In acht Monaten um die Welt: Hightech am Wind

Am Sonntag startet das 13. Volvo Ocean Race im spanischen Alicante.

Die Eröffnung des Suezkanals (1869) und des Panamakanals (1914) sind noch heute Meilensteine der Seefahrtsgeschichte. Der Suezkanal in Ägypten verbindet das Mittelmeer und das Rote Meer, der Panamakanal den Atlantik und den Pazifik – die gefährlichen Routen vorbei an Kap Hoorn und/oder dem Kap der Guten Hoffnung sind seitdem nicht mehr nötig, um die drei Ozeane auf dem Seeweg zu durchqueren. Für die Handelsschiffe, vor allem im 19. und 20. Jahrhundert, war das ein Segen. Segler hingegen sehen die alte Handelsroute (die südliche Weltumseglung, vorbei am Kap der Guten Hoffnung und Kap Hoorn) seit 1973/74 als größte sportliche Herausforderung. Alle drei Jahre (seit 2006, davor alle vier Jahre) messen sie sich beim härtesten Langstreckenrennen, dem Volvo Ocean Race (bis 1997/98: Whitbread Round the World).

Diesen Sonntag starten 73 Segler in sieben Teams erneut die Reise um die Welt. 45.000 Seemeilen (83.340 Kilometer), drei Ozeane, fünf Kontinente, zehn Etappen, zwölf Städte, zwölf In-Port-Rennen liegen vor ihnen. Insgesamt sind die 16 Frauen und 57 Männer acht Monate unterwegs, circa 143 Tage auf offener See.

Im spanischen Alicante fällt der Startschuss, das erste Etappenziel ist nach 1.450 Seemeilen (2.685 Kilometern), vorbei an der portugiesischen Insel Porto Santo, Lissabon. Eine der drei innereuropäischen und kürzesten Etappen. Danach geht es über Kapstadt (Südafrika), Melbourne (Australien), Hong Kong (China), Guangzhou (China), Auckland (Neuseeland), Itajaí (Brasilien) nach Newport (USA) und dann zurück nach Europa: Cardiff (Großbritannien), Göteborg (Schweden) und Den Haag (Niederlande) sind die Häfen auf den Schlussetappen des Volvo Ocean Race 2017/18.

Die Route variiert von Auflage zu Auflage, der Grundgedanke bleibt gleich: einmal auf der südlichen Meeresroute um die Welt. 161 Boote und über 2.000 Segler haben seit 1973/74 an der Regatta teilgenommen. Viele nicht nur ein Mal. Beim diesjährigen Rennen starten 48 der 73 Segler, also zwei Drittel des Starterfeldes, mindestens das zweite Mal. Stu Bannatyne (Dongfeng Race Team) und Bouwe Bekking (Skipper Team Brunel) sind bereits zum achten Mal dabei. Ein Sieg ist zwar ein Höhepunkt in jeder Segelkarriere, allerdings kein Grund, sich noch einmal der Strapazen des Langstreckenrennens zu stellen. Während das klar gesteckte Ziel des Niederländers Bekking der erste Sieg im achten Versuch ist, kann der Neuseeländer Bannatyne in seinem achten Anlauf in Folge (seit 1994/95) einen neuen Rekord aufstellen: der vierte Sieg würde ihn zum erfolgreichsten Volvo-Ocean-Race-Segler der Geschichte machen. Bisher teilt er sich diesen Titel mit Konkurrent Brad Jackson (Skipper AkzoNobel) und Mark Christensen, der das Rennen sogar drei Mal in Folge gewonnen hat (1997/98, 2001/02, 2005/06). Auch zwei weitere Neuseeländer, Peter Burling (Team Brunel) und Blair Tuke (MAPFRE), können bei ihrem ersten Start Geschichte schreiben. Zusammen gewannen sie 2016 in Rio im 49er olympisches Gold und dieses Jahr den 35. America’s Cup. Einer der beiden könnte als erster Segler alle drei Großveranstaltungen gewinnen.

Die seglerischen Qualitäten für den Rennsieg haben wohl alle Starter. Das Starterfeld liest sich wie das who-is-who der Segelbranche: 14 Volvo-Ocean-Race-Sieger, fünf Sieger der vergangenen Regatta (Gewinner: Abu Dhabi Ocean Racing), fünf Olympia Goldmedaillengewinner, sechs America’s Cup Sieger. Das Rennen, das nur routentechnisch an längst vergangenen Zeiten erinnert, wird auf baugleichen Hightech-Yachten ausgetragen und ist eine Herausforderung für Mensch und Maschine. Gesegelt wird mit den „Volvo Ocean 65“-Yachten der vergangenen 2014/15-Regatta. Länge 20,37 Meter, Breite 5,60 Meter, Gewicht 12.500 Kilogramm, maximale Segelfläche 537 Quadratmeter, Höchstgeschwindigkeit 40 Knoten oder 74 km/h – alle Boote der Einheitsklasse wurden in 15-wöchiger Arbeit in Lissabon generalüberholt, Kosten pro Schiff: eine Millionen Euro. Einzig Team AkzoNobel geht mit einem neuen, aber baugleichen Boot an den Start.

Da Segeln bekanntlich ein Freiluftsport ist und die Elemente Wind und Wasser unberechenbar sein können, ist neben einer guten Crew und zuverlässigem Material vor allem Teamwork der Schlüssel zum Erfolg. Die sieben Skipper haben das bei der Zusammenstellung der Crew immer im Blick. Das neue Reglement fördert gemischte Crews, je nach Zusammensetzung sind neben dem Skipper sieben bis elf Segler an Bord erlaubt (sieben Männer; sieben Männer und ein/zwei Frauen; sieben Frauen und ein/zwei Männer; fünf Männer und fünf Frauen; elf Frauen). Die Skipper können die Zusammensetzung von Etappe zu Etappe verändern.

Die einzige weibliche Skipperin, Dee Caffari (Turn the Tide on Plastic), setzt auf das heterogenste Team und kann aus acht Männern und sechs Frauen am vielseitigsten variieren – von sieben bis zehn Crewmitgliedern ist in ihrem Team alles möglich. Caffaris Team ist mit einem Durchschnittsalter von 30,5 Jahren das jüngste im Feld. Brunel ist mit einem Altersdurchschnitt von 38,1 Jahren das älteste Team.

Der französische Dongfeng-Skipper Charles Caudrelier scheint vor allem auf gemeinsame Segelerfahrung innerhalb seiner Crew zu setzen. Mit sechs seiner elf Crewmitglieder hat er 2014/15 bereits das letzte Volvo Ocean Race für Dongfeng bestritten und bei der Team-Premiere überraschend den dritten Platz belegt. Dieses Jahr zählt das chinesische Team zu den Topfavoriten. Und befindet sich bereits in bestechender Frühform. Beim ersten In-Port-Rennen in Alicante segelte Dongfeng auf Platz zwei. Platz eins sicherte sich am vergangenen Samstag MAPFRE – das spanische Team ist der andere Topfavorit auf den Gesamtsieg bei der 13. Auflage des Volvo Ocean Race.

 

Franziska Weber