Die Formel E wird erwachsen

Teams und Serie arbeiten hart. Saison 2022/23 mit Halbzeit in Berlin. Zuschauerinteresse wächst. Porsche und Pascal Wehrlein starten als WM-Führende in zweite Saisonhälfte.

Die Formel E hat am vergangenen Wochenende ihre erste Saisonhälfte mit den Rennen sieben und acht in Berlin beendet. Jaguar-Pilot Mitch Evans und Envision-Pilot Nick Cassidy siegten auf dem temporären 2,355 Kilometer langen Kurs auf dem stillgelegten Flughafen Tempelhof vor ausverkauften Tribünen. Acht weitere Rennen in Monaco, Jakarta, Portland, Rom und London stehen an fünf weiteren Rennwochenenden im Saisonkalender.

Acht Rennen, sechs Sieger

Wie in den vergangenen Jahren liegt das Feld der vollelektrischen Rennserie eng zusammen. In den bisherigen acht Rennen siegten sechs Fahrer: Jake Dennis (Mexiko-Stadt), Pascal Wehrlein (beide Diriyah-Rennen), Jean-Éric Vergne (Hyderabad), António Félix da Costa (Kapstadt), Mitch Evans (Sao Paulo und Berlin) und Nick Cassidy (Berlin). Die Weltmeisterschaft ist noch völlig offen.

Berlin: 83 Rennrunden, 362 Überholmanöver

Die Formel E bietet spannenden Rennsport und das nicht nur wegen der vollelektrischen Antriebe. In Berlin gab es an zwei Renntagen 362 Überholmanöver auf 83 Rennrunden. Mitch Evans siegte am Samstag nachdem er von Startplatz Nummer neun gestartet war, Sonntagsieger Jake Dennis startete von Platz neun. Des einen Freud, des anderen Leid, in der aktuellen Saison siegte noch kein Polesetter. Wie schnell sich das Blatt in der Formel E wenden kann, zeigte auch Abt-Cupra im Qualifying am Sonntag. Das Team reiste ohne Punkte nach Berlin und stand als erstes Team mit beiden Fahrern im Qualifyingfinale. Robin Frijns sammelte als Polesetter die ersten Saisonpunkte für Abt und Nico Müller holte mit Platz neun erstmals Rennpunkte in dieser Saison. „Natürlich haben uns im Zeittraining die nassen Bedingungen in die Karten gespielt und dieses überraschende Ergebnis ermöglicht. Im Rennen haben wir allerdings gemerkt, dass wir bei normalen Bedingungen noch nicht die nötige Pace haben. Wir nehmen dennoch einige positive Aspekte für die nächsten Rennen mit aus Berlin“, kommentierte Abt-Teamchef Thomas Biermaier.

Striktes Kostenmanagement, viele Gleichteile

Das 22-köpfige Formel-E-Fahrerfeld liegt deshalb so eng zusammen, weil die 350 kW starken Boliden der dritten Generation aus vielen Gleichteilen bestehen. Das Kostenmanagement will es so. Spark Racing Technology baut das Einheits-Chassis, Williams Advanced Engineering liefert die Batterie, Hankook ist seit dieser Saison der neue Reifenlieferant der Formel E. Die Teams entwickeln den Antriebsstrang und die Software, die ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist.

Jaguar, Mahindra, Nissan, Porsche: Antriebsstränge für Kundenteams

Außerdem müssen Hersteller-Teams ihre Antriebsstränge Kundenteams zur Verfügung stellen. In der aktuellen Saison starten Abt im Mahindra M9Electro, Andretti im Porsche 99X Electric, Envision im Jaguar I-Type 6 und McLaren im Nissan e-4ORCE 04. „Wir profitieren davon, dass vier Nissan e-4ORCE 04 an den Start gehen“, sagt Nissan-Pressesprecherin Maria De Juana. „Wir tauschen unsere Daten nach den Rennen mit McLaren aus und sehen so, ob Fehler technischer, strategischer oder anderer Natur sind. Wir kennen dadurch zwar nicht den exakten Fehler, können aber die Fehlerquelle einschränken.“

Service, Logistik, Simulatoren

Während Nissan (unser Aufmacherbild mit Sacha Fenestraz im Cockpit) auf eine bessere zweite Saisonhälfte hofft, verbuchen bisher drei Fahrzeuge alle bisherigen acht Saisonsiege: Mit Pascal Wehrlein, António Félix da Costa und Jake Dennis siegte der Porsche 99X Electric vier Mal, der Jaguar I-Type 6 feiert mit Mitch Evans und Nick Cassidy drei Siege und Jean-Éric Vergne siegte im DS E-TENSE FE23.

Dass die Rennboliden die gesamte Saison unterwegs sind und die Teamstandorte erst nach der Saison wiedersehen, machen Service und Logistik in der Formel E zu einer komplexen Angelegenheit. Während der Saison arbeiten die Teams praktisch ausschließlich mit Simulatoren an der technischen Weiterentwicklung. Auch das komplette Equipment reist von Formel-E-Rennen zu Formel-E-Rennen – die Überlegung, die Rennen auf Stadtkursen zu den Zuschauern zu bringen, ist für die Organisatoren ein großer logistischer Aufwand, weil die Strecken und die dazugehörige Infrastruktur Rennen für Rennen neu aufgebaut werden müssen.

„Die Formel E ist wie eine große Familie“, sagt Maria De Juana. „Bei uns ist alles noch etwas kleiner und familiärer als in anderen Rennserie.“ Auch das Konzept am Renntag, an dem sowohl Freies Training und Qualifying als auch das Rennen stattfinden, soll Familien ansprechen. Im „Fan Village“ werden Kinder und Erwachsene spielerisch an die Elektromobilität herangeführt, und wie bei allen anderen Rennserien gilt auch hier: von der Rennstrecke in die Serie. „Bei uns findet der Austausch zusätzlich auch andersherum statt“, sagt Nissan-Teamchef Tommaso Volpe. „Wir tauschen uns regelmäßig mit den Ingenieuren der Serienproduktion aus und lernen auch von deren Erfahrungen.“

Berlin zweimal ausverkauft, Tokio in den Startlöchern

In Berlin waren beide Renntage ausverkauft, das Interesse der Zuschauer an der vollelektrischen Rennserie wächst. „Corona hat die Formel E zuschauertechnisch zurückgeworfen, das Feeling an der Strecke ist nicht ersetzbar“, sagt De Juana. „Wir sind jetzt auf dem Niveau von vor der Pandemie, blicken aber positiv in die Zukunft. Die Bekanntheit der Serie steigt stetig.“

Um ständig neue Zuschauer zu erreichen, variiert auch der Saisonkalender der vollelektrischen Rennserie, die in den bisherigen neun Saisons in insgesamt 31 Städten gastierte. Nissan-Motorsport-Chef Takao Katagiri hofft, dass die Formel E bereits in der kommenden Saison auch in Tokio startet. Berlin ist die einzige Stadt, in der seit der Debutsaison 2014/15 jedes Jahr mindestens ein Rennen stattgefunden hat.

In zwei Wochen findet bereits das nächste Formel-E-Rennen in Monaco statt. Porsche und Pascal Wehrlein reisen als WM-Führende an die Riviera. Aber die Konkurrenz schläft nicht. „Wir arbeiten weiterhin hart daran, uns zu verbessern“,sagt Nissan-Pilot Norman Nato. „Wir werden das, was wir in Berlin und in der ersten Saisonhälfte gelernt haben, nutzen, um in Monaco konkurrenzfähiger zu sein.“

Formel E Saison 2022/23
Fahrerwertung nach 8 Rennen
1. Pascal Wehrlein, TAG Heuer Porsche Formula E Team 100 Punkte
2. Nick Cassidy, Envision Racing 96 Punkte
3. Jean-Éric Vergne, DS Penske 81 Punkte
4. Jake Dennis, Avalanche Andretti Formula E 80 Punkte
5. Mitch Evans, Jaguar TCS Racing 76 Punkte
6. António Félix da Costa, TAG Heuer Porsche Formula E Team 68 Punkte
7. Sam Bird, Jaguar TCS Racing 62 Punkte
8. Sébastien Buemi, Envision Racing 57 Punkte
9. René Rast, NEOM McLaren Formula E Team 40 Punkte
10. Jake Hughes, NEOM McLaren Formula E Team 32 Punkte
11. Stoffel Vandoorne, DS Penske 26 Punkte
12. Maximilian Günther, Maserati MSG Racing 24 Punkte
13. André Lotterer, Avalanche Andretti Formula E 23 Punkte
14. Lucas di Grassi, Mahindra Racing 18 Punkte
15. Norman Nato, Nissan Formula E Team 11 Punkte
16. Sérgio Sette Câmara, NIO 333 Racing 10 Punkte
17. Dan Ticktum, NIO 333 Racing 10 Punkte
18. Oliver Rowland, Mahindra Racing 9 Punkte
19. Sacha Fenestraz, Nissan Formula E Team 7 Punkte
20. Edoardo Mortara, Maserati MSG Racing 5 Punkte
21. Robin Frijns, Abt Cupra Formula E Team 3 Punkte
22. Nico Müller, Abt Cupra Formula E Team 2 Punkte
23. Kelvin van der Linde, Abt Cupra Formula E Team 0 Punkte

 

Teamwertung nach 8 Rennen
1. TAG Heuer Porsche Formula E Team 168 Punkte
2. Envision Racing 153 Punkte
3. Jaguar TCS Racing 138 Punkte
4. DS Penske 107 Punkte
5. Avalanche Andretti Formula E 103 Punkte
6. NEOM McLaren Formula E Team 72 Punkte
7. Maserati MSG Racing 29 Punkte
8. Mahindra Racing 27 Punkte
9. NIO 333 Racing 20 Punkte
10. Nissan Formula E Team 18 Punkte
11. Abt Cupra Formula E Team 5 Punkte

 

7. Rennen in Berlin (Deutschland), 21. April 2023
Ergebnis
1. Mitch Evans, Jaguar TCS Racing 55:10,391 min
2. Sam Bird, Jaguar TCS Racing
+1,850 s
3. Maximilian Günther, Maserati MSG Racing +2,738 s
4. Sébastien Buemi, Envision Racing +2,849 s
5. Nick Cassidy, Envision Racing +4,787 s
6. Pascal Wehrlein, TAG Heuer Porsche Formula E Team +9,111 s
7. Jean-Éric Vergne, DS Penske +9,191 s
8. André Lotterer, Avalanche Andretti Formula E +9,504 s
9. Edoardo Mortara, Maserati MSG Racing +10,159 s
10. Oliver Rowland, Mahindra Racing +10,308 s
11. Lucas di Grassi, Mahindra Racing
+19,449 s
12. Sacha Fenestraz, Nissan Formula E Team
+21,549 s
13. Norman Nato, Nissan Formula E Team
+24,561 s
14. Robin Frijns, Abt Cupra Formula E Team +25,627 s
15. Nico Müller, Abt Cupra Formula E Team +27,580 s
16. Sérgio Sette Câmara, NIO 333 Racing +34,847 s
17. René Rast, NEOM McLaren Formula E Team +1 Runde
18. Jake Dennis, Avalanche Andretti Formula E
+5 Runden

 

Rennen nicht beendet
António Félix da Costa, TAG Heuer Porsche Formula E Team Runde 30
Dan Ticktum, NIO 333 Racing Runde 19
Stoffel Vandoorne, DS Penske Runde 19
Jake Hughes, NEOM McLaren Formula E Team Runde 19
Pole Position

Sébastien Buemi, Envision Racing

Schnellste Rennrunde (Top 10)

André Lotterer, Avalanche Andretti Formula E, 1:07,269 min, 34. Runde

 

8. Rennen in Berlin (Deutschland), 22. April 2023
Ergebnis
1. Nick Cassidy, Envision Racing 46:34,509 min
2. Jake Dennis, Avalanche Andretti Formula E
+0,442 s
3. Jean-Éric Vergne, DS Penske +1,292 s
4. Mitch Evans, Jaguar TCS Racing
+1,769 s
5. António Félix da Costa, TAG Heuer Porsche Formula E Team +2,460 s
6. Maximilian Günther, Maserati MSG Racing +2,981 s
7. Pascal Wehrlein, TAG Heuer Porsche Formula E Team
+3,545 s
8. Stoffel Vandoorne, DS Penske +4,851 s
9. Nico Müller, Abt Cupra Formula E Team +6,612 s
10. Dan Ticktum, NIO 333 Racing +7,822 s
11. Sacha Fenestraz, Nissan Formula E Team
+9,461 s
12. Lucas di Grassi, Mahindra Racing
+9,462 s
13. René Rast, NEOM McLaren Formula E Team +9,678 s
14. Oliver Rowland, Mahindra Racing +11,780 s
15. Sérgio Sette Câmara, NIO 333 Racing
+13,687 s
16. Norman Nato, Nissan Formula E Team +13,749 s
17. Robin Frijns, Abt Cupra Formula E Team +22,937 s
18. Jake Hughes, NEOM McLaren Formula E Team +29,580 s
19. Sam Bird, Jaguar TCS Racing +34,381 s
20. Sébastien Buemi, Envision Racing +1:03,532 min
21. André Lotterer, Avalanche Andretti Formula E +1:04,102 min
22. Edoardo Mortara, Maserati MSG Racing +3 Runden
Pole Position

Robin Frijns, Abt Cupra Formula E Team

Schnellste Rennrunde (Top 10)

Maximilian Günther, Maserati MSG Racing, 1:06,911 min, 36. Runde

 

*Punkteschlüssel Plätze 1 bis 10: 25 P. / 18 P. / 15 P. / 12 P. / 10 P. / 8 P. / 6 P. / 4 P. / 2 P. / 1 P. 3 Zusatzpunkte gibt es für die Pole Position, 1 Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde.

Franziska Weber