Nach dem Race ist vor dem Race: Volvo zieht sich zurück

Rückblick auf das 13. Volvo Ocean Race. Das konstanteste Team Dongfeng siegt vor Mapfre und Brunel – die Entscheidung, die erst mit dem letzten Zieleinlauf in Den Haag fiel, ist die engste in der 45-jährigen Renngeschichte. Neuauflage mit neuem Sponsor, neuen Booten.

Beim letzten In-Port-Rennen am vergangenen Samstag in Den Haag segelten die Segler des 13. Volvo Ocean Race ein letztes Mal gegeneinander. Acht Monate waren die sieben Boote mit insgesamt 95 Seglern aus 19 Ländern zusammen unterwegs, um einmal um die Welt zu segeln. Von Alicante (Spanien) nach Lissabon (Portugal), Kapstadt (Südafrika), Melbourne (Australien), Hong Kong (China), Guangzhou (China), Auckland (Neuseeland), Itajaí (Brasilien), Newport (USA) zurück nach Europa: Cardiff (Großbritannien), Göteborg (Schweden) und Den Haag (Niederlande).

Die südliche Weltumrundung vorbei am Kap der Guten Hoffnung und Kap Hoorn gilt seit 1973/74 als größte sportliche Herausforderung und mit den Olympischen Spielen und dem America’s Cup zu den Top-3-Events im Segelsport – noch nie hat ein Segler alle drei Events gewonnen. Auch dieses Jahr verpassten Peter Burling (Brunel) und Blair Tuke (Mapfre) das mögliche Triple.

Alle drei Jahre (seit 2006, davor alle vier Jahre) messen Segler sich beim härtesten Langstreckenrennen, dem Volvo Ocean Race (bis 1997/98: Whitbread Round the World).

45.000 Seemeilen, 126 Tage auf hoher See

31 Segler segelten bei der 13. Regatta-Auflage alle elf Etappen der Weltumseglung, Mapfre ist mit sieben Seglern, die immer an Bord waren, das beständigste Team. 45.000 Seemeilen haben die sieben Teams in 245 Tagen auf elf Etappen zurückgelegt, Dongfeng war als Team mit der besten gesegelten Zeit 126 Tage 1:46 Minuten auf offener See. 126 Tage waren neun bis elf Segler (inklusive Onboard-Reporter) auf engstem Raum zusammen – die Volvo Ocean 65 ist 22,14 Meter lang und 5,60 Meter breit.

Da Segeln ein nicht besonders zuschauerfreundlicher Sport ist, Fernsehbilder wegen der langen Offshore-Strecken das Event nicht greifen und wiedergeben können, hat jedes Team einen Onboard-Reporter dabei, der das Leben an Board festhält. Die Bilder sind beeindruckend. Meterhohe Wellen, die oft auf den Yachten brechen und Crew und Boot fast verschwinden lassen. Porträts zeigen, wie die wochenlangen Etappen die Segler auslaugen, die pro Tag 5000 bis 6000 Kalorien verbrennen. Drohnenvideos deuten an, wie schnell die Volvo-Ocean-65-Yachten sind. Und bei welchen Windbedingungen die Teams auf den Booten arbeiten, schlafen und zu Kräften kommen müssen. Es sind faszinierende Bilder und trotzdem können diese Bilder, Videos und Kurzzusammenfassungen wohl nie wiedergeben, wie hart die Bedingungen an Bord tatsächlich sind. Mitten im Nirgendwo, Tag und Nacht bei Wind und Wetter auf engstem Raum. Bei Windstärken, die selbst an Land gefährlich sind: „Wir segeln hier bei Bedingungen, bei denen ich zu Hause Angst hätte, dass die Ziegel vom Dach geweht werden,“ sagte Bouwe Bekking nach seinem Zieleinlauf in Itajaí.

Die siebte Etappe von Auckland nach Itajaí war mit 7600 Seemeilen nicht nur die längste Etappe des diesjährigen Rennens, sondern gilt wegen der Umfahrung Kap Hoorns und der extremen Wetterbedingungen auch als die prestigeträchtigste Etappe – der Panamakanal wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch gebaut, um Handelsschiffen die Umfahrung Kap Hoorns zu ersparen. „Das Südpolarmeer war dieses Jahr extrem hart, es war unnachgiebiger und nachtragender als ich es je in Erinnerung habe,“ sagte Simon Fisher (Vestas 11th Hour Racing), der bereits das fünfte Mal um die Welt segelte.

Tödlicher Zwischenfall

Für den Außenstehenden klingt das alles hart, aber richtig bewusst, dass es auch beim 13. Volvo Ocean Race mit all den möglichen Sicherheitsvorkehrungen um Leben und Tod geht, macht es erst der Unfall John Fishers. Am Morgen des 26. März, eine Woche nach dem Start, etwa auf halber Strecke der siebten Etappe von Auckland (Neuseeland) nach Itajaí (Brasilien), kurz vor dem Punkt Nemo, dem Punkt, der in alle Richtungen am weitesten von jeglichem Land entfernt ist, trifft den 47-Jährigen Briten das Großsegelsystem während einer unbeabsichtigten Halse und schlägt ihn von Bord. Trotz Überlebensanzug, Handschuhen und Rettungsweste sind seine Überlebenschancen von Anfang an gering. Sein Team Sun Hung Kai/Scallywag muss die Suche in der Abenddämmerung wegen schlechter Wetterbedingungen unvollendeter Dinge aufgeben. John Fisher gilt als auf dem Meer verloren. Die New York Times berichtet später, dass die Antenne des AIS-System, die am rund 30-Meter-hohen Mast befestigt war, kurz nach Beginn der Etappe kaputt ging und der genaue Standort, an dem Fisher über Bord ging, deshalb nicht festgehalten werden konnte.

Es ist der sechste Todesfall eines Teilnehmers in der 45-jährigen Volvo-Ocean-Race-Geschichte.

Fisher war einer der erfahrensten Scallywag-Segler, der alle sieben Etappen des aktuellen Rennens mitgesegelt und immer darauf aus war, die Sicherheit an Bord zu verbessern. Sein Tod erschütterte die Seglerszene. Die sechs anderen Teams reagierten geschockt auf den Verlust, die sonst feierliche Umrundung Kap Hoorns wurde nebensächlich, der Fokus lag noch mehr auf dem sicheren Erreichen Itajaís. Kein Wunder, die sechs restlichen Teams haben zu diesem Zeitpunkt noch die Hälfte der Etappe vor sich und die Wetterbedingungen sind weiterhin schlecht. Was sich auf den Booten abspielt ist unvorstellbar. „Er war ein begnadeter Segler, der das was er liebte gemacht hat und das gibt uns in dieser schwierigen Zeit Trost,“ sagte Dee Caffari (Skipper Turn The Tide On Plastic).

#foreverfish

John Fishers Team Scallywag bricht die Etappe nach dessen Tod ab und macht sich auf den direkten Weg an die chilenische Küste – trotzdem sind sie noch eine Woche bei gleichbleibend schlechten Bedingungen auf See. Nach dem Erreichen der Küste gibt das Team bekannt, dass sie das Rennen zu Ende segeln wollen, in John Fishers Andenken: „Scallywags geben niemals auf. Wir sind alle verletzt, aber wir sind nicht raus,“ schrieb Skipper David Witt auf Facebook: „Wir werden starten, aufeinander achten und das Rennen beenden, und wir werden die bestmögliche Arbeit für alle Scallywags machen, zu Ehren Johns und in seinem Andenken.“ Ab der achten Etappe ziert ein neu entworfenes Fisch-Logo das Scallywag-Boot und die Teambekleidung, in Andenken an den verstorbenen Segler John Fisher (dessen Spitzname Fish war). Alle Teams starteten die achte Etappe mit einem Trauerflor: „#forever fish“. The show must go on. Auch für Fishers-Team Scallywag und vor allem Skipper David Witt: „Ich habe ein Teammitglied verloren, ich habe meinen besten Freund verloren, zu sagen ich fühle mich verantwortlich ist eine Untertreibung. Es ist etwas, mit dem ich mein restliches Leben umgehen muss.“ 

Es ist der zweite Todesfall beim Volvo Ocean Race 2017/18. Am 19. Januar, etwa 30 Seemeilen vor dem Zieleinlauf der vierten Etappe in Hong Kong, kollidierte Vestas 11th Hour Racing mit einem chinesischen Fischerboot, das nicht auf dem Radar war. Ein Fischer starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Die Vestas-Volvo-Ocean-65-Yacht musste repariert werden und das Team konnte das Rennen erst in Auckland wieder aufnehmen, konnte aber auch die siebte Etappe nicht beenden. Kurz vor den Falklandinseln brach der Mast der dänisch-amerikanischen Yacht – es ist der 30. Mastbruch in der Renngeschichte. Die Crew blieb unverletzt, aber eine Weiterfahrt war unmöglich. Vestas ist das Team, das die wenigsten Etappen beendete – nur sieben der elf Etappen.

Viermal Kopf an Kopf

Fünf der sieben Teams beenden alle Etappen, sechs der sieben Teams gewinnen wenigstens eine Etappe – vier Mal kommt es zu einem Kopf-an-Kopf-Zieleinlauf: in Auckland (+2:14 Minuten), Newport (+1:01 Minuten), Cardiff (+4:05 Minuten) und Göteborg (+1:55 Minuten).

Dongfeng: The winner takes it all

Das 13. Volvo Ocean Race ist insgesamt das engste Rennen in der 45-Jährigen Geschichte. Der letzte 970 Seemeilen-Sprint von Göteborg nach Den Haag entscheidet über den Gesamtsieg. Nach etwas über 44.000 gesegelten Seemeilen führten Brunel, Dongfeng und Mapfre punktgleich das Gesamtklassement an. Spannender hätte die finale Etappe nicht sein können. Der Zieleinlauf dieser drei Boote entscheidet über den Sieg und die Platzierung der drei Teams. The winner takes it all. 970 Seemeilen entsprechen zwei Prozent der gesamten Renndistanz – keine leichte Aufgabe für die drei Teams, deren Rennverlauf unterschiedlicher nicht sein könnte:

Mapfre führte das Feld in der ersten Rennhälfte souverän an, ließ dann aber etwas nach; Brunel startete schwach, segelte in den letzten vier Etappen auf die Plätze 1, 2, 1 und 1; Dongfeng ist das konstanteste Team mit sieben Podestplätzen, konnte aber bis Göteborg keinen Sieg verbuchen.

Dongfeng feiert auf der letzten Etappe den ersten Sieg und damit auch den Gesamtsieg des 13. Volvo Ocean Races. 24 Stunden vor dem Ziel entscheidet sich das chinesische Team im Gegensatz zu den Titelkonkurrenten bei Rotterdam für die küstennahe Route. Was am Anfang nach einer schlechten Taktik aussieht, sichert dem Team schlussendlich den Sieg im spannenden Finale. „Wir waren in keiner so guten Position, aber wir haben auf unsere Entscheidung vertraut und alles gegeben“, sagt Skipper Chares Caudrellier nach der Zieleinfahrt: „Die anderen sind uns nicht gefolgt, aber wir haben an uns geglaubt und haben gewonnen.“ Es ist nicht nur der engste Sieg, sondern auch der erste Sieg eines chinesischen Bootes und Caroljin Brouwer und Marie Riou sind die ersten beiden weiblichen Volvo-Ocean-Race-Siegerinnen. Stu Bannatyne ist mit dem vierten Sieg bei seiner achten Weltumrundung jetzt alleiniger Rekordhalter – der mediale Fokus vor der letzten Etappe lag auf den möglichen Triumphen Bouwe Bekkings (erster Sieg im achten Anlauf), Peter Burlings (Brunel) und Blair Tukes (Mapfre), die nach den gemeinsamen Siegen bei den Olympischen Spielen und dem America’s Cup das Triple vor Augen hatten, das weiterhin unerreicht bleibt.

„Es war hart. Wir segelten den ganzen Weg um die Welt sehr gut und auch in dieser Etappe, deshalb sind wir natürlich ein bisschen enttäuscht. Wir waren dieses Mal sehr, sehr nahe dran, aber es hat nicht gereicht“, sagte der zweitplatzierte Mapfre-Skipper Xabi Fernández nach dem Zieleinlauf in Den Haag. Auch Brunel-Skipper Bouwe Bekking ist kurz nach dem Zieleinlauf etwas enttäuscht, zieht aber ein positives Fazit: „Der dritte Platz ist immer noch auf dem Podest. Ich glaube, wir können als Team ziemlich stolz darauf sein.“

Wie eng das Rennen dieses Jahr war zeigt auch, dass das letzte In-Port-Rennen in Den Haag über die Plätze sechs und sieben entschieden hat: Scallywag und Turn The Tide On Plastic haben nach den elf Etappen 32 Punkte, die In-Port-Wertung entscheidet bei Punktgleichheit über die Platzierung im Gesamtklassement. Turn The Tide On Plastic setzt sich mit einem vierten Platz und der besseren Gesamtzeit auf Platz sechs und steht so am Ende des Rennens das erste Mal nicht mehr auf Rang sieben der Gesamtwertung. Scallywags Team beendet das Rennen nach John Fishers Tod auf Platz sieben. John Fishers Sohn Ryan steuert Scallywag beim letzten In-Port-Rennen in Den Haag über die Ziellinie. „Ich habe im Moment sehr gemischte Gefühle. Ich bin unfassbar stolz auf unser Team. Wir sind sehr eng verbunden und haben einiges durchgemacht. Aber natürlich bin ich auch traurig. Ich habe das Rennen nicht mit meinem besten Freund (John Fisher) beendet, mit dem wir gestartet sind“, sagte David Witt im Zielhafen Den Haag.

Volvo zieht sich zurück, neues Reglement

Schon während des Rennens wurde bekannt, dass Volvo sich als Sponsor des Rennens zurückzieht.

Das Rennen bekommt bei der nächsten Auflage 2021 aber nicht nur einen neuen Namen, die Segler starten auch in anderen Booten. Die offenen IMOCA-60-Klasse wird die Einheitsklasse Volvo Ocean 65 ersetzen. Beim Bau der Boote ist alles erlaubt, was im Reglement nicht ausdrücklich verboten ist. Die Segler freuen sich auf die neuen Boote, Sieger Caudrellier: „Diese Änderung ist aufregend. Die Open 60er sind großartige Boote. Dass die beiden besten Offshore-Rennen die gleiche Klasse benutzen sind für mich gute Neuigkeiten.“ Und Bouwe Bekking sieht darin eine gute Chance, noch mehr junge Segler für das Rennen zu begeistern: „Für die jüngere Seglergeneration dreht sich alles ums Foiling, surfen und um Tempo und du brauchst die besten Segler für das Rennen. Mit den Open 60ern haben sie das geschafft, denn das ist es, was die Segler wollen.“

Man darf sich also auf das nächste Rennen um die Welt freuen – die neue Bootsklasse ist noch schneller als die aktuellen Boote und bietet weniger Platz für weniger Segler. Das Rennen wird also noch härter, aber das scheint den Seglern nichts auszumachen. Das härteste Off-Shore-Rennen der Welt ist genau deshalb ein Traum eines jeden Seglers. „Es ist eines dieser Dinge von denen man träumt, ob man irgendwann die Chance dazu bekommt ist eine andere Frage,“ sagte der verunglückte John Fisher: „Wenn du genug Glück und die Chance hast ein Rennen wie dieses zu segeln, dann sollte jeder die Möglichkeit ergreifen, denke ich. Es ist nicht für jeden das richtige, aber man sollte sich immer selbst herausfordern.“

Gesamtwertung

  1. Dongfeng Race Team – 73 Punkte
  2. MAPFRE – 70 Punkte
  3. Team Brunel – 69 Punkte
  4. team AkzoNobel – 59 Punkte
  5. Vestas 11th Hour Racing – 39 Punkte
  6. Turn the Tide on Plastic – 32 Punkte
  7. Sun Hung Kai / Scallywag – 32 Punkte

 

Franziska Weber