SoH, State of Health – das ist der Gesundheitszustand eines Akkus. Beim Elektroauto ist der SoH der Traktionsbatterie eine zentrale Größe für den Fahrzeugzustand. Aber SoH ist nicht gleich SoH. Der Batteriediagnose-Spezialist AVILOO gibt einen Überblick.
Das Elektroauto schwächelt. Nicht das Produkt an sich, über dessen Vorzüge es keine zwei Meinungen gibt: Der Elektroantrieb ist – sieht man einmal von den lästigen Themen Reichweite und Ladegeschwindigkeit ab – dem alten Verbrenner haushoch überlegen. Rein technisch gesehen. Aber der Markt ist zäh. Die Autos sind teuer, für den Normalverbraucher viel zu teuer. Und die von der Politik und der Industrie postulierten E-Auto-Ziele und -Fristen erweisen sich als Wolkenkuckucksheime. Alt-Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Berater postulierten für 2030 das Ziel von 15 Millionen BEVs (Battery Electric Vehicles) auf den deutschen Straßen. Das ist aus aktueller Sicht – in Deutschland sind derzeit knapp zwei Millionen Vollelektriker zugelassen – weiter von der Realität entfernt als CDU/CSU von der absoluten Mehrheit.
Die Hersteller rudern zurück, die Verbraucher zögern. Und der Gebrauchtwagenmarkt ist aktuell eine weitere BEV-Baustelle. Die Fahrzeugbörse mobile.de listet zu Wochenbeginn 79.657 E-Autos. „Elektroautos sind im Privatkundenmarkt noch immer nicht angekommen“, zitiert die Automobilwoche den Präsidenten des Zentralverbands Deutsches Kfz-Gewerbe, Thomas Peckruhn.
Neben happigen Restwert-Berechnungen für Leasing-Kalkulationen lähmt vor allem die Zustandsbewertung der Antriebsbatterie das Geschäft. Logische Sorge potenzieller Interessenten: Wieviel Leistung und damit Reichweite ist noch drin im Gebrauchtwagen-Akku? Der State of Health (SoH), der Auskunft über den aktuellen Zustand der Batterie liefert, soll Sicherheit schaffen.
SoH: unterschiedliche Bezugswerte und Berechnungsmethoden
Allerdings lässt sich der SoH einer Batterie nicht direkt messen, vielmehr gibt er den Zustand in Bezug zum Neuzustand wieder. „SoH ist nicht gleich SoH“, sagt Patrick Schabus, Chief Product Officer beim Batteriediagnose-Spezialisten AVILOO in Wiener Neudorf (Bild rechts). Schabus: „Es gibt unterschiedliche Bezugswerte und Berechnungsmethoden, und diese führen zu teils stark abweichenden Ergebnissen.“
Unterschiedliche Bezugswerte: Kapazität und Energie
Der kapazitative SoH basiert auf der verbleibenden Kapazität der Batterie in Amperestunden. Er ist theoretisch unabhängig von Temperatur und Fahrweise, in der Praxis allerdings sehr wohl davon beeinflusst. Zudem wird der Innenwiderstand nicht berücksichtigt, was zu einer Überschätzung der tatsächlichen Reichweite führen kann. „Ein erhöhter Innenwiderstand reduziert die Reichweite, gerade bei älteren Fahrzeugen ist der kapazitative SoH daher oft zu optimistisch“, erklärt Schabus.
Der energetische SoH hingegen misst die tatsächlich entnehmbare Energie in Kilowattstunden und ist damit direkt mit der Reichweite verknüpft. AVILOO-Produktmann Schabus: „Wenn ein Fahrzeug 90 Prozent energetischen SoH hat, bedeutet das, dass auch 90 Prozent der ursprünglichen Reichweite noch verfügbar sind.“ Die Berechnung sei allerdings komplex, da sie von Temperatur und Belastungsprofil abhängt. Bei AVILOO erfolgt sie standardisiert nach dem WLTP-Zyklus bei 23 Grad Celsius.
Berechnungsmethoden: Pack- oder Zell-Ebene
Auch die Art der Berechnung beeinflusst die Aussagekraft. Die einfachste Methode ist die SoH-Ermittlung auf Pack-Ebene – sie liefert jedoch nur grobe Schätzungen, da keine Informationen über einzelne Zellen vorliegen.
Deutlich präziser ist die Analyse auf Zell-Ebene. Dabei wird der Ladezustand jeder einzelnen Zelle erfasst, inklusive Balancing-Status. Für die Bestimmung des Gesamt-SoH kommen zwei Methoden zum Einsatz:
- Durchschnittliche Zelle: Diese Methode ist weit verbreitet, aber ungenau, da sie die schwächsten Zellen nicht ausreichend berücksichtigt.
- Schwächste Zelle: Die genaueste Methode, bei der die schwächste Zelle den Gesamtzustand bestimmt – vergleichbar mit dem schwächsten Glied einer Kette.
AVILOO, nach eigenen Angaben Weltmarktführer in der Batteriediagnostik für E-Autos und Plug-in-Hybridfahrzeuge, setzt zum Beispiel auf den State of Certified Energy (SoCE) – einen energetischen SoH auf Zellebene, der auf dem international anerkannten Standard GTR22 basiert. Dabei wird die verfügbare Energie unter definierten Bedingungen gemessen und die schwächste Zelle zur Berechnung herangezogen. Patrick Schabus: „Unser Ziel ist es, die tatsächliche Reichweite eines Fahrzeugs im Verhältnis zum Neuzustand exakt darzustellen – transparent, nachvollziehbar und unabhängig.“
Beim Premium-Test des Unternehmens werden während einer Testfahrt Daten wie Strom, Zellspannung und Temperatur in Echtzeit erfasst und in der AVILOO-Cloud verarbeitet. Die Analyse erfolgt auf Zell-Ebene und berücksichtigt essenzielle Parameter wie Innenwiderstand, Zeitkonstanten und Ruhespannungskurven. „Unsere Zellmodelle basieren auf umfangreichen Labormessungen realer Fahrzeugmodule“, sagt Patrick Schabus: „Nur so können wir den Ladezustand jeder einzelnen Zelle exakt bestimmen – deutlich genauer als das Batteriemanagementsystem (BMS) des Fahrzeugs.“
Das Ergebnis ist ein zertifiziertes Batteriezertifikat, das die tatsächliche noch verfügbare Reichweite des Fahrzeugs transparent und nachvollziehbar darstellt.
Für Situationen, in denen schnelle Ergebnisse und Entscheidungen gefragt sind – etwa im Fahrzeughandel – bietet das österreichische Unternehmen den Flash-Test (Diagonsebox Bild oben). Der Schnelltest basiert auf einem Machine-Learning-Modell, das auf der Basis zehntausender Premium-Tests gefüttert und trainiert wurde. Anhand von Faktoren wie Fahrzeugalter, Laufleistung oder Ladeverhalten wird der SoH in gerade mal drei Minuten ohne vollständige Entladung der Batterie ermittelt.
Die Test-Resultate werden in Form detaillierter Reports dokumentiert (Fotos unten). Alle Analyse-Verfahren und Zeugnisse sind nach Angaben des Unternehmens TÜV- bzw. CARA -zertifiziert (Common Audit Report Application).
Unser Aufmacherbild: 91-kWh-Akku im Ford Mustang GT Fotos: Ford, AVILOO
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