Fernost die Dritte

Nach Japan und Südkorea will jetzt China die Automobilmärkte der Welt erobern. Die Chinesen sind keine Newcomer, sondern in vier Joint-Venture-Jahrzehnten mit Westpartnern gereift. Ein Überblick über die aktuellen chinesischen E-Automarken auf dem deutschen Markt.

Der deutsche E-Automarkt wächst kontinuierlich, bekannte Hersteller elektrisieren ihr Portfolio stetig, und zusätzlich kommen neue Player auf den Markt. Neueste Ankündigung: Der chinesische Automobilhersteller Xpeng startet im Mai mit zwei Modellen (G9 und P7) sein Deutschland-Geschäft. „Die Markteinführung in Deutschland ist ein Meilenstein für Xpeng und wir freuen uns, dass wir unseren Platz in einem der wettbewerbsintensivsten Automobilmärkte der Welt einnehmen können“, sagt Xpeng-Deutschland-Chef Markus Schrick. Xpeng wurde 2014 im chinesischen Guangzhou gegründet und hat seine Europa-Offensive bereits in Dänemark, Norwegen, Schweden und den Niederlanden gestartet.

Im ersten Quartal 2024 wurden in Deutschland insgesamt 81.377 Vollelektriker zugelassen, chinesische Hersteller stellen 10,4 Prozent der Neuzulassungen. Das heißt, jedes zehnte neu zugelassene BEV (Battery Electric Vehicle) kommt aus China.

Chinesische Marken auf dem deutschen Markt

Der motorfuture Katalog e listet aktuell sieben chinesische Automobilhersteller: BYD, GWM, Maxus, MG, Nio, Polestar und Smart.

MG

Die gute alte Morris Garage (MG), 1923 in Oxford als Sportwagenspezialist gegründet, feiert ihr Comeback seit 2005 in China bei der Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC). Nie war die Chance für eine gesicherte Zukunft der britischen Kultmarke größer, nachdem MG  unter den Konzerndächern von Morris, British Leyland (Branchenspott: Britisch Elend), Rover und schließlich BMW jahrzehntelang ein kümmerliches Außenseiterdasein geführt hatte. Keine Stückzahlen, kein Geld, keine Weiterentwicklung, kein Garnichts. Ja, die Autos verkörpern heute britische Roadster-Tradition. Aber als Neuwagen wollte sie keiner haben. Zu eng, zu teuer, zu unzuverlässig. Sportwägelchen für den Wochenendausritt, nicht für den Alltag.

Mit dieser Vergangenheit hat das Markenrevival nichts zu tun. Ganz im Gegenteil. Die neuen MG sind Autos fürs richtige Leben. SUVs, ein Kombi, Blech für Leute, die ihren (Familien-)Alltag organisieren.

Smart

Vor 26 Jahren feiert der erste Smart Fortwo seine Premiere, seit 2011 gab es den Kleinwagen auch mit Elektroantrieb. Und seit 2019, zeitgleich mit der Gründung des 50:50 Joint-Venture von Mercedes Benz und dem chinesischen Großkonzern Geely, gibt es den Smart ausschließlich als Vollelktriker. Die Neuausrichtung der Marke ist in vollem Gang, die Produktion des Smart Fortwo wurde Ende März 2024 eingestellt. In Zukunft kommen alle Smart-Modelle aus dem chinesischen Geely-Werk in Hangzhou, wo auch der Hauptsitz des Unternehmens ist.

Polestar

Eine weitere Marke, die auf europäisches Know-how und einen chinesischen Investor setzt, ist Polestar. Der 2017 von seiner Konzernschwester Volvo und der gemeinsamen chinesischen Muttergesellschaft Geely gegründete E-Auto-Hersteller hat seinen Sitz in Göteborg (Schweden), gehört aber seit Anfang diesen Jahres vollständig der chinesischen Volvo-Mutter Geely. Als erstes Modell hat das schwedische Unternehmen zwischen 2019 und 2021 den Plug-in-Hybrid Polestar 1 in Kleinserie produziert. Seit Mitte 2020 ist mit dem vollelektrischen Polestar 2 (unser Aufmacherbild) das erste (Volumen-)Serienmodell des Unternehmens auf dem Markt, das aktuell noch das einzig verfügbare Modell der Marke in Europa ist. Für weiteres Wachstum soll die Erweiterung der Produktpalette sorgen, Polestar 3 und 4 stehen in den Startlöchern. Und auch für die folgenden Jahre kommuniziert das Unternehmen seine Produktoffensive: Für 2025 und 2026 werden die Autos mit den Modellziffern 5 und 6 angekündigt – Polestar nummeriert seine Autos nach Erscheinungsdatum und nicht nach Fahrzeugklasse. Ganz generell sucht der junge E-Automobilhersteller eine Position im Premiumsegment. Verkauft werden die Modelle in Polestar-Spaces, in Deutschland gibt es insgesamt acht Verkaufsstellen.

Nio

Neben dem Direktvertrieb verfolgt der 2014 in Shanghai gegründete E-Auto-Hersteller Nio ein weiteres neues Marketingkonzept: Die junge chinesische Marke will auch eine Nio-Commuity aufbauen. In Großstadt-Zentren entstehen Nio Houses, die neben den Showrooms auch Cafés und Eventräume beherbergen und potentiellen Kunden ein ultimatives User-Erlebnis bescheren sollen. In Deutschland gibt es bisher drei Nio Houses in Berlin, Düsseldorf und Frankfurt und ein Nio Hub (Verkaufsfläche inklusive Werkstatt) in München.

Und auch beim Laden geht die Marke, die 2022 in den deutschen und europäischen Markt eingestiegen ist, neue Wege. Nio-Fahrer können ihre Batterien an sogenannten Power-Swap-Stationen (PSS) innerhalb von drei Minuten wechseln – Reichweitenangst und lange Ladezeiten sollen so der Vergangenheit angehören, Voraussetzung dafür ist natürlich, dass eine Tauschstation in der Nähe ist. Bisher gibt es 14 Tauschstationen in Deutschland.

Maxus

Die in Europa noch junge Marke Maxus ist größtenteils für ihre Nutzfahrzeuge bekannt. Die beiden Lieferwagen eDeliver 3 und 9 sind das Kerngeschäft des chinesischen Herstellers, der seit 2010 Teil des größten chinesischen Automobilherstellers SAIC ist. Den ersten Schritt vom Nutzfahrzeug-Hersteller in Richtung Pkw macht Maxus mit dem vollelektrischen Pick-up T90 EV – Maxus bietet in Europa den ersten vollelektrische Pick-up an. Und seit 2023 gibt es mit dem Van MIFA 9 auch den ersten vollelektrische Pkw der Marke. Das Kernsegment bleiben aber weiterhin die weißen Transporter, durch den Einstieg ins Pkw-Segment soll zum einen eine neue Kundengruppe angesprochen werden und zum anderen die Sichtbarkeit der Marke erhöht werden.

GWM

Great Wall Motor ist in China Marktführer im Segment Premium-SUV. In Deutschland treten die beiden Marken Ora und Wey seit 2023 unter dem Namen GWM an. Der Kompaktsegment-Ora wurde ursprünglich auch in Europa als Funky Cat angeboten, geht jetzt aber mit der nüchternen Modellziffer 03 an den Start. 

BYD

BYD (Build Your Dreams) schreibt eine ähnlich atemberaubende Erfolgsgeschichte wie Tesla. Nur auf chinesisch. Und noch etwas unterscheidet den Herausforderer diametral von der gesamten Phalanx des Wettbewerbs: BYD hat vor 30 Jahren als Batteriehersteller angefangen, Automobile nahm man erst später ins Produktportfolio auf. Old Economy auf den Kopf gestellt, wenn man so will. Keine schlechte Voraussetzung für eine große Marktzukunft, der Elektrowagen lebt ja in erster Linie von der Akkutechnik.

Mit den ersten Quartalszahlen 2024 – weniger als 1.000 Neuzulassungen in Deutschland – wird BYD nicht zufrieden sein, beim Vertrieb setzt der Hersteller auf Flagship-Stores in Großstädten und zusätzlich auf große, traditionelle Handelspartner und Autohäuser (Glinicke, Reisacher, Riess, Senger, Sternauto, Sternpartner, Torpedo). 

Minus und Plus

Allgemein zeigen die Statistiken des ersten Quartals 2024, wie schwer es das E-Auto aktuell auf dem deutschen Markt hat. 81.377 Neuzulassungen bedeuten im Vergleich zum Vorjahr (94.736 zugelassene BEV) ein Minus von 15 Prozent. Und das bei einem insgesamt wachsenden Gesamtmarkt: 694.785 Neuzulassungen im ersten Quartal markieren im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Plus von 4,2 Prozent. Der Vollständigkeit halber: Für das Antriebssegment Vollelektriker meldete die Statistik im ersten Quartal 2024 einen Marktanteil von 11,7 Prozent.

 

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Franziska Weber