Es ist gar nicht so einfach, einen Elektro-Rennwagen bei einem extremen Bergrennen unter Strom zu setzen. Technik im Detail am Beispiel des VW I.D. R Pikes Peak.
7.57,148 Minuten – neuer Streckenrekord beim diesjährigen Pikes Peak International Hill Climb (Colorado/USA). Der Franzose Romain Dumas im 500 kW (680 PS) starken vollelektrischen Volkswagen I.D. R Pikes Peak bezwang Ende Juni die mit konventioneller Antriebstechnik fahrende Konkurrenz und verbesserte nicht nur die bisherige Bestmarke für Elektrofahrzeuge, sondern auch den Allzeit-Rekord von Sébastien Loeb (F) aus dem Jahr 2013 – und zwar um 16 Sekunden.
Das ist spektakulär, denn die knapp 20 Kilometer langen Bergstrecke mit 156 Kurven zeigt die Zielflagge in gut 4300 Metern über dem Meeresspiegel – nach insgesamt 1440 Höhenmetern.
Die Luft wird dünn da oben
Einem Elektroauto kommt diese Konstellation prinzipiell entgegen, denn die Luft wird dünn in dieser extremen Höhe. Die Konkurrenz mit herkömmlichen Verbrennungsmotoren verliert also mit jedem Höhenmeter an Leistung.
Technik VW I.D. R Pikes Peak
Bei einem rein elektrisch angetriebenen Rennwagen wie dem Volkswagen I.D. R Pikes Peak ist das Gewicht der Batterie von besonderer Bedeutung: Sie ist das schwerste Einzelbauteil – je höher ihr Gewicht, desto geringer die Performance des Autos. Logisch, dass die Ingenieure von Volkswagen Motorsport beim Rekordfahrzeug die Akkus so klein und damit so leicht wie möglich auslegten. Neben der gewichtssparenden Lithium-Ionen-Bauweise setzten sie dabei auf eine Technologie, die bei zahlreichen Serienmodellen mit Elektroantrieb eingesetzt wird: Rekuperation.
Bei einem Auto mit konventioneller Antriebstechnik wird ein hoher Anteil der beim Bremsen erzeugten Energie in Wärme umgewandelt und geht somit verloren. Beim Elektro-Fahrzeug soll dieser Anteil in die Batterie-Pakete zurückfließen. Der I.D. R Pikes Peak erzeugt also einen Teil der elektrischen Energie für die beiden zusammen 500 kW (680 PS) leistenden Motoren selbst. „Entsprechend kleiner konnten wir die Batterien dimensionieren und so das Fahrzeuggewicht mit Fahrer deutlich unterhalb von 1.100 Kilogramm halten“, erläutert Piotr Wrzuszczak, Leiter Forschung und Entwicklung Konzepte bei Volkswagen Motorsport.
Rekuperation: Energierückgewinnung beim Bremsen
Gewissermaßen als Fingerübung stattete Volkswagen Motorsport zunächst einen Golf GTI TCR aus dem Tourenwagensport mit dem elektrischen Antriebsstrang aus. Dieser Versuchsträger diente auf dem Volkswagen Testgelände in Ehra-Lessien als rollendes Labor. Im Mittelpunkt stand dabei auch die Rekuperation. Wrzuszczak: „Weil wir nicht auf der originalen Rennstrecke am Pikes Peak testen konnten, haben wir die mit dem umgebauten TCR-Rennwagen gewonnenen Daten mit denen verglichen, die wir im Simulator bei Volkswagen Motorsport erarbeitet hatten. Im Computer hatten wir nämlich die komplette Strecke als Modell.“.
Die Simulationen klärten auch diese zentrale Frage: Welchen Anteil der während des Rennens benötigten Energie sollen die Bordsysteme des I.D. R Pikes Peak erzeugen? Zielkonflikt: Ein hoher Prozentsatz erfordert große Generatoren, ein niedriger entsprechend große Batterien – beides bedeutet zusätzliches Gewicht an Bord. „Wir haben schließlich einen Wert von 20 Prozent als ideal ermittelt“, sagt Wrzuszczak.
Auch an einer weiteren Herausforderung wurde sowohl im Simulator als auch bei Testfahrten geforscht. Egal ob Rennwagen oder Serienfahrzeug: Der Fahrer soll vom Vorgang des Rekuperierens möglichst wenig bemerken, jeder Bremsvorgang muss sich identisch anfühlen. Entscheidend dafür ist die Balance aus mechanischer Bremse und der Bremswirkung der Elektromotoren, die beim Verzögern als Generator arbeiten.
„Das Zusammenspiel von Bremse und Rekuperation wird im I.D. R Pikes Peak vom Bordcomputer gesteuert“, erläutert Wrzuszczak. Die Zielsetzung beim Rennfahrzeug ist viel extremer als bei einem Serienauto, die Software arbeitet entsprechend aggressiver. Aber auch im Serienfahrzeug geht es um das optimale Bremsgefühl für den Fahrer, die Nutzung von Phasen des sogenannten Segelns und eine möglichst effektive Aufladung der Batterie ohne Spannungsspitzen.
Ladezustand 30 Prozent
Wrzuszczak: „Ein Faktor war beispielsweise das Begrenzen der Rekuperation bei voll geladener Batterie im Rennfahrzeug direkt nach dem Start.“ Auch das Energiemanagement gegen Ende der 19,99 Kilometer langen Bergstrecke war eine komplexe Aufgabe: Bei einem Rennauto mit Verbrennungsmotor ist es aus Gewichtsgründen ideal, mit fast leerem Tank ins Ziel zu kommen. „Beim I.D. R Pikes Peak war die Aufgabenstellung anders“, sagt Wrzuszczak. „Nahezu entladene Batterien geben ihre Leistung nicht mehr optimal ab. Unsere Strategie war daher, auch kurz vor dem Ziel den Ladezustand nicht unter 30 Prozent sinken zu lassen.“
Dieser Plan funktionierte beim „96. Pikes Peak International Hill Climb“ am 24. Juni 2018 perfekt: Volkswagen Pilot Romain Dumas konnte auch auf den letzten Kilometern vor dem Ziel auf dem 4.302 Meter hohen Gipfel die optimale Leistung des I.D. R Pikes Peak abrufen.