Die Brennstoffzelle macht Dampf: 14 Wasserstoffzüge für den Linienbetrieb zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude.
Weltpremiere in Niedersachsen: In Bremervörde (Kreis Rotenburg) ist jetzt der erste reguläre Passagier-Linienverkehr mit Wasserstoffzügen an den Start gegangen. Die 14 Triebwagen mit Brennstoffzellenantrieb gehören der Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG), einer Tochtergesellschaft des Landes. Weitere Projektpartner sind der Schienenfahrzeugbauer Alstom, die Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser (evb) und der Gasspezialist Linde.
Das Investitionsvolumen von gut 93 Millionen Euro wird mit 85 Millionen Euro im wesentlichen aus der niedersächsischen Landeskasse finanziert, 8,4 Millionen Euro bringt der Bund. „Wir leisten hier echte Pionierarbeit“, sagt der niedersächsische Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU).
Die Steuermillionen werden nicht auf Verdacht investiert, ein knapp zweijähriger Probebetrieb mit zwei Brennstoffzellen-Vorserienzügen ging störungsfrei über die Schiene.
Das Netz
Die Verkehrsbetriebe Elbe-Weser setzen die 14 wasserstoff-betriebenen Alstom-Regionalzüge im Auftrag der LNVG im Linienbetrieb zwischen Cuxhaven, Bremerhaven, Bremervörde und Buxtehude ein. Die Gesamtlänge der Strecke beträgt rund 120 Kilometer. Die im Betrieb emissionsfreien Alstom-Triebzüge des Modells Coradia iLint haben eine Reichweite von 1000 Kilometern. Sie ersetzen 15 Diesel-Züge mit einem jährlichen Gesamtverbrauch von 1,6 Millionen Liter Diesel. Umwelteffekt: 4400 Tonnen CO2-Einsparung pro Jahr.
Die Wasserstofftankstelle
Die Wasserstofftankstelle in Bremervörde wird vom Gasspezialisten Linde betrieben. Die technischen Daten der Anlage: 500-bar-Hochdruckspeicher, Gesamtkapazität 1800 Kilogramm, sechs Wasserstoffverdichter, zwei Zapfsäulen. Mittelfristig ist die Wasserstofferzeugung direkt vor Ort geplant. Regenerativ erzeugter Strom soll die Elektrolyse im küstennahen und windreichen Norden auf Touren bringen.
Der Brennstoffzellenzug
Der Alstom Coradia iLint ist weltweit der erste Personenzug, dem eine Brennstoffzelle Dampf macht. Dabei wird elektrische Energie für den Antrieb erzeugt. Der im Betrieb emissionsfreie Zug ist vergleichsweise leise, beim Betrieb entstehen lediglich Wasserdampf und Kondenswasser. Der Coradia iLint kommt aus dem Alstom-Werk in Salzgitter und wurde speziell für den Einsatz auf nicht elektrifizierten Strecken entwickelt. Die beiden Elektromotoren des Triebwagens leisten jeweils 376 kW, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 140 km/h. Im Netz der evb ist der Zug mit Tempo 80 bis 120 unterwegs.
Die 54 Meter langen Triebwagen bieten 155 Sitzplätze, bei hohem Passagieraufkommen werden zwei Triebwagen gekoppelt.
Die Macher
Die evb-Gruppe wird gemeinsam vom Land Niedersachsen sowie neun Landkreisen und Kommunen betrieben. Rund 600 evb-Beschäftigte befördern jährlich sechs Millionen Fahrgäste mit Bussen und Bahnen im Elbe-Weser-Dreieck. Die evb verfügt über ein 235 Kilometer langes eigenes Streckennetz sowie Bus- und Bahnreparaturwerkstätten. Den Güterverkehr betreibt die evb-Gruppe deutschlandweit. Das Unternehmen ist mit Standorten in Hamburg, Bremen, Bremerhaven, Wilhelmshaven und Regensburg vertreten. Als Gesellschafter ist die evb am metronom, dem Busunternehmen KVG sowie verschiedenen Verkehrsverbünden beteiligt.
Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen organisiert den Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zwischen Nordsee und Harz und leistet dafür jährlich rund 300 Millionen Euro Ausgleichszahlungen an die Eisenbahnunternehmen. Zum Fahrzeugpool der LNVG gehören über 300 Wagen, Lokomotiven und Triebzüge, die an Eisenbahnunternehmen vermietet werden. LNVG-Chefin Carmen Schwabl kündigte im Rahmen des Wasserstoffstarts in Bremervörde einen generellen Strategiewechsel bei der Fahrzeugbeschaffung an. Das Landesunternehmen will künftig auf die Neuanschaffung von Diesel-Zügen verzichten. Diese Entscheidung sei nicht nur dem Klimaschutz geschuldet, man sei auch „davon überzeugt, dass Diesel-Züge in Zukunft nicht mehr wirtschaftlich zu betreiben sind“. Die LNVG werde in Zukunft auf nicht elektrifizierten Streckennetzen elektrisch angetriebene Züge einsetzen, alternativ mit Wasserstoff- oder Batterietechnik.
Foto: evb/Sabrina Adeline Nagel