edition motorfuture: KING > Folge 58

Krause schwang sportlich seine Füße vom Tisch und erhob sich, um dem ungebetenen Gast den Weg zur Tür zu zeigen, aber Willi Teufel stand bereits breitbeinig vor ihm. Der Detektiv drückte den deutlich längeren Krause mit einer kurzen Handbewegung humorlos zurück in den Schreibtischsessel.

„Das ist Körperverletzung“, stammelte der Geschäftsmann hysterisch.

„Noch nicht“, sagte der Detektiv.

„Ich werde jetzt die Polizei rufen.“

„Das ist eine gute Idee. Fragen Sie nach Hauptkommissar Kosmowski. Oder nach der Hauptkommissarin Trauernicht. Oder rufen Sie gleich den Polizeipräsidenten an. Der Polizeipräsident ist der beste Freund meines momentan besten Kunden. Professor Pawelke wird sicherlich gerne…“

„Was wollen Sie?“, sagte Krause in seinem Sessel. Er klang bereits erschöpft.

„Ich will, dass Sie Herrn Ömer Gündogan die Autostellplätze vor der Werkstatt und in den Zufahrten zurückgeben.“

„Sie sind ja verrückt.“

„Bin ich nicht. Herr Gündogan hat nicht die Mittel und nicht die Möglichkeiten, Ihnen juristisch auf die Finger zu klopfen. Und schon gar nicht den Mut. Und deshalb…“

„Deshalb hat er sie beauftragt.“

„Ihnen die Fresse zu polieren? Nein, nein, das ist zu kurz gedacht. Ich kenne Herrn Gündogan gar nicht. Ich habe ihn heute zum ersten Mal gesehen in meinem Leben, und er war nicht gerade freundlich.“

Krause schwieg. Er hatte Angst.

„Gündogan war wütend, weil ich in der Zufahrt geparkt habe. Er hat wahrscheinlich Schiss vor Ihren Leuten.“

„Da sehen Sie mal“, sagte Krause, und das Leben kehrte zurück in seine Augen.

„Wollen Sie mir drohen?“ Jetzt lächelte Teufel. „Wollen Sie mal erleben wie eine echte Drohung aussieht?“

„Ich rufe jetzt die Polizei“, sagte Krause matt, aber der Detektiv hatte ihm das Telefon bereits aus der Hand genommen und in den Papierkorb neben dem Schreibtisch geworfen. „Dafür ist es jetzt zu spät.“ Er drückte den Mann mit der rechten Hand in seinen Stuhl und griff nach dem Mobiltelefon, das vor einem Flachbildschirm auf dem Schreibtisch lag. Dann warf er das Handy ebenfalls in den Papierkorb. Teufel spähte kurz in den Papierkorb, dann betrachtete er sein Opfer. Er fasste in die linke Innentasche seiner Lederjacke und brachte seine Walther PPS zum Vorschein. „Wollen Sie mal sehen, wie ein schneller Tod geht? Schnell und schmerzlos?“

„Sie sind ja verrückt.“

„Kann schon sein.“ Teufel überlegte. „Vielleicht haben mich die Chefs vom LKA deshalb um meine Pensionsansprüche gebracht.“

Er betrachtete wieder sein Opfer im Chefsessel, das fieberhaft überlegte, wie es einen Gegenangriff auf diesen Wahnsinnigen inszenieren könnte.

„Bleib‘ schön sitzen, Freundchen!“

Teufel öffnete die drei großen Fenster des Büros. Vom Kudamm brandete der Verkehrslärm herauf. Er setzte sich auf den Schreibtisch und fixierte den Makler, der in seiner lederbezogenen Falle kauerte. Er zog das Magazin aus der Waffe, drückte eine Patrone heraus und stellte das bronzefarbene Zäpfchen auf die Schreibtischplatte.

„Das ist eine Vierziger Smith and Wesson.“

Teufels Ton war informell und sachlich. Er nahm die Patrone zwischen Daumen und Zeigefinger und hielt sie hoch. Ein Demonstrationsobjekt der Gewalt.

„Pistolenkaliber Vierzig, ein amerikanisches Kaliber. Steht für 0,4 Inch. Das entspricht etwa einem Zentimeter.“

Teufel deutete das Maß – wieder mit Daumen und Zeigefinger – an.

„Der Zentimeter bezieht sich auf den Geschossdurchmesser.“

Der Detektiv war ein schwarzer Schatten aus Fett und Muskelmasse vor dem Stuhl des Gefangenen. Die Hand pflückte das Metallzäpfchen wieder von der Tischplatte. Hob es hoch. Drehte es zwischen den Fingern.

„Der Patronenboden hat praktisch das identische Maß wie das Geschoss. 10,7 Millimeter. Gesamtlänge der Patrone mit Geschoss etwa 2,8 Zentimeter.“

Die fleischige Hand hielt dem verängstigten Makler das Demonstrationsobjekt unter die Nase. Warf es spielerisch in die Luft.

„Die Patrone ist wichtig. Das Schießpulver. Also die Ladung hinter dem Geschoss.“

Teufel griff nach dem linken Arm des Spekulanten und drehte die Handfläche nach oben. Er legte die Munition hinein, schloss die Hand zu einer Faust und ließ sie fallen.

„Ich bevorzuge die handliche Zehn-Gramm-Version. Hat schon eine gewaltige Durchschlagskraft. Mündungsgeschwindigkeit knapp vierhundert km/h.“

Teufel erhob sich.

„Bleib‘ sitzen, Freundchen!“

Er ging hinüber zu den geöffneten Fenstern. Der Verkehrslärm brandete ins Zimmer.

„Man kann sauber töten mit so einem kleinen Stückchen Metall.“

Er nahm das Magazin und schob es zurück in die Pistole.

⇒ Folge 59 am Montag bei motorfuture

 

 

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