Marrakesch: Das spannendste Rennen in der Formel-E-Geschichte

Rückblick auf das zweite Saisonrennen — Die Saison wird spannend — Jérôme D’Ambrosio (Mahindra) gewinnt sein erstes Rennen vor den Envision-Virgin-Piloten Robin Frijns und Sam Bird — BMW, Audi und HWA hadern 

Marrakesch war ein wichtiger Gradmesser für das neue Auto. Das Rennen auf dem 2,971 Kilometer langen Circuit International Automobile Moulay El Hassan bot den ersten direkten Vergleich der Formel-E-Generationen eins und zwei, weil der Kurs in Marokko schon in den vergangenen beiden Jahren im Rennkalender stand. Während mal also zum Saisonauftakt noch über die wahre Performance der Gen2-Autos spekulieren durfte – Riad (Saudi-Arabien) ist neu in der Formel E – kamen in Marrakesch die Leistungskarten auf den Tisch. Und das Gen2-Auto überzeugte: Mit 1.20.832 Minuten fuhr Audi-Pilot Lucas di Grassi am vergangenen Samstag die schnellste Runde und unterbot damit Nelson Piquets Topzeit aus dem Vorjahr um knapp 2,5 Sekunden.

Mahindra und Marrakesch

Mahindra Racing sicherte sich zum zweiten Mal in Folge den Sieg im marokkanischen Königreich. In der vergangenen Saison stand Felix Rosenqvist ganz oben auf dem Siegerpodest, am Samstag siegte Jérôme D’Ambrosio für den indischen Rennstall. D’Ambrosio feierte in seiner fünften Saison den ersten Sieg. „Das Rennen war sehr umkämpft und unglaublich intensiv. So habe ich es zumindest aus dem Cockpit empfunden“, sagt der Sieger D’Ambrosio: „Ein paar Dinge sind zu unserem Vorteil passiert und dieses Rennen zu gewinnen bedeutet sehr viel für das Team und die harte Arbeit der letzten Wochen. Wir werden den Abend genießen, aber morgen geht es zurück an die Arbeit.“

BMW mit schnellem Auto und übermotivierten Fahrern

Das Rennen startete mit einem missglückten Überholmanöver des Titelverteidigers Jean-Éric Vergne, der sich nach einer leichten Berührung mit dem führenden Sam Bird drehte und das Startfeld durchmischte. Nutznießer waren die beiden BMW-Piloten António Félix da Costa und Alexander Sims. Die Neueinsteiger zeigten erneut, dass sie ein schnelles Auto haben und lagen, nach dem gemeinsamen Überholen von Sam Bird, lange Zeit mit großem Abstand auf den Positionen eins (da Costa) und zwei (Sims). Der zweite Saisonsieg im zweiten Formel-E-Rennen schien BMW nicht mehr zu nehmen. Allerdings kämpften die beiden Teamkollegen bei einem Überholmanöver von Sims so hart um die Plätze, dass da Costa nach einer kurzen Berührung mit Sims ausschied und Sims auf Platz vier zurückfiel. „Ich entschuldige mich beim Team. Alex hat heute einen großartigen Job gemacht. Als er neben mir war, habe ich dagegen gehalten, und meine Vorderräder haben blockiert. Das war mein Fehler, unter dem leider Alex und ich gelitten haben. Ich hätte ihn ziehen lassen und mich mit Platz zwei zufriedengeben sollen”, entschuldigt sich da Costa nach dem Rennen bei seinem Team. Ein bitterer Tag für BMW, die mit dem Doppelsieg die Führung in der Teamwertung mit deutlichem Abstand hätten übernehmen können. „Ein sehr viel versprechender Tag hat leider für uns ein enttäuschendes Ende gehabt“, sagt BMW-i-Andretti-Motorsport-Teamchef Roger Griffiths. „Unsere Autos haben an der Spitze des Feldes eine starke Leistung gezeigt und waren sehr konkurrenzfähig. Unsere Renn-Pace war extrem gut, ein Doppelsieg war möglich. Unglücklicherweise ist es anders gekommen. Die Enttäuschung ist natürlich groß.“

Nutznießer D’Ambrosio, Frijns, Bird

Nach der BMW-Kollision übernahm D’Ambrosio die Führung und behielt diese bis ins Ziel. Vier Runden führte das Safety-Car das Feld bis zur 45. Minute an, ein Restart läutete die letzte Rennrunde ein. Die ersten sieben Autos überquerten die Ziellinie innerhalb von 1,633 Sekunden – neuer Rekord in der Formel E. Hinter dem Belgier sicherten sich die Envision-Virgin-Racing-Piloten Robin Frijns und Sam Bird die Plätze zwei und drei.

Titelverteidiger Audi sucht noch nach seiner Form

Neben BMW haderten auch Audi und HWA mit ihrer Form. Während Audis Kundenteam Envision Virgin Racing mit dem Audi e-tron FE05 gleich zwei Podestplätze einfuhr, mussten sich die Ingolstädter mit den Plätzen sieben (Lucas di Grassi) und zehn (Daniel Abt) zufrieden geben. „Wir haben erneut ein sehr spannendes Formel-E-Rennen mit einem insgesamt guten Ergebnis für Audi gesehen“, sagte Audi-Motorsportchef Dieter Gass. „Unsere beiden Kundenautos von Envision Virgin Racing kamen mit Robin Frijns und Sam Bird auf den Plätzen zwei und drei ins Ziel. Unsere Werksautos hatten mit Lucas (di Grassi) und Daniel (Abt) nach guten Starts am Ende etwas mehr zu kämpfen. Wir müssen verstehen, warum sie im Verlauf des Rennens langsamer wurden.“ Titelverteidiger Audi sucht, wie zu Beginn der letzten Saison, noch nach seiner Form. Teamchef Allan McNish zieht trotzdem positive Bilanz: „Die wichtigste Erkenntnis für uns ist, dass wir mit dem Audi e-tron FE05 ein schnelles Auto haben.“

Desaster für HWA-Racelab

HWA ist der zweite Neueinsteiger der fünften Saison und ist noch nicht in der neuen Serie angekommen. Nach einer Kollision in der ersten Kurve schieden Stoffel Vandoorne und der amtierende DTM-Meister Garry Paffett aus. „Das war einfach nur ein Desaster heute“, sagte HWA-Racelab-Teamchef Ulrich Fritz: „Alle haben so hart gearbeitet in den vergangenen Wochen und wurden dafür heute nicht belohnt. Aber ich bin mir sicher, wenn wir so weiterarbeiten, dann werden die Ergebnisse kommen.”

Erste Zwischenstände: D’Ambrosio und DS Techeetah vorn

In der Fahrerwertung führt Marrakesch-Sieger Jérôme D’Ambrosio (Mahindra Racing) das Feld mit 12 Punkten Vorsprung vor den punktgleichen António Félix da Costa (BMW i Andretti Motorsport) und Jean-Éric Vergne (DS Techeetah) an. In der Teamwertung liegt DS Techeetah acht Punkte vor den ebenfalls punktgleichen Mahindra Racing und BMW i Andretti Motorsport.

Das Marrakesch-Rennen: Alle Ergebnisse und Punktestände.

Elf Rennen stehen noch im diesjährigen Formel-E-Kalender, der nächste Lauf geht am 26. Januar in Santiago de Chile an den Start. Es bleibt spannend in der Formel E, die vergangenen Saisons haben gezeigt, dass die Karten jedes Rennwochenende neu gemischt werden.

 

 

Franziska Weber