Wie Seilbahnen der kolumbianischen Millionenstadt Auftrieb geben.
Gondeln und Seilbahnen verbinden wir meist mit schneebedeckten Bergen. Im Winter befördern sie täglich tausende Skifahrer und Snowboarder aus den Tälern hinauf in die Skigebiete. Und auch im Sommer befördern sie Urlauber, die zwar den Blick vom Gipfel genießen wollen, aber den beschwerlichen Aufstieg scheuen. Seilbahnen werden, seit der Wintersport boomt, für Touristen gebaut. Ziel ist es, so viele Touris wie möglich in kürzester Zeit auf den Berg zu bringen, denn anstehen will keiner. Zeit ist Geld. Das ist die Situation in Europa.
Medellín verbinden die meisten mit Drogen, Gewalt, Pablo Escobar. Medellín ist mit rund 2,5 Millionen Einwohnern die zweitgrößte Stadt Kolumbiens und war Anfang der 1990er Jahren die gefährlichste Stadt der Welt. Das ist allerdings knapp 30 Jahre her und 2013 wurde Medellín vom Wall Street Journal zur innovativsten Stadt der Welt erklärt.
Gondeln und Medellín, hier treffen zwei Welten aufeinander. Das idyllische Alpenbild und die Drogenhochburg der 90er Jahre. Und doch bewirken Gondeln in beiden Welten das gleiche. Sie wollen und sollen den Menschen das Leben erleichtern. Im Gegensatz zu den Alpen geht es in Medellín aber nicht um die Bespaßung von Touristen, sondern um die Erleichterung des Arbeitsweges. Auch die Fahrtrichtung unterscheidet sich in den Stoßzeiten: In den Alpen strömen die Menschen morgens auf den Berg und abends hinunter, in Medellín strömen sie morgens ins Tal und abends zurück auf den Berg.
Medellín liegt im Aburrá-Tal, umgeben von Hügeln. Die steilen Rand- und Berggebiete der Stadt waren die Problemviertel der Stadt. Guerillagruppen hatten hier das Sagen. Die Bewohner fühlten sich nicht der Stadt zugehörig, denn der Weg in die Stadt war beschwerlich, Bildungseinrichtungen gab es kaum, was die Situation zunehmend verschlechterte.
Die Regierung Kolumbiens hat sich der Probleme angenommen, mit teils fragwürdigen Aktionen wie der Militäroperation Orion im Oktober 2002, aber auch mit großen Investitionen in Bildung und Infrastruktur. Die am Hang gelegenen Stadtteile sollten an die Stadt angeschlossen werden. Da die Hanglage der Barrios einen U-Bahnanschluss extrem teuer macht, schweben seit 2004 die ersten Gondeln über Medellín. Als erstes großes Stadtseilbahnsystem der Welt. Circa 9,7 Millionen Euro kostete der Bau der rund zwei Kilometer langen Metrocable-Linie K. Zehn Personen passen in jede der 93 Gondeln, 1500 Menschen können in einer Geschwindigkeit von 18 Kilometer pro Stunde in jede Richtung transportiert werden, knapp 65 Cent kostet eine Fahrt. Wegen des Erfolgs der ersten Seilbahn schließen heute insgesamt vier Metrocable-Linien (H, J, K und L) die am Berg gelegenen Comunas an das einzige U-Bahn-Netz (zwei Linien) Kolumbiens an. Die fünfte ist in Planung.
Das Konzept geht auf. Immer mehr Bewohner der früheren Problemvierteln haben einen Job in der Stadt. Die neue Mobilität macht’s möglich. Die Seilbahnen erleichtern ihnen den Weg. Die Arbeitslosigkeit ist so gesunken, die Kriminalität ebenso. Die stetig steigende Sicherheit zieht immer mehr ausländische Unternehmen und Touristen nach Medellín – die Stadt befindet sich weiterhin im Aufschwung.