„Wir sind bei Polestar auf einem sehr guten Weg“

5 Fragen an Thomas Ingenlath. Der Chef der Volvo-Elektromarke Polestar über die ersten Serienautos der Marke, die Entwicklung der Batterietechnik, die Brennstoffzelle und den Wettbewerber Tesla.

Polestar nimmt Fahrt auf. Thomas Ingenlath, 53, präsentierte das erste Auto seiner Marke im vergangenen Herbst. Der Polestar 1 ist ein Plug-in-Hybrid mit 600 PS und soll Mitte 2019 auf den Markt kommen. Und der für 2020 avisierte Polestar 2 soll direkt gegen den Tesla 3 positioniert werden: Reichweite 500 Kilometer, Preis 40.000 Euro.

Herr Ingenlath, wieviel Volvo steckt in Polestar? Das Design des Polestar 1 geht zurück auf das Volvo Concept Coupé, das im Jahr 2013 auf der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt erstmals gezeigt wurde und weltweit große, überaus positive Resonanz gefunden hat. Damals haben wir die neue Designsprache von Volvo erstmals gezeigt und den Weg in die Zukunft beschrieben. Das Polestar 1 Modell unterscheidet sich jedoch in großem Umfang in inhaltlichen Details von dem damaligen Konzept-Fahrzeug, speziell hinsichtlich der technischen Innovationen. So baut der Polestar 1 grundsätzlich auf der skalierbaren Produkt-Architektur (SPA) von Volvo auf, ungefähr die Hälfte der Basis wurde jedoch neu gestaltet oder verändert. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Bei der Karosserie haben wir uns für einen Aufbau aus Karbonfaser entschieden, während die Volvo-Modelle weiterhin aus Stahlblech gefertigt werden. Die Leichtbau-Karosserie des Polestar 1 wird mit der SPA-Plattform aus hochfestem Stahl verklebt. Oder der Antriebsstrang: Der basiert auf dem T8 Twin Engine Konzept von Volvo, hat aber die dreifache Batteriekapazität, wesentlich mehr Leistung und hat zwei Elektromotoren an der Hinterachse, die über ein Planetengetriebe miteinander verbunden sind und ein Torque Vectoring ermöglichen. So setzen sich diese Unterschiede in vielen Bereichen fort. Verantwortlich für die Entwicklung der Polestar-Modelle sind direkt bei Polestar angestellte Experten beziehungsweise auf Polestar spezialisierte Teams innerhalb der Volvo Entwicklung. Das ist eine optimale Kombination mit besten Möglichkeiten der Synergiennutzung.

Werden die ersten Serienautos von Polestar den Verstand bedienen oder das Herz? Bisher haben wir nur den Polestar 1 gezeigt und der bedient sehr stark das Herz – und gleichzeitig auch den Verstand. Das 2+2-sitzige Coupé, ein sportlich-eleganter Grand Tourer, begeistert alleine schon durch seinen optischen Auftritt: Die Linienführung, die Proportionen, die hochwertigen Materialien im Innenraum, die Lösungen im Detail – das alles hat die Öffentlichkeit begeistert. Damit haben wir sehr starke Emotionen geweckt und es freut uns natürlich, dass wir auf diesem Wege die Anerkennung für unsere Arbeit bekommen. Den Verstand bedienen wir mit einer höchst innovativen Technik, die es ermöglicht, die Sportlichkeit und Dynamik des Polestar 1 ohne Reue genießen zu können. Der Polestar 1 ist ein Fahrzeug, mit dem schnelle Überlandfahrten auf kurvigen Straßen ebenso viel Spaß machen, wie eine komfortable, alltagstaugliche Fortbewegung in Innenstädten. Mal interagieren Verbrenner und Elektromotoren und gewährleisten höchste Dynamik, mal reichen die Elektromotoren zur Fortbewegung aus. Wie sehr Polestar 2 und 3 dann Herz und Verstand bedienen, klärt sich zu einem späteren Zeitpunkt.

Setzt Polestar auf konventionelle Batterietechnik, oder gibt es möglicherweise ganz neue Ideen? Die Batterien-Entwicklung setzt sich immer weiter fort. Da gibt es keinen Stillstand und wir erwarten in den kommenden Jahren weitere positive Veränderungen, speziell was den technischen Aufbau der Batterien, die Ladekapazität und Leistung, die Abmessungen, die Zuverlässigkeit und vieles mehr anbetrifft. Wichtig ist in diesem Zusammenhang natürlich auch, dass damit weitere Kostensenkungen einhergehen werden. Das alles beobachten wir sehr genau und wir können uns in weiterer Zukunft auf neue Entwicklungen und Angebote einstellen. Für die jetzt geplanten drei ersten Polestar-Modelle haben wir uns aber für Lithium-Ionen-Batterien entschieden.

Ist die Brennstoffzelle für Polestar ein Thema? Hier lautet die Antwort ähnlich wie bei der Batterietechnik: Wir beobachten auch die Brennstoffzellen-Entwicklung, können, wenn notwendig, auch darauf reagieren, ich sehe diese aber in den kommenden Jahren nicht in unseren Fahrzeugen. Die Brennstoffzelle kann ein Lösungsansatz für die Zukunft sein. Bis dahin werden wir elektrifizierte Fahrzeuge mit Batterietechnik anbieten. Man muss solche Entwicklungen neben der technischen Machbarkeit stets auch sehr genau von der Kostenseite betrachten. Ein Auto muss bezahlbar bleiben, die Kunden müssen es sich leisten können und die Profitabilität für den Hersteller muss gewährleistet sein. Nur ein profitables Unternehmen kann sich die immer komplexer werdenden Entwicklungen für die Mobilität der Zukunft leisten und dabei nachhaltig bestehen.

Das führt uns abschließend direkt nach Kalifornien, wo ein Newcomer Schlagzeilen macht: Gibt es etwas, was Polestar von Tesla lernen kann? Die Leistung von Tesla müssen wir uneingeschränkt anerkennen. Das Unternehmen ist als Quereinsteiger in die Automobilindustrie eingetreten und hat mit seinem radikalen Ansatz der Fahrzeugauslegung und des Fahrzeugverkaufs viel bewegt. Die klassischen Automobilhersteller sind damit zu neuen Überlegungen und Maßnahmen angeregt worden. Viele haben auch sehr schnell darauf reagiert und ihre Strategien und Ziele umgestellt. Es gehört aber mehr dazu, als nur neue Ideen zu entwickeln, die müssen auch in der Serie umgesetzt werden, insbesondere bei großen Stückzahlen. Ein Elektrofahrzeug ist ja nicht nur ein Computer mit großem Bildschirm auf Rädern, dazu gehören auch sichere, qualitativ hochwertige Karosserien, dynamische und komfortable Fahrwerke, Bremsanlagen, exzellentes Interieur und einiges mehr. Nicht zu vergessen die Produktion und später dann die Serviceleistungen rund um die Nutzung der Fahrzeuge. Also spezialisierte Werkstätten, Ersatzteilversorgung etc. In diesen Bereichen haben die alt eingesessenen Hersteller große Erfahrungen und haben dabei die Nase vorn. Alles andere gilt es noch aufzuholen, doch es ist nur eine Frage der Zeit, bis das in allen Bereichen erreicht ist. Wir sind diesbezüglich bei Polestar und auch Volvo auf einem sehr guten Weg.

Redaktion