edition motorfuture: KING > Folge 22

Sie sagte: „Das ist kein Mann mit unterschiedlichen charakterlichen Facetten.“

Teufel schwieg.

„Das ist ein Mann mit unterschiedlichen Leben. Mit vielen unterschiedlichen Leben. So scheint es jedenfalls.“

„Wer bearbeitet den Fall bei euch?“

Die Frau schwieg.

Du redest zu viel.

„Es gibt da eine merkwürdige… wie soll ich sagen… Parallelität.“

Teufel schwieg.

„Das LKA ist bei den ersten Routineermittlungen direkt auf einen zweiten King gestoßen.“

„Verwandt oder verschwägert?“

„Nein, völlig andere Baustelle.“ Die Frau befeuchtete den Zeige- und Mittelfinger der linken Hand mit der Zunge und fasste sich dann zwischen die Beine.

Sie ist geil, und du bist ein Schlappschwanz. Und du horchst sie aus.

Teufel legte seine rechte Hand auf die Hand der Frau.

„Der zweite King ist irgendein hohes Tier bei den Schiedsrichtern… Bei den Fußball-Schiedsrichtern.“

Teufel schwieg.

„Eigentlich heißt er Knecht. Aber in der Fußballszene nennen sie ihn King.“

„Knecht“, wiederholte Teufel, „Walter Knecht. Ich kenne den Namen. Er ist so eine Art Schiedsrichter-Obmann. Er wird manchmal in den Zeitungen zitiert oder im Fernsehen interviewt, gewissermaßen als höchstrichterliche Gutachterinstanz, wenn es um die Bewertung strittiger Schiedsrichterentscheidungen geht.“

Monika Trauernicht schwieg. Ihre Hand lag jetzt auf Teufels Hand, ihre Finger drückten auf seine Finger. Ihre Augen waren geschlossen.

„Was ist mit ihm?“

Die Frau schwieg.

„Was ist mit diesem Knecht?“

„Mach‘ weiter.“ Die Augen der Frau waren geschlossen.

 

 

Kapitel 8

Da saßen sie wieder, die grauen Kameraden. Die ganze Truppe der Vereinigten Bedenkenträger von Amerika. FBI, CIA, NSA. Mit am Tisch der Amtschef des Diplomatischen Korps. Außerdem der Stellvertreter des Außenministers, der Geheimdienstkoordinator des Präsidenten und, natürlich, sein Sicherheitsberater. Alles Schakale und Geier, die auf eine Beute lauerten, die es vielleicht gar nicht gab. Das war noch das Beste an diesem intriganten Haufen: Keiner gönnte dem anderen das Schwarze unter den Fingernägeln, keiner traute dem anderen über den Weg, Fraktionsbildungen ganz und gar ausgeschlossen.

Jack Store, der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, betrachtete die Tischrunde mit Unwillen. Diese Männer bereiteten ihm schlechte Laune. Diese Leute arbeiteten nicht für das Land, sondern für ihre Behörden. Und für sich selbst. Und sie merkten es noch nicht einmal. Der Apparat hatte sich verselbständigt. Ein Land von der Größe der USA war ihm Grunde genommen nicht zu führen. Die Supermacht hatte sich schon lange in eine Vielzahl von Partikularinteressen aufgelöst, die sich teilweise in diametraler Frontstellung ganz offen bekämpften. Mit offenem Visier und ohne Rücksicht auf Verluste. Jack Store war grau geworden an der Seite des Präsidenten. Die zweite Amtszeit hatte nicht den erhofften Befreiungsschlag gebracht. Im Gegenteil. Fast die komplette Ernte war an den Bäumen verfault: Im Inneren drifteten die Kontinentalplatten der Gesellschaft – arm und reich, schwarz und weiß, divers und konventionell – immer schneller auseinander; und draußen wollte keiner mehr begreifen, dass die Welt der Führung einer Supermacht bedurfte, und dass diese Führung ganz selbstverständlich von Gottes eigenem Land beansprucht werden musste, den Vereinigten Staaten von Amerika.

„Mr. Carpenter, Brad, was wissen wir über diese Scheiße da in Deutschland?“ Jack Store fixierte den Mann an seiner rechten Seite.

 

⇒ Folge 23 morgen bei motorfuture

 

 

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