Die Frau an seiner Seite

Die Frau an seiner Seite. Es gab tatsächlich mal Zeitungsserien mit diesem Titel. Das ist lange her. Nicht selten hat die Frau an „seiner“ Seite „ihn“ überlebt – und mit seinem Erbe ihre ganz eigene Macht begründet. Die Bundeskanzlerin weiß schon, warum sie gut Freundin ist mit Friede Springer und Liz Mohn. Die Bundeskanzlerin ist diesbezüglich klar im Vorteil. Sie ist selber eine Frau. Männer können einfach nicht begreifen wie Frauen ticken. Das liegt vermutlich daran, dass sie noch nicht einmal wissen wie sie selber ticken – im Zweifel ist das ein Nachteil.

Martin Winterkorn kann, glaubt man dem Manager Magazin, ein garstig Lied davon singen. Der Niedergang des Ex-VW-Chefs begann – so geht die Anekdote – mit einer Unbotmäßigkeit auf privatem Gelände. Im Wortsinne. Winterkorn interessierte sich für ein Wohnhaus, das Wolfgang Porsche in München zum Kauf anbot. Ursula Piëch soll dagegen gewesen sein. (Ursula Piëch ist die Frau Ferdinand Piëchs. Ferdinand Piëch ist der langjährige Förderer und Führer Martin Winterkorns. Wolfgang Porsche ist das Oberhaupt der Porsche-Familie. Ferdinand Piëch ist das Oberhaupt des Porsche-Familienzweigs Piëch. Ferdinand Piëch, so sagt man, kann seine Porsche-Cousins nicht leiden. Die Porsche-Brüder, wird kolportiert, können Ferdinand Piëch nicht leiden.) Ursula Piëch soll also gegen die private Transkation in München-Bogenhausen gewesen sein. Dass der Piëch-Günstling Winterkorn einen privaten Deal mit dem familiären Widersacher Wolfgang Porsche machen wolle, sei keine gute Idee. Das soll sie Martin Winterkorn auch mitgeteilt haben.

Der VW-Chef reagierte störrisch. Er kaufte die Porsche-Villa, obwohl in München ständig viele schöne Villen auf dem Markt sind. Er bekam das Haus, verlor aber die Gunst der Frau. Männer wissen nicht wie Frauen ticken. Winterkorn musste aber wissen wie Ferdinand Piëch tickt. Und er musste wissen, dass zwischen den VW-Patriarchen und dessen Ehefrau Ursula nicht das sprichwörtliche Blatt Papier passt.

Ein leichter Fehler? Allerdings. Man kann erfolgreiche Männer auf viele Arten düpieren. Aber die engste Familie, die Kinder, die Ehefrau gar sind tabu. Der Bogenhausener Immobiliendeal hat sich vor sieben Jahre zugetragen. Martin Winterkorn war kurz zuvor zum VW-Konzernchef aufgestiegen. Die Geschichte birgt den Keim des Unheils. Sie erzählt von Menschen. Von Abhängigkeiten und Erwartungen und Schwächen. Die Geschichte erzählt von der damals bereits fortgeschrittene Hybris eines Mannes, der es ganz nach oben geschafft und dabei irgendwann vergessen hatte, dass man für die ganz große Karriere nicht nur Talent und Können braucht, sondern auch sehr viel Glück und Unterstützung.

Traurig, dass so viele Höhenflieger mit der Demut auch die Wahrnehmung alles Menschlichen außerhalb ihrer ureigenen persönlichen Privatsphäre verlieren.

Oskar Weber