Bedingt einsatzbereit

350 Praxistest-Kilometer mit dem Brennstoffzellenauto Hyundai ix35 Fuel Cell belegen das ganze Dilemma der Elektromobilität: Auto und Technik funktionieren faszinierend gut, aber die katastrophale Versorgungsinfrastruktur setzt dem Spaß enge Grenzen.

Elektroautos sind im Prinzip eine gute und saubere Sache. Sie sind leise und fahren im Idealfall emissionsfrei. Und sie machen sogar Spaß: Elektromotoren liefern Drehmoment – also die gefühlte Leistung eines Antriebs – in erstaunlichen Größenordnungen praktisch aus dem Stand heraus. Schade deshalb, dass ihr zentraler Schwachpunkt, die Nachschubversorgung mit Energie, noch nicht einmal im Ansatz gelöst ist. Soll heißen: Die Ladekapazitäten der Batterien sind bislang viel zu gering, die Ladezeiten viel zu lang. Hinzu kommt der bedauernswerte Entwicklungsstand der Lade-Infrastruktur. Die öffentlich verfügbare Stromversorgung für Elektromobilität ist von einer Vollversorgung momentan so weit entfernt wie Elon Musks Passagierraumschiff-Traum vom Mars.


Das praktischere Elektroauto ist deshalb das Brennstoffzellenauto. Theoretisch jedenfalls. Sauberer E-Antrieb, bewährte Technik, klassische Treibstoffversorgung. Die Brennstoffzelle fungiert dabei als Bordkraftwerk, Wasserstoff als Treibstoff. Und das funktioniert grob vereinfacht so: In der galvanischen Brennstoffzelle reagieren Wasserstoff und Sauerstoff; die chemische Reaktionsenergie wird in elektrische Energie umgewandelt; Wechselrichter wandeln den Hochspannungsgleichstrom; Wechselstrom fließt auf die Spulen des Elektromotors. Das Prinzip ist alt, bekannt, bewährt. Die Brennstoffzelle wurde vor 180 Jahren entdeckt, trieb vor 60 Jahren zum ersten Mal ein Auto an und flog vor knapp 50 Jahren als Bordstromaggregat mit zum Mond. Und ihr Treibstoff ist ein echter Wechsel auf die Zukunft. Mit Ökostrom produzierter Wasserstoff ist die Wunderdroge der Elektromobilität: schadstofffrei in der Verbrennung, unkompliziert im Handling – der Hochdrucktank eines Brennstoffzellenfahrzeugs lässt sich genauso schnell und einfach befüllen wie ein herkömmlicher Benzin- oder Dieseltank. Wasserstoff und Brennstoffzelle sind auf dem Weg in die saubere neue Antriebswelt also so etwas wie die Quadratur des Kreises.

Und was macht die Industrie? Entwickelt seit Jahr und Tag in Deutschland und den USA und macht in Asien Nägel mit Köpfen. Japan brachte 2015 den Toyota Mirai an den Start, musste sich im Vermarktungsrennen aber Korea geschlagen geben: Hyundai produziert den ix35 Fuel Cell seit Anfang 2013 in Serie und bietet das Auto mittlerweile in 17 Märkten an – allerdings in homöopathischen Dosen.

An der Technik liegt es nicht. Der Brennstoffzellen-Hyundai ist ein Auto, das man sofort ins Herz schließt. Sein lautloser und in unteren und mittleren Geschwindigkeitsbereichen kraftvoller Antrieb macht ihn geschmeidig, Fahrverhalten und Komfort sind tadellos, und die SUV-Figur erlaubt entspanntes Sitzen und Sehen. Der Verbrauch ist akzeptabel: Knapp ein Kilogramm Wasserstoff (Kilopreis 9,50 Euro) reagieren auf 100 Kilometer im Brennstoffzellen-Block. Im Schiebebetrieb und beim Bremsen wandelt sich zudem kinetische in elektrische Energie und füllt die Lithium-Ionen-Batterie, die den Antrieb unterstützt. Das macht Spaß, vielleicht weil es um ein Prinzip geht, das in seiner bestechenden Konsequenz faszinierend ist. Energiekreislauf, Ressourcenschonung, sauberes Fahren.

Der Hyundai ix35 Fuel Cell ist also ein Auto, das man eigentlich haben will. Theoretisch jedenfalls. Denn abgesehen vom gegenwärtig noch happigen Listenpreis (65.450 Euro) fügt sich die Infrastruktur-Praxis nahtlos ein ins E-Auto-Dilemma. Gerade mal 33 Wasserstoff-Zapfsäulen gibt es derzeit in Deutschland, im Sommer 2017 sind immerhin einige neue Stationen dazu gekommen (Wiesbaden, Frankfurt, Sindelfingen, Pforzheim und Karlsruhe). Mittelfristig plant das Gemeinschaftsunternehmen HMOBILITY (beteiligt sind neben den Energieversorgern Air Liquide, Linde, OMV, Shell und Total auch der Daimler-Konzern) den Ausbau des bundesweiten Wasserstoff-Tankstellennetzes auf insgesamt 400 Stationen, aber bis auf Weiteres geraten Fernfahrten mit einem Wasserstoffauto immer noch zu Vabanque-Touren. Der Reisewagen mit der Brennstoffzelle wird so momentan noch weit unter Wert geschlagen. Die aktuelle Zustandsbeschreibung der Wasserstoff-Elektromobilität fällt deshalb ernüchternd aus: bedingt einsatzbereit.

Oskar Weber