Viertes vollelektrisches Volvo-Modell mit Heck- oder Allradantrieb. Neue Sicherheitsfeatures, klare Designsprache, neues Infotainmentsystem. Logbuch TEST.
Volvo blickt auf ein All-time-high-Jahr 2024 zurück, sowohl weltweit als auch in Deutschland. Heißt konkret: 763.389 verkaufte Pkw weltweit, davon 369.685 Fahrzeuge in Europa und 62.326 Fahrzeuge in Deutschland. Das entspricht einem Verkaufsplus von acht Prozent weltweit, 25 Prozent in Europa und 39,3 Prozent in Deutschland. Und, um die Zahlenspiele komplett zu machen, der Gesamtanteil an elektrifizierten Volvo-Fahrzeugen betrug im vergangenen Jahr 46 Prozent — exakt aufgeteilt in 23 Prozent Plug-in-Hybride und 23 Prozent Vollelektriker. In Deutschland, in dem das erste Volvo-Jahr ohne Dieselantriebe gespannt erwartet wurde, liegt der Anteil elektrifizierter Fahrzeuge sogar bei 64 Prozent: Im Unterschied zum globalen Verkauf wurden in der Bundesrepublik 42 Prozent Fahrzeuge mit Plug-in-Hybrid verkauft, der Elektroautoanteil liegt mit 22 Prozent im weltweiten Durchschnitt der schwedisch-chinesischen Marke. Der Automobilhersteller ist (laut Kraftfahrt Bundesamt) damit 2024 die erfolgreichste Importmarke für E-Autos und Plug-in-Hybride in Deutschland.
Im aktuellen Jahr ergänzen zwei weitere vollelektrische Volvo-Modelle das Produktportfolio, der EX30 Cross Country wurde im Februar vorgestellt, vergangene Woche folgte die Weltpremiere des ES90. Ebenfalls neu ist der Produktionsstart des EX30 im Volvo-Werk in Gent — dort werden dann die Fahrzeuge für Europa produziert.
Bereits im Sommer 2024 feierte das Volvo Premium-SUV EX90 seinen vollelektrischen Marktstart. Wir waren im EX90 Twin Motor AWD Ultra unterwegs.
Antrieb
Drei Heck- oder Allradantriebs-Varianten stehen beim vollelektrischen Volvo-Flaggschiff zur Wahl: Single Motor mit 279 PS (205 kW) und 490 Nm Drehmoment, Twin Motor AWD 235 PS (173 kW) und 420 Nm an der Vorder- und 173 PS (127 kW) und 350 Nm an der Hinterachse. Außerdem Twin Motor Performance AWD mit 245 PS (180 kW) und 420 Nm an der Vorder- und 272 PS (200 kW) und 490 Nm an der Hinterachse.
Wir waren mit dem EX90 Twin Motor AWD Ultra unterwegs – Allradantrieb mit 235 PS (173 kW) und 420 Nm in der Front und von 173 PS (127 kW) und 350 Nm im Heck.
Ein Sicherheitsthema, mit dem Volvo schon seit einigen Jahren modell- und antriebsübergreifend an den Start geht, ist das Tempolimit – seit 2020 liefert der Automobilhersteller alle Fahrzeuge mit einer abgeregelten Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h aus. Und trotzdem: Für den Sprint auf 100 km/h benötigt das Premium-SUV lediglich 5,9 Sekunden. Spritziger geht es kaum. Insgesamt macht die Fahrt im Volvo-SUV Spaß, der mit nur einem Fahrmodus an den Start geht. Stellt man die One-Pedal-Option ein, kann man das 5,04 Meter lange SUV mit einem Fuß fahren, alternativ kann man die elektroautotypische Fahroption abschalten. Wählt man keine der beiden Optionen, startet man im adaptiven Modus, das Fahrzeug passt das One-Pedal-Driving an die aktuelle Verkehrssituation an.
Laden und Verbrauch
Die Reichweite ist und bleibt ein ausschlaggebendes Kriterium beim E-Auto-Kauf. Der EX90 mit Allradantrieb speist seine Energie aus einer 111-kWh-Lithium-Ionen-Batterie, die im Wagenboden liegt und laut Hersteller Reichweiten von bis zu 599 Kilometer ermöglicht. Die Verbrauchsangaben von 21,2 kWh/100 km konnten bei der Testfahrt nicht ganz erreicht werden, am Ende der knapp 100 Kilometer langen Fahrt in und um Hamburg standen 25 kWh im Bordcomputer – allerdings bei kühlen Temperaturen. Keine optimalen Bedingungen für E-Autos und trotzdem ein Top-Verbrauchswert für ein knapp 2,8 Tonnen schweres Fahrzeug. Wer frischen Strom braucht, der kann seinen Volvo an Schnellladesäulen dank der Ladeleistung von 250 kW innerhalb von 30 Minuten von 10 auf 80 Prozent laden – Volvo setzt beim EX90 auf ein 400-Volt-System. Steht keine Schnellladesäule zur Verfügung fließt der Strom mit 11 kW in den EX90.
Volvo bietet eine Batteriegarantie von acht Jahren Laufzeit oder 160.000 Kilometer.
Fahrwerk und Komfort
Der größte Volvo-SUV bringt mit 5,04 Meter Länge und 1,96 Meter Breite sowie 2,75 Tonnen Gewicht (Allrad) ein mächtiges Auto auf die Straße. In der Theorie. Denn sitzt man erst einmal hinterm Steuer vergisst man die Maße und Masse, lässt sie beim elektrotypisch schnellen Antritt an der ersten Ampel stehen/liegen. Der EX90 fühlt sich beim Fahren sehr kompakt an. Im Innenraum finden Fahrer und bis zu sechs Beifahrer ausreichend Platz auf den bequemen Sitzen. Die Kunden haben die Wahl zwischen fünf, sechs und sieben Sitzen, die sich auf zwei beziehungsweise drei Sitzreihen verteilen. Wobei die Plätze ganz hinten eher für kurze Fahrten oder Kinder geeignet sind. Entscheidet man sich für eine dritte Sitzreihe verkleinert sich das Kofferraumvolumen natürlich erheblich, die Sitze lassen sich aber elektronisch zu einer flachen Kofferraumfläche einklappen. Dann stehen auch beim 7-Sitzer 1.955 Liter Kofferraum zur Verfügung, zuzüglich des Frunks in der Front – der 49 Liter fassende Extra-Stauraum bietet zum Beispiel Platz für die Ladekabel.
Cockpit und Infotainment
Volvo zeigt auch beim EX90 seine Premiumklasse, verzichtet im hochwertig anmutenden Innenraum aber auf Luxusmaterialien wie Leder. Bei den Sitzbezügen hat man zum Beispiel die Wahl zwischen dem von Volvo entwickelten Material Nordico und einem Wollgemisch. Nordico besteht aus Vinyl, recycelten PET-Flaschen und biologisch angebautem Material, die Alternative Tailored Wool besteht zu 30 Prozent aus Wolle und zu 70 Prozent aus Polyester.
Insgesamt ist das Cockpit clean gehalten, der Großteil der Bedienungen erfolgt über den 14,5 Zolll großen Touchscreen. Die Bedienung ist selbsterklärend, sollte aber vor allem im Stand erfolgen. Einer der wenigen haptischen Knöpfe im Innenraum ist der Lautstärkenregler.
Neu im Volvo-Flaggschiff ist das Infotainmentsystem, das über ein Over-the-air-update auch in alle Volvo-Modelle (ab Baujahr 2020) Einzug erhält — insgesamt werden so über 2,5 Millionen Fahrzeuge weltweit aktualisiert. Ebenfalls neu ist der Digital Key, der das Smartphone zum Autoschlüssel macht.
Neben der Nachhaltigkeit setzt Volvo seit jeher auf das Thema Sicherheit. Kein neues Modell ohne neues Sicherheitsfeature. Es überrascht also nicht, dass auch der neueste EX90 laut Marken-Marketing das sicherste Volvo-Fahrzeug der Geschichte sei. Das neue Volvo-Angebot heißt „Advanced Driver Assist System“, das Fahrer-Monitoring-System funktioniert auf der Basis von Lidar (Light Imaging, Detection and Ranging) sowie etlichen Kameras. Heißt konkret: Der Fahrer wird im Innenraum überwacht und das System warnt per Signal sobald der Fahrer unaufmerksam ist. Außerdem sorgen Sensoren dafür, dass keine Personen oder Tiere im Auto vergessen werden – in den USA ein immer noch weit verbreitetes Problem. Außen sorgen der neue Lidar, der äußerlich Ähnlichkeiten mit einem englischen Taxischild hat, für mehr Sicherheit. Bis zu 250 Meter weit erkennt das System Objekte und berechnet die Entfernung zentimetergenau — die Technik verwendet Licht in Form gepulster Laserstrahlen. Der Lidar soll so die Anzahl der Unfälle mit schwerem Ausgang um bis zu 20 Prozent reduzieren. Das System soll zukünftig durch ein Update auch das autonome Fahren ermöglichen.
Für weitere Sicherheit sorgen die Kameras in der Front, der Seite und im Heck. Sie liefern einen 360 Grad Rundumblick. Das optionale Fahrassistenzsystem Pilot Assist sorgt für komfortables Fahren bis 150 km/h.
Preis
Volvo positioniert sich mit dem EX90 im Premiumsegment. Der EX90 mit Heckantrieb kostet ab 83.700 Euro. Der günstigste Allrad startet bei 91.700 Euro, die Performance-Allrad-Variante bei 96.800 Euro.
Fotos: Volvo
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