen nur warten, bis sie sich auch Stan King und seinen Leibwächter schnappen.“ Der Vizepräsident zeigte sein schmales Lächeln, und der Geheimdienstkoordinator und der Sicherheitsberater tauschten einen Blick. Auch Verteidigungsminister Gerald Liberman hob interessiert den Kopf, ehe er das Tablet mit der Schutzhülle geräuschvoll schloss.

„Das meine ich in der Tat.“

Der Präsident schaute in die Runde. Er nahm sich jedes Augenpaar für den Bruchteil einer Sekunde vor.

„Der alte Mann ist tot. Der Professor ist tot.“

Die Männer schwiegen.

„Vielleicht haben wir Glück, und unser Problem löst sich relativ zeitnah von ganz alleine.“

 

 

Kapitel 22

Was hab‘ ich euch gesagt?“

Schweigen.

„Man kann sich auf sie verlassen.“

„Ja.“

⇒ Folge 72 morgen bei motorfuture

 

 

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