Polestar 3 Long Range Single Motor: Fahrbericht

Unterwegs mit dem Einstiegsmodell des Premium-SUV. Logbuch TEST.

Polestar hat im ersten Halbjahr 2025 weltweit 30.319 Fahrzeuge verkauft, davon 1915 Autos in Deutschland. Im Vergleich zum Vorjahr entspricht das einem globalen Wachstum von 51 Prozent, in Deutschland beträgt das Wachstum  20,8 Prozent. Die vollelektrische Marke ist seit 2017 auf dem Markt, blickt aber auch auf eine knapp 30 jährige Geschichte zurück, die im Jahr 1997 als unabhängiges Rennteam begonnen hat. Die darauf folgende Entwicklung einer Leistungssoftware für Volvo legte den Grundstein für die weitere Geschichte: Polestar wurde erst Volvos Performance-Tuning-Partner bevor Volvo die Marke 2015 übernommen hat. Nur zwei Jahre später wird Polestar im Jahr 2017 als Tochtermarke von Volvo und Geely eigenständig. Im vergangenen Jahr haben sich die Besitzverhältnisse erneut verändert: Geely ist jetzt Haupteigentümer, Volvo mit 18 Prozent Anteilen nicht mehr Mutter-, sondern Schwesternmarke.

Polestars Mission lautet nach eigenen Aussagen, fortschrittliche und leistungsorientierte Fahrzeuge zu bauen. Der Fokus liegt dabei auf dem Design, der Performance und der Nachhaltigkeit. Polestar-Chef Michael Lohscheller ist seit knapp einem Jahr im Amt und hat im Januar die neue Strategie des Herstellers vorgestellt, die ein Wachstum von 30 bis 35 Prozent pro Jahr prognostiziert. Das soll durch die neue Vertriebsstrategie, neue Produkte, neue Angebote (Energie-Business), Einnahmen durch CO2-Zertifikate und die Erschließung neuer Märkte erfolgen. 

Aktuell ist Polestar in 28 Märkten mit drei Modellen vertreten: dem Polestar 2, dem Polestar 3 und dem Polestar 4. Polestar nummeriert die Modelle chronologisch nach Markteintritt durch. Gestartet war das Unternehmen 2018 mit dem Polestar 1, einem limitierten Modell – laut eigenen Aussagen „das erste, letzte und einzige Hybridfahrzeug der Marke.“

Seitdem stellt die Marke mit dem Polarstern nur noch vollelektrische Autos her. Die Fließhecklimousine Polestar 2 ist seit 2020 auf dem Markt, im vergangenen Jahr feierten das SUV Polestar 3 und das SUV Coupé Polestar 4 ihren Marktstart. Im September 2025 wird der Polestar 5 vorgestellt, ein Grand Tourer. „Wir sind und bleiben eine rein elektrische Marke“, sagt Polestar-Entwicklungsvorstand Lutz Stiegler. In den kommenden Jahren folgen die Fahrzeuge mit den Modellbezeichnungen 6 und 7. Der 7 wird ein Kompakt-SUV, soll ab 2028 erhältlich sein und im Volvo-Werk im slowakischen Košice gebaut werden. Aktuell produziert das schwedisch-chinesische Unternehmen in China (Chengdu, Hangzhou Bay und Luqiao) und den USA (Ridgeville), noch in diesem Jahr soll die Produktion in Südkorea (Busan) starten.

Der Polestar 3 ist das Topmodell der Marke, die Nachfrage nach den anderen beiden Fahrzeugen ist deutlich größer – aktuell liegt der Polestar 4 bei den Neuzulassungen vor dem 2 und dem 3 .

Mit dem Polestar 3 Long Range Single Motor kommt jetzt ein neues Einstiegsmodell des SUV auf den Markt. „Long Range“ bezieht sich auf die Batterie, die in allen Polestar 3 Modellen gleich ist, „Single Motor“ bedeutet: ein Motor. Der sitzt an der Hinterachse. „Wir müssen schauen, dass wir die Preisspanne ausnutzen“, sagt Lutz Stiegler. „Nicht jeder möchte 80.000 bis 100.000 Euro ausgeben. Und trotzdem ist es alles andere als ein Verzichtspaket.“ Bisher standen zwei Allradvarianten zur Wahl: Der Long Range Dual Motor mit 360 kW (489 PS) und der Long Range Dual Motor Performance mit 380 kW (517 PS). Der Polestar 3 ist das erste Polestar-Modell, das auf zwei Kontinenten produziert wird – in den Volvo-Werken in Chendung (China) und in Ridgeville (South Carolina, USA) teilt sich der 3 die Plattform SPA2 mit dem EX90 der Konzernschwester Volvo. Die Fahrzeuge für den europäischen Markt werden in den USA produziert.

Der Antrieb

Wir waren mit dem Polestar 3 Long Range Single Motor unterwegs: 220 kW (299 PS) und 490 Nm Drehmoment. Das sind gute Papierwerte. Laut Datenblatt beschleunigt das SUV in 7,8 Sekunden von null auf 100 km/h. bei 180 km/h regelt das System ab.

Akku, Verbrauch und Reichweite

Den Strom liefert bei allen Varianten eine 400-Volt-Lithium-Ionen-Batterie mit einer Kapazität von 111 kWh. Die maximale Reichweite der Single Motor-Variante wird mit 706 Kilometer angegeben, der WLTP-Verbrauch liegt je nach Einsatzgebiet zwischen 17,6 und 20,3 kWh/100 km. Unser Testverbrauch auf knapp 200 Kilometern über Land mit vielen Ortsdurchfahrten und einem kurzen Autobahnstück lag mit 19,3 kWh/100 km exakt innerhalb der Verbrauchsangabe. Ein Topwert für ein 2,4 Tonnen schweres Fahrzeug — vor allem bei Berücksichtigung der äußeren Umstände: über 30 Grad Außentemperatur und damit verbundener gut kühlender Klimaanlage. Die bekannte Reichweitenangst sollte hier kein Thema sein.

Polestar setzt bei der Ladetechnik aktuell auf die 400-Volt-Technologie, weil Marktstudien gezeigt haben, dass der Großteil der europäischen Markenkunden die Tesla-Ladeinfrastruktur nutzt, die mit der 400-Volt-Technik ausgestattet ist. „Neun von zehn Elektroautos mit 800-Volt-Technologie laden an 400-Volt-Ladestationen nicht gut. Man tut den Kunden keinen Gefallen mit der 800-Volt-Technik“, sagt Lutz Stiegler. Auf lange Sicht werde die 800-Volt-Technik aber kommen, dafür müsse die Batterie anders aufgebaut sein: optimiert auf mehr Leistungsdichte und weniger Energiedichte. „Im Moment macht es mehr Sinn, dem Kunden mehr Reichweite mitzugeben und eine sehr gute Ladeleistung an 400 Volt“, sagt Stiegler.

An Schnellladesäulen kann die aus 17 Modulen bestehende 111-kWh-Batterie mit einer Ladeleistung von 250 kW innerhalb von 30 Minuten von zehn auf 80 Prozent geladen werden. Steht keine Schnellladesäule zur Verfügung, ist Geduld gefragt: Serienmäßig lädt der Polestar 3 dann mit einer maximalen Ladeleistung von 11 kW.

Das Raumangebot

Der Polestar 3 ist mit 4,90 Meter Länge und 1,97 Meter Breite ein wuchtiges Auto, was sich allerdings nicht im Fahrgefühl niederschlägt. Hinterm Steuer fühlt sich der 2,4 Tonnen schwere Wagen handlich und agil an. Im Innenraum zeigt sich dann die Größe des SUV. Sowohl Fahrer und Beifahrer, aber auch bis zu drei Passagiere im Fond haben ausreichend Platz. Der Kofferraum fasst 597 Liter, klappt man die Rücksitze um, entsteht auf einer ebenen Ladefläche ein Fassungsvolumen von 1411 Liter. Praktisch ist der bei Polestar übliche Frunk in der Front, in dem zum Beispiel das Ladekabel Platz findet.

Das Cockpit

Das Innendesign ist sehr clean, das wichtigste Instrument ist das vertikale Touchscreen in der Mittelkonsole. Alle Fahrassistenzsysteme (inklusive der One-Pedal-Optionen, Lenkung, etc.) und das Infotainment werden hier gesteuert. Im Stand ist die Bedienung einfach – vor allem, wenn man das System bereits aus anderen Polestar-Modellen kennt. Haptische Knöpfe sucht man fast vergeblich. Das wird sich in Zukunft ändern: „Wir geben gerne zu, dass wir da vielleicht ein bisschen weit gegangen sind“, sagt Stiegler. Ab welchem Modell mehr haptische Bedienelemente zu finden sind, wird aktuell noch nicht kommuniziert. Bis es so weit ist, soll der neue Google-Sprachassistent Gemini für eine optimierte Sprachsteuerung sorgen. Polestar setzt auch beim Navigationssystem voll auf Google — und ist damit einer der wenigen Hersteller, denen wohl klar ist, dass die Benutzer bei der Navigation sowieso auf die Google-Technik setzten. Die neue Version wird über ein Over-the-Air-Update auf die Fahrzeuge gespielt. „Die Fahrzeuge sind stark durch die Software definiert und können laufend über die Software verbessert werden“, sagt Polestar-Sprecherin Elisabeth Binder. So sollen die Autos über den gesamten Lebenszyklus aktuell bleiben.

Der Preis

Der Polestar 3 Long Range Single Motor positioniert sich mit 78.590 Euro Listenpreis im Oberklasse-Segment und kostet 7000 Euro weniger als die Allrad-Variante. Bis Ende September gibt es bei Polestar einen Umweltbonus von 4000 Euro, der Einstieg des Polestar 3 ist aktuell ab 74.590 Euro möglich.

Fotos: Polestar

 

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Franziska Weber