Unterwegs mit der neuen Topversion des Korea-Elektrikers. Fahrbericht.
Mit der GT-Version rollt Kia in Kürze das Spitzenmodell des EV6 auf den Markt. Freuen dürfen sich darauf allerdings zunächst ausschließlich Kunden, die blind bestellt haben. Denn der GT ist vorerst ausverkauft. Wegen der hohen Nachfrage hat Kia die Bestellbücher vor einigen Wochen geschlossen und wird sie vermutlich erst im vierten Quartal wieder öffnen. Wie schnell dann geliefert werden kann, ist momentan unklar.
Kraft und Saft
Über die Steigerung von Leistung und Fahrspaß des GT im Vergleich zum bisher bekannten EV6 kann aber bereits eine Menge gesagt werden. Denn wir hatten schon jetzt die Möglichkeit, die auf Sportlichkeit getrimmte Variante des Elektroautos ausgiebig zu fahren.
Zunächst ein Blick auf die technischen Details. Angetrieben wird der EV6 GT von zwei Permanentmagnet-Synchronmotoren. Der vordere leistet 160 kW (218 PS), die mit einer externen Wasserkühlung versehene hintere Maschine ist im Datenblatt mit 270 kW (367 PS) gelistet. Das maximale Gesamtdrehmoment wird mit 740 Nm angegeben, für den Standardsprint auf Tempo 100 werden 3,5 Sekunden, für die Höchstgeschwindigkeit 260 km/h genannt. Zum Vergleich: Der EV6 GT liegt in der Gesamtleistung um 80 Prozent über dem bisherigen Topmodell EV6 AWD (239 kW/325 PS, 605 Nm), mit dem der GT den Fahr-Akku teilt: Nennkapazität 77,4 kWh, theoretische Reichweite etwas mehr als 420 Kilometer. So viel zum Thema Kraft und Saft in der Theorie.
Und die Praxis – Landstraße, Autobahn, abgesperrten Teststrecke – zeigt, dass der GT die hochgesteckten Erwartungen übertrifft. Kraft, Agilität, Dynamik, Handling – großartig.
Sänfte, Sportler
Im öffentlichen Straßenverkehr kehrt der Kia EV6 GT indessen zunächst einmal in erster Linie seine komfortable Seite nach außen. Ramponierte Fahrbahnabschnitte passiert der elektrisch angetriebene Gran Turismo souverän, Schläge oder Stöße kommen so gut wie gar nicht im Passagierabteil an. Doch wenn es sein soll, mutiert der GT zum muskulösen Sportler. Schnelle Überholmanöver sind ebenso kein Problem wie die wirklich flotte Fahrt auf kurvenreichen Landstraßen. Im Tempobereich zwischen 70 und 100 km/h pendelt sich der Verbrauch trotz einiger Zwischensprints bei 21,6 kWh ein (WLTP-Wert 20,6 kWh). Zeigt die Tachonadel konstant 130 km/h, klettert der Verbrauch auf 22,5 kWh.
Auf Basis der 800-Volt-Ladetechnologie kann der Akku an einer entsprechend leistungsfähigen Station in etwa 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent aufgeladen werden. Sagt Kia. Für die Energierückgewinnung im Fahrbetrieb sorgen neben dem aktiven Bremssystem sechs über Schaltpeddals am Lenkrad wählbare Rekuperationsstufen: Level 1, 2, und 3, der i-Peddal- und der Auto-Modus. Und wer sich von der Elektronik überhaupt nicht in den Vortrieb pfuschen lassen will, wählt die Off-Option – dann wird Bewegungsenergie nur über die Bremse zurück in die Batterien gewandelt.
Schwerer Wagen sehr agil
Wirklich beeindruckend sind die Leistungen des Kia EV6 GT auf abgesperrtem Terrain. Der immerhin 2,2 Tonnen schwere Wagen lässt sich auf dem Rundkurs mit vielen engen Kurven auch bei hohem Tempo mühelos bewegen. Bewusst provozierte Fahrfehler werden gutmütig verziehen. Fahrwerksmodifikationen reduzieren die Karosseriebewegungen und steigern die Agilität. Dazu gehören nicht zuletzt die elektronische Dämpferkontrolle und das elektronisches Sperrdifferenzial, das bei Kurvenfahrten das Drehmoment automatisch an die Räder mit dem stärksten Grip leitet. Das sorgt für optimale Traktion und damit Fahrstabilität.
Selbstverständlich, gelobt seien Chips und Elektronik, darf der GT-Pilot auch den Härtegrad des Fahrwerks nach Lust und Laune wählen: Eco, Normal und Sport – oder GT, wenn der Elektrowagen scharf gestellt werden soll. Bedient die Frau oder der Mann auf dem Fahrersitz die neonfarbene Taste rechts unten auf dem Zweispeichen-Lenkrad, liefert das Programm für Antrieb, Bremsen, Lenkung, Dämpfer, Sperrdifferenzial und elektronisches Stabilitätsprogramm (ESC) die jeweils dynamischste Einstellung.
Riesige Räder, üppige Maße, viel Platz
Optisch liefert die Performance-Variante 21 Zoll große Leichtmetallfelgen, neonfarbenen Bremssätteln, den flügelartigen Dachspoiler und den speziell gestalteten GT-Stoßfänger inklusive Diffusor.
Abmessungen und Gewicht sind üppig. Der EV6 GT ist 4,70 Meter lang, 1,89 Meter breit und 1,55 Meter hoch und 2260 Kilogramm schwer. Das Ladeabteil fasst 480 beziehungsweise 1260 Litern plus 20 Liter Frunk unter der vorderen Haube. Im Innenraum des GT gibt es Platz satt. Vorne sitzen Fahrer und Beifahrer auf Schalensitzen in Wildlederoptik. Die Seitenwangen geben guten Seitenhalt, übrigens nicht nur schlanken Leuten, die Polsterung ist langstreckentauglich.
Bleibt der Blick auf die Kommandozentrale: Zwei nahtlos miteinander verbundene, gewölbte 12,3 Zoll große Bildschirme für das das digitale Kombiinstrument und den Touchscreen des Navigationssystems liefern die unglaubliche Fülle an Informationen, die man heutzutage zum Autofahren braucht.
Am Ende des Testtages bleiben so zwei Botschaften. Die erste: Der Kia EV6 GT ist ein Auto, das man haben möchte. Die zweite: Das Auto ist nicht gerade ein Sonderangebot. Bis der GT lieferbar ist, wird der ursprünglich kalkulierte Preis von 65.990 Euro vermutlich noch einmal nach oben korrigiert werden.
Fotos: Kia