Blick nach vorn, Blick zurück

Volkswagen besinnt sich auf alte Tugenden und gibt mit dem ID.2all einen Blick in die neue Designzukunft, die sich vor allem an der eigenen Firmen-Geschichte orientiert.

Die Erfolgsgeschichte des Automobils startet mit Carl Benz‘ Patentanmeldung seines „Fahrzeug mit Gasmotor“ im Januar 1886. In den 1950er Jahren beginnt in Deutschland und Europa die Phase der Massenmobilität – eines, wenn nicht das wichtigste Modell dafür ist der VW Käfer: In den ersten zehn Produktionsjahren (1945 bis 1955) werden bereits eine Millionen Käfer in Wolfsburg produziert. Volkswagen stellt die Produktion seines Erfolgsmodells nach knapp 60 Jahren und 21.529.464 gebauten Käfer im Jahr 2003 ein.

Neues Design: ein Fall für Avantgardisten

20 Jahre später sieht der Automobilmarkt völlig anders aus. Mit dem Beginn der Elektromobilität haben die Hersteller die Möglichkeit, das Konzept Auto designtechnisch völlig neu zu denken. Die Folge: Die ersten Elektroautostudien und auch die Endprodukte sehen oft futuristisch aus. Elektroauto-Avantgardisten werden mit der neuen Optik abgeholt. Die breite Masse allerdings nicht. Und genau hier liegt das Problem, denn die Elektromobilität muss endlich in der Mitte der Gesellschaft ankommen, wenn Wunsch und Wirklichkeit nicht weiterhin weit auseinanderklaffen sollen.

Die Zukunft, der Polo und die Markenwerte

Die Marke Volkswagen hat im vergangenen Jahr weltweit 4,6 Millionen Fahrzeuge verkauft, davon rund 330.000 Vollelektriker – das entspricht 7,2 Prozent der Gesamtproduktion. Im Jahr 2030 sollen 80 Prozent der in Europa verkauften VW-Fahrzeuge vollelektrisch angetrieben sein. Bis 2026 will VW deshalb zehn neue E-Modelle auf den Markt bringen. Darunter einen vollelektrischen Kleinwagen für unter 25.000 Euro, den ID.2, ein Kompakt-SUV und ein E-Auto für unter 20.000 Euro.

Die jetzt vorgestellte Studie ID.2all ist aber mehr als ein Concept Car, sie ist ein Blick in Volkswagens Designzukunft. Und der ID.2all erinnert optisch stark an den VW Polo. Der Wiedererkennungswert ist groß, die Studie zeigt genau das, was die VW-Verantwortlichen beschreiben.

„VW ist eine Marke, die ein Versprechen im Namen trägt“, sagt VW-Marketing-Vorständin Imelda Labbé. Und genau das will VW wieder aufleben lassen: die lang erarbeiteten Werte Zuverlässigkeit, Beständigkeit und Stabilität. Der typische VW-Fahrer wolle nämlich kein abgefahrenes Design, keinen modischen Schnickschnack, sondern ein solides, qualitativ hochwertiges Auto, das mit seiner Zuverlässigkeit überzeugt und dessen Design zeigt, was es ist: ein VW.

Love Brand for the people

„Wir wollten einen typischen Volkswagen entwickeln“, sagt VW-Chefdesigner Andreas Mindt. Und das ist mehr als gelungen. „Der Innenraum ist so großzügig wie beim Golf, mit den Außenmaßen eines Polo“, sagt VW-Markenchef Thomas Schäfer. „Wir wollen wieder eine Love Brand werden.“ Den Weg dahin sollen drei Fokussierungen ebnen: Kunden-, Produkt- und Design-Fokus. Das Motto bei der ID.2all Präsentation lautet deshalb: „For the people.“

Die Studie ID.2all zeigt, wie konsequent der Weg zurück zum Volkswagen eingeschlagen wird. Denn die vier Meter lange und 1,81 Meter breite Studie sieht optisch eigentlich nicht wie eine Studie aus, sondern könnte auf den ersten Blick genau so in den Verkauf. Wären da nicht die technischen Details, die noch nicht final entwickelt sind und zu denen es noch keine genauen Aussagen gibt. Nur soviel: Der  vorderradangetriebene ID.2 verfügt über eine 166 kW (226 PS) starke E-Maschine und wird eine rechnerische WLTP-Reichweite von bis zu 450 Kilometern habe. Gebaut wird der Kleinwagen zusammen mit dem Cupra Rebel in Spanien — die technischen Daten der beiden Konzern-Derivate werden deshalb sehr ähnlich sein. 2025 soll der Volkswagen auf den Markt kommen, ob der Einstiegspreis von unter 25.000 Euro bis dahin zu halten ist, bleibt abzuwarten. Ebenso die Ausstattungszutaten für die Basisversion.

Zurück in die Zukunft

Und auch die Mannschaft um Andreas Mindt wird noch kräftig an den Formen feilen. Für den ersten ID.2-Entwurf hat der Chefdesigner gerade mal sechs Wochen benötigt. Fest steht, dass sich VW auch bei den weiteren neun neuen E-Modellen, die in den kommenden drei Jahren auf den Markt kommen, an der Designsprache der Vergangenheit orientieren will, um so seine klassische VW-Zielkundschaft anzusprechen. „Der ID. 2all gibt einen Ausblick auf die neue Designsprache von VW, die auf den drei Eckpfeilern Stabilität, Sympathie und Begeisterung basiert“, sagt Mindt: „Wir gehen zurück zu unserem Erbe und bringen es in die Zukunft.“ Blick nach vorn, Blick zurück.

VW ID.2all, Vorstände Kai Grünitz (Technik, links), Imelda Labbé (Vertrieb, Marketing), Thomas Schäfer (CEO Marke VW, rechts), Design-Chef Andreas Mindt (2.v.l.)

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Franziska Weber