Geringes Gewicht, wenig Verbrauch, viel Platz, enormer Nutzwert – die Ente ist einer der genialsten Entwürfe der Automobilgeschichte.
Die Wirklichkeit ist weit entfernt von der These, früher sei alles besser gewesen. In weiten Bereichen des richtigen Lebens ist das Gegenteil der Fall, die Älteren wissen, was gemeint ist.
Aber Nostalgie ist keine Gemütskrankheit, sondern schlicht der besinnliche Blick zurück in eine andere Zeit. Das Automobil zum Beispiel, damals: unerschwinglich für Viele, sündhaft teuer für Alle, ein Luxus auch auf kleinen Rädern. Wer es hinters eigene Steuer schaffen wollte, musste mit wenig zufrieden sein – wenig Leistung, wenig Platz, wenig Komfort. Der Kleinwagen, der seinem Namen mit ein bisschen Blech und viel Begeisterung alle Ehre machte, war in Europa ein wichtiges Marktsegment für eine zunehmend bedeutende Industrie.
Das ist heute anders. Die Kleinen sterben den Tod der Regulierung und der Überfrachtung mit technischer Ausrüstung, die kein Mensch braucht. Das preisgünstige Auto gibt es nur noch auf dem Gebrauchtwagenmarkt, der Neuwagen ist häufig ein Fall für die teure Alternative Leasing. Andere Zeiten? Ganz genau.
Der 2CV
Der Citroen 2CV war langsam und laut, aber einigermaßen bezahlbar und einfach zu warten und zu reparieren. Und sein wichtigstes Ausstattungsmerkmal, die Nonchalance seiner Heimat Frankreich, hatte er serienmäßig an Bord.
Vor 77 Jahren, am 7. Oktober 1948 auf dem Pariser Automobilsalon präsentiert, verblüffte das schlichte Wägelchen mit seinem kompromisslosen Minimalismus. Kritiker sagten damals, der 2CV sei hässlich. Dabei folgte seine Form nur der Funktion: Das schräge Heck brachte Platz für Passagiere und Transportgut, die angeschraubten Karosserieteile auf dem Kastenrahmen ließen sich bei Blechschäden für kleines Geld tauschen. Obwohl: Der klassische 2CV-Fahrer rückte Beulen und Dellen mit dem Gummihammer zu Leibe – oder gar nicht.

Zweizylinder, Luftkühlung, Frontantrieb
Auch für die technische Konstruktion des Deux Chevaux (franz. für zwei Pferde, der Name leitete sich von der französischen Steuerformel cheval fiscal ab) gab es nur drei Prämissen: Wirtschaftlichkeit, Wirtschaftlichkeit, Wirtschaftlichkeit. Die kleinen Zweizylinder waren luftgekühlt und trieben direkt die Vorderräder an – kein Wasserkühler, keine defektanfälligen Schläuche, keine Kardanwelle. Und wo wenig Hubraum und Leistung warten (zu Beginn 375 cm³, später bis zu 602 cm³, anfangs neun PS, in der letzten Powerversion 29 PS), wird auch wenig Benzin verbrannt.
Lange Federwege fürs Landleben
Und weil der 2CV nicht zuletzt ein Projekt für die französischen Bauern war, arbeitete das einfache Fahrwerk des Wägelchens mit langen Federwegen. „Entwerfen Sie ein Auto, das Platz für zwei Bauern in Stiefeln und einen Zentner Kartoffeln oder ein Fässchen Wein bietet, mindestens 60 km/h schnell ist und dabei nur drei Liter auf 100 Kilometer verbraucht. Es muss ausgesprochen gut gefedert sein, sodass ein Korb voll mit Eiern eine Fahrt über holprige Feldwege unbeschadet übersteht.“ Diese prägnanten Produktmerkmale soll das Citroën-Direktorium dem Chefkonstrukteur André Lefèbvre ins Lastenheft geschrieben haben.
Ein Volkswagen – wie der Käfer
Das war vor dem Krieg, der die Welt in Brand steckte. Der 2CV ist auch so gesehen der französische Volkswagen. Der Kriegsbeginn verhinderte also zunächst die Vorstellung des neuen Kleinwagens, von dem 250 Prototypen gebaut und bald darauf wieder zerstört wurden. Der Geniestreich sollte auf keinen Fall den deutschen Besatzern in die Hände fallen, die zur selben Zeit schon am Käfer arbeiteten. Der bucklige Volkswagen – prinzipiell so ähnlich wie die schnatternde Ente und vom Charakter her doch so anders.

43 Produktionsjahre, 5,1 Millionen 2CV
Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Bis 1990 wurden mehr als 5,1 Millionen 2CV (inklusive Kastenwagen) gebaut und verkauft, mittlerweile ist das Auto ein begehrtes Sammlerobjekt.
In Deutschland avancierte der kleine Citroën für die französischen Bauern rasch zum coolen Understatement-Vehikel für Studenten, Studienräte und andere Leute mit Baskenmützen. Hinterm flachen Lenkrad rauchte man Gitanes und die Asche schnippte man durchs im Fahrtwind wedelnde Klappfenster. Wie der Döschwo zu seinem deutschen Kosenamen Ente kam, ist nicht überliefert, aber naheliegend: Der watschelnde Gang über die kurvigen und holprigen Landstraßen der Nachkriegszeit machte aus der Spardose das Kultauto.

Fotos: motorfuture, Citroën (3),
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