Bremsen und Energiemanagement sind der Schlüssel zum Erfolg

Am kommenden Samstag startet die Formel E in Marrakesch in das fünfte Saisonrennen. Vier unterschiedliche Sieger gibt es in der aktuellen Saison. Die Bremsen werden beim 2,971 Kilometer langen Kurs in Marokko besonders beansprucht.

Die Formel E setzt aus Effizienz- und Kostenpunkten viele Einheitsteile ein. Neben dem Chassis und der Batterie sind auch die Bremsen bei allen 24 vollelektrischen Boliden identisch. Das italienische Unternehmen Brembo stattet die zwölf Teams seit der vergangenen Saison mit eigens für die Formel E entwickelten Bremsanlagen aus, die aus Bremsscheiben, Bremssätteln, Bremsbelägen, Achsbefestigungen und einer Tandempumpe bestehen.

Spezialist Brembo

„Brembo ist natürlich ständiger Innovation verpflichtet. In der Formel E sehen wir ein wertvolles, mobiles Labor für die Entwicklung von Elektrotechnik-Technologien, die die eigentliche Herausforderung der Zukunft – wenn nicht sogar der Gegenwart – in der Automobilindustrie darstellen“, sagt Brembo-Formel-E- und -Formel-1-Renningenieur Giovanni Clemente.

Die Bremsscheiben und -beläge bestehen aus Carbon, der Monoblock-Bremssattel mit vier Kolben besteht aus einer oxidierten Aluminiumlegierung und ist aus dem Vollen gefräst. Ebenfalls aus Aluminium besteht die Achsbefestigung. Bei der Pumpe handelt es sich um eine einstufige Tandempumpe.

So viele Teams gleichzeitig für dieselbe Automobil-Meisterschaft auszustatten, bedeutet für Brembo eine Rekordherausforderung in seiner Motorsport-Geschichte. „Die Rennserie wird es Brembo in den kommenden Jahren ermöglichen, mit technischen Lösungen zu experimentieren, die dann in die spezifischen Anforderungen von Elektroautos übertragen werden können“, sagt Clemente über den Technologietransfer zwischen Motorsport- und Serienproduktion.

Härtetest Marrakesch

Der Formel-E-Kurs in Marrakesch ist für den italienischen Bremsenhersteller besonders herausfordernd, die 2,971 Kilometer lange Strecke stellt eine Kombination aus einer permanenten Rennstrecke und öffentlichen Straßen dar, hat verlängerte Geraden und zwölf Kurven. Die Kombination aus kurzen Stößen, langen Geraden, engen Kurven und den normalerweise hohen afrikanischen Lufttemperaturen macht diese spezielle Strecke sehr aggressiv gegenüber den Bremsen, 57 Prozent der Strecke sind Vollgas-Passagen, rund 23 Prozent einer Runde entfallen auf das Bremsen. Und während der Runde haben die Bremsen nicht genügend Zeit, um abzukühlen — die Bremsscheiben müssen im Bereich von 400 bis 800 Grad Celsius bleiben, um eine optimale Leistung zu erzielen. Das bedeutet, dass die optimale Nutzung der Bremsen der Schlüssel zum Erfolg des E-Prix von Marrakesch ist.

Brembo liefert das Bremssystem für alle 24 Formel-E-Boliden

Um sicherzustellen, dass die Sicherheits- und Leistungsstandards der Bremsen bei jedem Rennen und unter allen Bedingungen eingehalten werden, führt Brembo Belastbarkeits-, Temperaturbeständigkeits- und Gesamtleistungstests durch, bei denen die Karbonscheiben und -beläge und die Alluminium-Bremssättel weit über ihren optimalen Einsatzbereich an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht werden. 

„Die wirklich wichtige Herausforderung für Brembo ist die Entwicklung von Wettkampfbremsen, die ihrem Wesen nach stets das bestmögliche Gleichgewicht zwischen den gegensätzlichen Anforderungen an Leistung, Sicherheit, Gewicht, Haltbarkeit, konstanter Effizienz und erschwinglichen Kosten darstellen müssen“, sagt Brembo-Renningenieur Clemente.

Bremsleistung mit Faktor 4

Der kritischste Bremspunkt auf dem Circuit International Automobile Moulay El Hassan liegt kurz vor Kurve sieben, nach einer langen, schnellen Gerade. Um das Auto zu verlangsamen, müssen die Brembo-Bremsen eine fast viermal so hohe Leistung erzeugen wie die Power Unit. Die Fahrer müssen die Geschwindigkeit innerhalb von 100 Metern und drei Sekunden um circa 100 km/h verringern, bevor es in die Linkskurve geht. Und auch die restlichen Kurven haben alle einen mittleren bis hohen Schwierigkeitsgrad und halten die Bremsen daher unter erheblichem Druck. Am Ende einer Runde beträgt die beim Bremsen erforderliche Energiemenge mehr als 2,5 Prozent der Batteriekapazität. Nur eine kleine Menge dieser Energie kann an der Hinterachse regeneriert werden, der größte Teil wird durch Wärme abgeführt.

Energiemanagement: Schlüssel zum Erfolg

Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg beim fünften Formel-E-Saisonrennen ist das Energiemanagement: „Ich mag das Layout. Die richtige Fahrzeugeinstellung sowie ein gutes Energiemanagement sind die Schlüsselfaktoren. Es wird kein einfaches Rennen, da diese Strecke viele Überholmöglichkeiten bietet und wir daher noch effizienter mit der zur Verfügung stehenden Energiemenge umgehen müssen“, sagt Porsche-Pilot André Lotterer.

Vier Rennen, vier Sieger

In den bisherigen vier Saisonrennen gab es vier verschiedene Sieger: Sam Bird, Alexander Sims, Maximilian Günther und Mitch Evans. Mexiko-Sieger Evans führt auch die Fahrerwertung mit einem Punkt Vorsprung vor Diriyah-Sieger Sims (46 Punkte) an. In der Teamwertung führt BMW mit 71 Punkten vor Jaguar (59 Punkte) und Mercedes (56 Punkte).

Tabellenführer BMW blickt mit gemischten Gefühlen auf das letzte Rennen in Marrakesch zurück – auf Position eins und zwei liegend kollidierten die beiden Team-Piloten António Félix da Costa und Alexander Sims. Da Costa schied aus, Sims fiel auf Platz vier zurück. „An Marrakesch haben wir aus dem vergangenen Jahr noch viele Erinnerungen – einige davon sind sehr gut, andere hätten wir gerne vergessen“, sagt BMW-Teamchef Roger Griffiths. „Rückblickend haben wir aus dem, was in Marrakesch zwischen António Félix da Costa und Alexander Sims im Kampf um Platz eins passiert ist, sehr viel gelernt. Ich würde sogar sagen, es war der entscheidende Moment für das Zusammenwachsen von BMW i Andretti Motorsport zu einem echten Team. Nun kehren wir in Saison 6 als stärkere Mannschaft zurück und führen sogar die Teamwertung an.“

Live bei Eurosport

Das Rennen in Marrakesch startet Samstag um 15 Uhr und führt wie gewohnt über 45 Minuten plus eine Runde. Wie immer überträgt Eurosport live, die ARD zeigt den Lauf im Livestream in der Mediathek.

Franziska Weber