Mercedes-Benz und die me Convention – oder die Neuerfindung der Automobilausstellung. Impressionen von der IAA 2017. Teil 3.
Seit gut einer Woche zeigen Automobilhersteller ihre neuen Autos auf der 67. IAA in Frankfurt. Hauptthemen sind, nach den endlosen Diesel-Diskussionen der vergangenen Monate, die Zukunftsthemen der Branche: alternative Antriebe und autonomes Fahren. „Zukunft erleben“ lautet der Titel der Messe. Die Hersteller halten sich an den Slogan, es bleibt ihnen ja auch gar nichts anderes übrig: jede Menge Elektroautos, Conceptcars, Zukunftsvisionen. Das Auto von morgen lenkt nicht nur selbst, es denkt auch selbst, der Mensch mutiert zum passiven Passagier. Fährst du noch (selbst), oder wohnst du schon (in deinem Auto auf der Fahrt von A nach B)? Die schöne neue Autowelt will die Freude am (Selbst-)Fahren durch einen nie gekannten Komfort des Reisens ersetzen.
Mercedes Benz investiert(e) bei der 67. IAA mit einer weiteren Idee in die Zukunft. Auf Ebene eins der Frankfurter Festhalle ist nur ein einziges Auto zu sehen – ein Exemplar des C 111, dem (damals) revolutionären Wankel-Sportwagen von 1969, ein Prototyp, der es nie in die Serienproduktion geschafft hat. Auf der restlichen Ausstellungsfläche fand am ersten Messe-Wochenende die erste me Convention statt. Eine Konferenz, drei Veranstaltungstage, sieben Bühnen, 70 Themen, 150 Redner aus den unterschiedlichsten Branchen. Themen? Vielfältig. Einzige Gemeinsamkeit: Der Zukunftsaspekt. Zentrale Fragestellung: Wie wollen die Menschen in Zukunft arbeiten, kommunizieren, konsumieren, wohnen, leben, sich fortbewegen?
„Durch das Neuerfinden der IAA, wie wir sie kennen, können wir aus meiner Sicht die existierende Messe noch besser machen“, eröffnete Marketingchef Jens Thiemer das Mercedes-Benz-Happening. Symbolisch rollte das Mercedes Concept EQA von der Bühne und machte Platz für die Raumfahrtlegende Buzz Aldrin. Der zweite Mann auf dem Mond ist mittlerweile 87 Jahre alt, ließ es sich aber nicht nehmen, einen Moonwalk zum Besten zu geben. Aldrin ist vielleicht alt an Erfahrung, aber jung im Herzen. Der US-Astronaut ist sicher, dass die Menschheit aussterben wird, wenn sie nicht im All weiterforscht.
Aldrins Auftritt war der zugleich spektakuläre wie nachdenkliche Auftakt einer aufwendigen Versuchsanordnung die in Vorträgen, Expertengesprächen, Workshops oder auch in der festivalähnlichen me-Convention-Area einen Diskurs über die Zukunft führen sollte.
Beim Betrachten der Rednerliste fragt man sich natürlich, was ein buddhistischer Mönch, der Vorstandsvorsitzende von Daimler, die Facebook-Geschäftsführerin, der zweite Mann auf dem Mond, ein Kurator, ein IBM-Ingenieur, ein Cyborg, ein Rapper und ein Start-up-Gründer gemeinsam haben. Auf den ersten Blick nicht viel. Doch sie alle zeigten in ihren Vorträgen und Gesprächen, dass der Blick über den Tellerrand wichtig ist, dass „das Leben ein lebenslanges Lernen ist“ (Kurator Hans Ulrich Obrist und Rapper A$AP Rocky). Dass „man sich fokusieren muss“ (Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg, Mönch Gelong Thubeten, Daimler- und Mercedes-Chef Dieter Zetsche).
Mit der me Convention will die vornehme, alte Markendame Mercedes-Benz also den Weg in die aufregende, herausfordernde (digitale) Zukunft gehen, ohne dabei allerdings das Kerngeschäft, das klassische autoaffine (Messe-)Publikum aus den Augen zu verlieren. Aus unterschiedlichsten Perspektiven werfen die Konferenzteilnehmer einen Blick in die Zukunft und bieten Einblicke in die unterschiedlichsten Lebensbereiche. Der farbenblinde Cyborg Neil Harrison zum Beispiel. Er ließ sich eine Antenne implantieren, um Farben hören zu können und war wohl der am kontroversesten diskutierteste Redner unter den 2700 Teilnehmern aus 35 Ländern.
Daimler-Chef Dieter Zetsche sprach mit Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg über Führungsstile, Weiterentwicklungen und Umverteilungen in ihren Geschäftsfeldern. Sandberg erklärte, dass man seine Zeit und Aufmerksamkeit dort einsetzen müsse, wo die Kunden ihre Zeit und ihren Fokus haben. „Aus der eigenen Komfortzone raus, um in eine neue Komfortzone zu kommen“, beschrieb der Extremsportler Mike Horn sein Lebensmotto.
Und genau das – auf zu neuen Ufern – will auch Mercedes-Benz. „Wir wollen ein Publikum ansprechen, dass sonst nicht auf die IAA kommt“, sagte Mercedes-Sprecherin Ina Schultz über die me Convention-Idee – und freute sich über jeden Hipster, dem sie während der Konferenztage begegnete. Das Schlusswort hat deshalb ein Mann, der bei den Jungen ein Star und bei den Alten ein Exot ist. Der New Yorker Rapper A$AP Rocky – vermutlich kennen ihn nur die unter 30-jährigen – brachte das Ziel der Veranstaltung so auf den Punkt: „Be a better you“.