edition motorfuture: KING > Folge 75

Rasic‘ Kopf näherte sich dem linken Ohr der Frau. Er hielt eine Hand mit dieser albernen Geste vor den Mund, die sie jetzt im Training einstudierten. Sein Atem roch nach Knoblauch. „Das bisschen Geld, mit dem sie uns abspeisen, bislang abspeisen, ist wirklich lächerlich.“

Mandy Müller wandte sich ab. Sie hasste Knoblauch. Aber sie widerstand dem Impuls, dem Mann ein Pfefferminzbonbon anzubieten.

„Die Honorare sind ein Witz“, sagte Rasic. 

„Für euch Profis vielleicht. Ein Schiedsrichter sieht das möglicherweise anders.“

„Die Honorare sind ein Witz“, wiederholte Rasic.

„Und warum machst du dann mit?“

„Ein Testlauf, nur ein Testlauf.“

Die verspiegelte Sonnenbrille sah ihn an. Mandy Müller schwieg.

„Ein Operation am offenen Herzen. Ich wollte wissen, ob es stimmt, was man sich in den Kabinen erzählt.“

„Dass Spiele verschoben werden?“

„Dass in Deutschland Spiele verschoben werden.“

„Wundert dich das?“ Die verspiegelte Sonnenbrille sah beiläufig über den Tresen. Niemand belauschte sie.

„Ja und nein“, sagte der Fußballer. „Ihr Deutschen seid in vielen Dingen anders als die anderen. Aber am Ende des Tages seid Ihr auch nur Menschen.“

Die Schiedsrichterin nickte: „Du redest von Gier.“

„Ich sehe, wir verstehen uns.“

Die verspiegelte Sonnenbrille nickte wieder. Mandy Müller dachte eine kleine Ewigkeit nach. Dann sagte sie: „Und was ist der Plan?“

„Der Plan ist ein Rad, das zehnmal größer ist. Mindestens.“

„Faktor zehn auch bei den Honoraren?“

„Das ist der Plan.“

„Risiko?“

„Null. Gleich null, vorausgesetzt es sind ausschließlich sehr intelligente und deshalb zuverlässige Leute an Bord.“

„Leute wie du und ich.“

Rasic nickte und sein Mund hinter der vorgehaltenen Hand rückte wieder dicht an Mandy Müllers Ohr: „Die Welt will betrogen werden.“

Die Schiedsrichterin schwieg wieder. Sie suchte den Fehler. Es gab keinen Fehler. Jedenfalls im Moment nicht.

„Deine Kontakte?“

„In Belgrad, Serbien. Kein EU-Land. Und in Chongqing, China. Bekanntlich ebenfalls kein EU-Land.“

Der Mund unterhalb der verspiegelten Sonnenbrille verzog sich zu einem spöttischen Strich. „Ich habe davon gehört.“

„Serbien und die Metropolregion Chongqing haben noch eine weitere Gemeinsamkeit.“

„Ich höre.“

„Im kleinen Land und in der großen Stadt leben jeweils ein bisschen mehr als sieben Millionen Einwohner.“

„Was du nicht sagst.“ Mandy Müller klang jetzt unfreundlich. „Mit deiner Klugscheißerei würdest du perfekt in jedes Lehrerzimmer passen.“

„Den Konjunktiv kannst du streichen“, sagte Robert Rasic. „Ich besitze tatsächlich ein Lehrerdiplom. Zwar nur ein Volksschullehrerdiplom, aber immerhin.“

„Dann sind wir ja Kollegen!“ Das Lächeln der Schiedsrichterin war jetzt freundlich, und sie hob ihre rechte Hand, und der Fußballer klatschte sie ab.

„Ich bin sogar stolz darauf“, sagte Rasic. „Sehr stolz. Bei uns in Serbien kann der Nachwuchs die Fußballschule mit dem Lehrerseminar kombinieren. Das gibt den Leuten, die es am Ende nicht zu den Profis schaffen, eine echte Zukunftsperspektive. Und die pädagogische Ausbildung eröffnet zudem die Option der Trainerlaufbahn.“

„Interessantes Modell.“ Der rechte Zeigefinger der Schiedsrichterin tippte mehrfach auf den Tresen. „Lass‘ uns zum Thema zurückkommen.“

„Die Wettbüros sitzen in China. Die Serben agieren als Vermittler. Und als Spurenverwischer.“

„Die Wettkunden?“

„Ausschließlich Festland-Chinesen. Ausschließlich in China.“

„Die Transaktionen?“

„Ausschließlich in bar. Ausschließlich in gebrauchten Scheinen.“

„Keine Namen, keine Konten!“ Der Kopf mit der verspiegelten Sonnenbrille zuckte für einen kurzen Moment. Mandy Müller befeuchtete mit der Zunge die trockenen Lippen.

„Kein gar nichts!“ Robert Rasic lächelte. „Du gehst beim Chinesen essen. Du verlangst die Rechnung. Im Kästchen befinden sich nicht nur Kassenbon und Quittung, sondern auch ein Geldbündel.“

„Und wo esse ich?“

„Bei unserem Vertragschinesen.“ Robert Rasic lächelte wieder. „Er kocht übrigens ausgezeichnet.“

⇒ Folge 76 morgen bei motorfuture

 

 

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