Zukunftskonzept ohne Zukunftsantrieb

Der Hochraumkombi Caddy macht der Volkswagen-Idee im Prinzip alle Ehre – was fehlt ist der E-Antrieb für den Stadteinsatz.

Stadtlieferwagen ohne E-Antrieb: VW Caddy Foto: VW

Stadtlieferwagen ohne E-Antrieb: VW Caddy
Foto: VW

Ginge es nach der schlichtesten aller Meisterregeln der Motivationskunst wäre die Geschichte hier schon zu Ende: Nichts gesagt ist genug gelobt.

Man kann die Story natürlich ein wenig aufpeppen. Dann darf man sagen: Der VW Caddy ist ein rundum gelungenes Auto. Und in einem Nachsatz diese Informationen liefern: saubere EU-6-Triebwerke, verschwenderisch viel Platz für Familie, Freizeit und Gewerbe, routinierte Verarbeitung, tadellose Fahrsicherheit – die ganze Palette zeitgenössischer elektronischer Sicherheits- und Assistenz-technik ist teilweise serienmäßig an Bord, teilweise gegen Aufpreis verfügbar.

Will man das Thema aber ein wenig prosaischer angehen, und gerade dieser VW hat es verdient, steht am Beginn der Geschichte eine grundsätzliche Überlegung sowohl in Bezug auf das Fahrzeug als auch auf die Marke. Der Hochraumkombi Caddy, von dem es jetzt eine rundum überarbeitete Neuauflage gibt, verkörpert die drei Silben der ursprünglichen Markenidee nämlich wie derzeit kein zweiter VW. Soll heißen: Der Caddy ist ein echter Volkswagen.

In Zeiten wie diesen ist das im Prinzip eine gute Nachricht. Denn wir haben es im vorliegenden Fall ja nicht nur mit Konzernstrategen zu tun, die einerseits nutzlose Trophäen wie den Phaeton pflegen und andererseits sinnfreie Ziele wie die globale Marktführerschaft jagen. Vielmehr scheint das ganze Thema der individuellen Mobilität zuweilen in die Schieflage einer sonderbaren Luxusdiskussion zu geraten. Die ursprüngliche und bis heute unschlagbare Idee individueller motorisierter Mobilität steckt – an ihren Polen jedenfalls – in einem grotesken ideologischen Abnutzungskampf. Hier die ewig gestrigen Genug-ist-nicht-genug-Fetischisten mit ihrem hedonistischen Drang zum PS-Overkill; dort die mittlerweile vom Grünen ins Graue changierenden Gutmenschen und Besserwisser, die, weil ihr Lebensentwurf selbst kein Automobil benötigt, dasselbe am liebsten auf dem Schrottplatz der Geschichte sehen würden.

Argumente gibt es hüben wie drüben. Erklärungsmuster auch. Denn die Motivlagen der Sackgassen-Fraktionen sind ja möglicherweise jeweils in jenem Wohlstand zu suchen, den die einen nicht begreifen und die anderen nicht ertragen. Oder umgekehrt.

Der Caddy, dieser klassenlose Lastesel, steht gewissermaßen schon qua Funktion über solchen ideologischen Scharmützeln. Umso bedauerlicher, dass die im Prinzip gute Nachricht – siehe oben – im Zuge der Weiterentwicklung leider auch zu einer im Prinzip schlechten Nachricht mutiert. Volkswagen hat es bei der Neuauflage nämlich versäumt, ein ganz spezielles Aufgaben- und Einsatzgebiete des Kleintransporters für die Erprobung zukunftsfähiger Alternativantriebe zu nutzen.

Keine Frage, der Caddy ist bei Handel und Gewerbe eine gern genutzte Transportlösung für den Stadteinsatz. Keine Frage auch, dass der Elektroantrieb für den Kurzstreckenbetrieb prädestiniert ist. Umso mehr verwundert es, dass die VW-Produktplaner die Entwicklungs-, Erprobungs- und nicht zuletzt auch Profilierungschance noch nicht einmal im Ansatz nutzen. Es gibt keinen E-Antrieb für das Auto, es gibt keinen Plug-in-Hybrid – es gibt nur die vage Ankündigung, über solche Themen nach-zudenken.

Das ist nicht viel, um es einmal vorsichtig zu formulieren. Stattdessen werden hinter vorgehaltener Hand die alten Vorbehalte gegen die neue Technik wiederholt: zu teuer, keine Infrastruktur, keine staatliche Förderung, keine Kundenakzeptanz. Soll heißen: Soll sich doch die Konkurrenz die Finger verbrennen. Oder: Wir gehen an den Start, wenn andere das Lehrgeld bezahlt haben.

Warum der Caddy dennoch ein Zukunftskonzept ist? Weil er als praktische Lösung für pragmatische Statusverweigerer eine maximale Alternative bietet. Die Vorbilder aus Frankreich (Renault Kangoo, Citroen Berlingo, Peugeot Partner) und aus Italien (Fiat Doblo) haben den Markterfolg vor-programmiert. Der rumänische Preisbrecher Dacia Dokker treibt den Wettbewerb auf die Spitze. Grund für den leisen Siegeszug der Hochdachkombis sind ihre famosen Alltagstalente: Schiebetüren für schmale Parklücken, variable Innenraumkonzepte für tausend Einsatzzwecke, Gepäckabteile groß wie Lagerschuppen, erhöhte Sitzpositionen für den besseren Durchblick und den bequemeren Ein- und Ausstieg. Gepaart mit moderner Antriebs-, Fahrwerks- und Sicherheitstechnik punkten diese nur scheinbar grauen Fahrzeugmäuse im Vergleich zu den großen Vans zudem meist mit moderaten Listenpreisen.

Was uns zurück zum Caddy bringt, dem echten Volkswagen unter den Volkswagen. Der Caddy – Kasten und Kombi, zwei Radstände, vier Diesel- und vier Ottomotoren mit 75 bis 150 PS – ist im Konzern bei der Nutzfahrzeugsparte angesiedelt. Das schadet ganz gewiss nicht dem Qualitätsanspruch, mit dem das Auto im polnischen Poznan gebaut wird. Es hilft ihm allerdings auch nicht im direkten Preisver-gleich mit der Konkurrenz. Als Caddy für alle Familienfälle könnte der sparsame Zweiliter-Diesel mit 102 PS (75 kW, 4,6 Liter Normverbrauch) und in Kombination mit der ebenfalls sparsamen Trendline-Ausstattung in Frage kommen. Gerundeter Grundpreis: 23.500 Euro. Die Klimaanlage kostet hier allerdings extra: 1450 Euro. Ebenso Sitzheizung (385 Euro), beheiz- und klappbare Außenspiegel (150 Euro) und Lederlenkrad (175 Euro). Gesamtpreis laut Liste: rund 25.700 Euro.

Das ist viel Geld für zugegebenermaßen sehr viel Auto. Dass es sehr viel Auto auch für sehr viel weniger Geld geben kann, belegt im Wettbewerb der Renault-Discounter Dacia mit dem Caddy-Konkurrenten Dokker. Der 90-PS-Diesel-Dokker kostet in der oben konfigurierten Ausstattung 14.300 Euro. Bei einem Verbrauch von sechs Litern und einem Dieselpreis von 1,50 Euro fahren Erbsenzähler mit der Preisdifferenz eine Strecke von 125.000 Kilometern. Das musst du wissen, wenn du mit dem Caddy an der Tanke stehst.

Ein Volkswagen, darüber sollten sie bei Volkswagen mal nachdenken, muss in erster Linie auch ein be-zahlbarer Volkswagen sein.

Oskar Weber