Formel-E-Hauptstadt Berlin

Am kommenden Wochenende startet die Formel E in Berlin. Zwei Rennen stehen auf dem Saisonkalender. Pascal Wehrlein reist als WM-Führender zu seinem Heimrennen, Jaguar führt die Teamwertung an.

Am Wochenende startet die Formel E mit den Saisonrennen neun und zehn in die zweite Saisonhälfte der zehnten Jubiläumssaison. Berlin ist im zehnten Jahr in Folge Austragungsort mindestens eines vollelektrischen Rennens – einzigartig in der Serie, die ihren Rennkalender jährlich ändert.

Berlin, Berlin…

Formel-E-Gründer Alejandro Agag hatte vor der Debutsaison 2014/15 die Idee, Rennen zu den Menschen zu bringen, wenn diese nicht mehr an die Rennstrecken der Welt kommen. Ergebnis ist das Rennkonzept der Formel E: komprimierte Tagesevents auf temporären Stadtkursen. Die emissionsfreien und leisen Formel-E-Boliden machen das möglich. Training, Qualifying und Rennen finden an einem Tag statt. In den bisherigen zehn Saisons startete die vollelektrische Rennserie in 33 verschiedenen Städten.

Berlin unterscheidet sich etwas von der Ursprungsidee. Nicht nur, weil in allen bisherigen Saisons mindestens ein Rennen in der deutschen Hauptstadt stattgefunden hat, sondern auch, weil der Austragungsort in neun der zehn Saisons der stillgelegte Flughafen Tempelhof war. Ebenfalls ein temporärer Kurs, allerdings nicht mitten in der Stadt.

Zehn Siegertypen

Zehn der bisherigen 15 Berlin-Sieger gehen auch in diesem Jahr an den Start: Lucas di Grassi, António Félix da Costa, Maximilian Günther, Jean-Éric Vergne, Oliver Rowland, Stoffel Vandoorne, Norman Nato, Edoardo Mortara, Mitch Evans und Nick Cassidy. Knapp die Hälfte des 22-köpfigen Fahrerfelds hat also bereits in Berlin gewonnen.

Allerdings: Die Saisonrennen neun und zehn finden auf einem neuen Kurs statt. Das heißt, alle Teams starten bei null. Denn obwohl die Technik eine sehr präzise Vorsimulation möglich macht, sehen Fahrer und Ingenieure die exakte Rennstrecke erst am Rennwochenende – wo zum Beispiel die Mauern stehen, die die engen Stadtkurse begrenzen. „Neue Strecken sind immer eine Herausforderung, und obwohl wir Modelle der Strecken haben, gibt es vor Ort oft noch Überraschungen“, sagt Nissan-Formel-E-Team-Director Dorian Boisdron. Und: „Wegen der begrenzten Testtage im Auto setzen wir vor allem auf unsere Erfahrung, unsere bisherigen Rennerfahrungen sind unbezahlbar.“

2,343 Kilometer, 15 Kurven, gegen den Uhrzeigersinn

Der neue Kurs ist 2,343 Kilometer lang, hat 15 Kurven und wird gegen den Uhrzeigersinn gefahren. Am Samstag sind 40, am Sonntag 38 Runden zu absolvieren. Das neue Streckenlayout ist mit zwei Haarnadelkurven, zwei Geraden und schnellen und langsamen Kurven besser auf den Gen3-Boliden ausgerichtet als die bisherige Berlin-Strecke. „Es wird ein bisschen ungewohnt sein, auf einem anderen Layout als in den letzten sechs oder sieben Jahren zu fahren“, sagt Mahindra-Pilot Edoardo Mortara. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir actiongeladene Rennen mit viel Windschatten fahren werden. Hoffentlich können wir die richtige Strategie finden und das Maximum aus dem Paket herausholen, das wir haben.“ Mahindra steht aktuell auf dem letzten Platz der Teamwertung und hat in der aktuellen Saison als einziges Team noch keine Punkte eingefahren.

Jaguar, Porsche, Andretti, Nissan

An der Spitze des Klassements reist Jaguar mit 172 Punkten vor Porsche (128 Punkte), Andretti (113 Punkte) und Nissan (112 Punkte) nach Berlin. Pascal Wehrlein reist als WM-Führender zu seinem Heimrennen in Berlin. „Ich freue mich vor allem auf die Unterstützung durch die deutschen Fans“, sagt WM-Spitzenreiter Wehrlein. „Berlin ist keine typische Formel-E-Strecke. Es wird sehr viel Windschattenfahren geben, was bedeutet, dass man im Rennen sehr viel Energie sparen muss. Das haben wir zuletzt in Misano gut gemacht.“ Der Porsche-Pilot hat in der aktuellen Saison bereits zwei Rennen gewonnen (Mexiko-Stadt und Misano) und ist einer von insgesamt sieben Saisonsiegern. Jake Dennis, Nick Cassidy, Sam Bird, Maximilian Günther, Oliver Rowland und Mitch Evans siegten ebenfalls in der aktuellen Saison. Cassidy, Dennis, Rowland und Evans folgen Wehrlein auf den Plätzen zwei bis fünf in der Fahrerwertung.

Insgesamt ist die Formel E erneut sehr ausgeglichen. Grund dafür ist, dass die Teams in Formel-E-Boliden der dritten Generation starten, die aus vielen Gleichteilen bestehen: Spark Racing Technology baut das Einheits-Chassis, Williams Advanced Engineering liefert die Batterie, Hankook ist Reifenlieferant der Formel E. Das sorgt für Kostenreduktion und Chancengleichheit. Die Software wird von den Teams in Eigenregie entwickelt.

Maximal 350 kW, 60 Prozent Energie

Aktuell treiben den Gen3-Boliden 300 kW (408 PS) an, im Qualifying und im kurzfristigen Attack-Rennmodus stehen den 22 Fahrern 350 kW (476 PS) Leistung zur Verfügung,. Die 38,5-kWh-Batterie wiegt 285 Kilogramm und liefert am Start je nach Kurs circa 60 Prozent der für die Renndistanz benötigten Energie. Die restlichen 40 Prozent müssen die Fahrer während des Rennens rekuperieren. Das Energiemanagement ist deshalb ein, wenn nicht der Schlüssel zum Erfolg.

Gen3 Evo vorgestellt, Gen4 in Planung

Am letzten Formel-E-Rennwochenende in Monaco wurde bereits die nächste Evolutionsstufe des Autos vorgestellt, der Gen3 Evo, der ab der kommenden Saison im Einsatz ist. Zwei Saisons starten die Teams dann mit dem Boliden, der einen deutlichen Leistungssprung macht und in knapp 1,9 Sekunden von null auf 100 km/h beschleunigen soll. Ebenfalls neu sind der Allradantrieb, die Chassisform und die neu entwickelten Reifen. „Die FIA und die Formel E haben hart am Entwicklungsprozess dieses neuen Gen3 Evo-Rennwagens gearbeitet, der einen weiteren bedeutenden Sprung in der elektrischen Renntechnologie darstellt“, sagt FIA-President Mohammed Ben Sulayem.

Und, um den Blick noch weiter in die Zukunft zu richten: Auch der Gen4-Bolide ist bereits in der Planung. Die vierte Generation der Formel-E-Rennwagen soll ab der 13. Saison (2026/27) für vier Jahre an den Start gehen.

Mit Nissan und Jaguar haben bereits zwei Hersteller ihr Formel-E-Engagement bis 2030 bestätigt. „Wir bieten unseren Fans nicht nur ein spannendes Spektakel auf der Rennstrecke, sondern leisten mit unserer Teilnahme auch einen wichtigen Beitrag zu unseren Elektrifizierungszielen, die wir in unserer ‚Ambition 2030‘ definiert haben“, sagt Nissan-Chef Makoto Uchida. „Die technologischen Durchbrüche, die wir auf der Rennstrecke erzielen, werden uns wichtige Erkenntnisse für die Entwicklung zukünftiger Produkte liefern.“ Nissan hat sein Engagement beim Heimrennen in Tokio bekannt gegeben, Jaguar bestätigte den Verbleib in der vollelektrischen Serie beim Saisonrennen in Monaco. „Seit ihren Anfängen als Start-up vor zehn Jahren hat sich die FIA Formel E zu einer echten Weltmeisterschaft entwickelt, die nicht nur unglaublich spannenden und professionellen Sport auf höchstem Niveau bietet, sondern auch Pionierarbeit für batterieelektrische Fahrzeugtechnologien ohne Emissionen leistet“, sagt Jaguar-Teamchef James Barclay. „Jaguar TCS Racing wird die rasante Entwicklung der EV-Technologie auf der Rennstrecke weiter vorantreiben, zum Nutzen unserer zukünftigen Kunden auf der Straße.

Samstag und Sonntag, 15 Uhr

Zurück nach Berlin: Die Formel-E-Rennen Nummer neun und zehn der zehnten Saison starten am Samstag und Sonntag (11./12. Mai) jeweils um 15 Uhr. DF1 überträgt live.

Im 22-köpfigen Fahrerfeld kommt es bei den beiden Deutschland-Rennen zu Änderungen, weil einige Fahrer aufgrund ihrer Engagements in anderen Motorsportserien am Wochenende fehlen. Kevin van der Linde übernimmt bei Abt Nico Müllers Cockpit, Jordan King ersetzt Nyck de Vries im Mahindra und Envision starten mit einem komplett neuen Fahrerduo: Paul Aron und Joel Eriksson übernehmen die Cockpits von Sébastien Buemi und Robin Frijns. Zusätzlich fehlt auch Sam Bird nach seiner Verletzung in Monaco, der Brite wird erneut von Taylor Barnard vertreten. Barnard ist seit seinem Start in Monaco mit 19 Jahren und 331 Tagen der jüngste Formel-E-Starter in der zehnjährigen Geschichte der Serie. „Taylor hat bei seinem Last-Minute-Einsatz in Monaco hervorragende Arbeit geleistet, ebenso wie die Mannschaft, die ihn während der gesamten Zeit hervorragend unterstützt und angeleitet hat“, sagt McLaren Teamchef Ian James. „Er wird nun auf dieser Erfahrung aufbauen können, während Sam an seiner Genesung arbeitet – mit der vollen Unterstützung des Teams.“

Nach den beiden Rennen steht für die elf Teams am Montag der erste Rookie-Test der Saison an, eine weitere Formel-E-Besonderheit. Beim Rookie-Test können alle Teams zwei junge Fahrer an den Start schicken, um ihnen die Serie näherzubringen. Bisherige Erfolgsbilanz der Fahrerrekrutierung: Im aktuellen Fahrerfeld starten mit Nick Cassidy, Sacha Fenestraz, Jake Hughes, Norman Nato und Sergio Sette Camara fünf ehemalige Rookie-Test-Starter. 

 

Formel E Saison 2023/24
Fahrerwertung nach 8. Rennen
1. Pascal Wehrlein, TAG Heuer Porsche Formula E Team
102 Punkte
2. Nick Cassidy, Jaguar TCS Racing 95 Punkte
3. Jake Dennis, Andretti Formula E 89 Punkte
4. Oliver Rowland, Nissan Formula E Team 88 Punkte
5. Mitch Evans Jaguar TCS Racing 77 Punkte
6. Maximilian Günther, Maserati MSG Racing 65 Punkte
7. Jean-Éric Vergne, DS Penske 65 Punkte
8. Sam Bird, NEOM McLaren Formula E Team 38 Punkte
9. Stoffel Vandoorne, DS Penske 37 Punkte
10. António Félix da Costa, TAG Heuer Porsche Formula E Team 26 Punkte
11. Jake Hughes, NEOM McLaren Formula E Team 25 Punkte
12. Sacha Fenestraz, Nissan Formula E Team
24 Punkte
13. Norman Nato, Andretti Formula E 24 Punkte
14. Robin Frijns, Envision Racing 21 Punkte
15. Sébastien Buemi, Envision Racing 20 Punkte
16. Nico Müller, Abt Cupra Formula E Team 18 Punkte
17. Dan Ticktum, ERT Formula E Team 12 Punkte
18. Sérgio Sette Câmara, ERT Formula E Team 11 Punkte
19. Jean Daruvala, Maserati MSG Racing 2 Punkte
20. Lucas di Grassi, Abt Cupra Formula E Team 1 Punkt
21. Edoardo Mortara, , Mahindra Racing 0 Punkte
22. Nyck de Vries, , Mahindra Racing 0 Punkte
23. Taylor Barnard, NEOM McLaren Formula E 0 Punkte

 

Teamwertung nach 8. Rennen
1. Jaguar TCS Racing 172 Punkte
2. TAG Heuer Porsche Formula E Team 128 Punkte
3. Andretti Formula E 113 Punkte
4. Nissan Formula E Team 112 Punkte
5. DS Penske 102 Punkte
6. Maserati MSG Racing 67 Punkte
7. NEOM McLaren Formula E Team 63 Punkte
8. Envision Racing
41 Punkte
9. ERT Formula E Team 23 Punkte
10. Abt Cupra Formula E Team 19 Punkte
11. Mahindra Racing 0 Punkte

 

*Punkteschlüssel Plätze 1 bis 10: 25 P. / 18 P. / 15 P. / 12 P. / 10 P. / 8 P. / 6 P. / 4 P. / 2 P. / 1 P. 3 Zusatzpunkte gibt es für die Pole Position, 1 Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde.

Franziska Weber