Rückblick auf die fünfte Formel-E-Saison. Jean-Éric Vergne feiert zweiten Titel und zusätzlich den Team-Titel mit DS Techeetah. Ausblick auf die kommende Saison, die im November mit zwei neuen Teams (Mercedes und Porsche) startet.
Die erste vollelektrische Rennserie Formel E beendete am vergangenen Wochenende ihre fünfte Saison. Die Bilanz: 13 Rennen auf fünf Kontinenten mit neun verschiedenen Siegern aus acht Teams und Jean-Éric Vergne und DS Techeetah als Fahrer- und Team-Champion. „Vor vier Jahren starteten wir unser Commitment in der Formel E, und unser Ziel war es zu gewinnen. Jetzt ist es vollbracht, wir sind Champions! Wir sind sowohl Team-Champion mit DS Techeetah als auch Fahrer-Champion mit Jean-Éric Vergne“, sagt DS-Performance-Director Xavier Mestalan Pinon. „Um diese Leistungslevel zu erreichen musst du zur richtigen Zeit mit den richtigen Leuten am richtigen Ort sein. Heute haben wir das geschafft. Das gesamte Team kann sehr stolz sein.“
Elf Teams, 22 Fahrer, neues Auto
Saison Nummer fünf war ein Meilenstein für die junge Rennserie, erstmals starteten elf Teams in den Formel-E-Boliden der zweiten Generation. Die Boliden werden von einer neu entwickleten 52 kW-Batterie von McLaren angetrieben – Ergebnis sind 45 Minuten harter Motorsport in vollem Powermodus. Was die Zuschauer nicht sehen: die vollgeladene Batterie am Rennstart birgt lediglich Energie für 65 bis 75 Prozent der Gesamtstrecke, die restlichen 25 bis 35 Prozent müssen sich die Fahrer durch Rekuperation erarbeiten. Dass das nicht immer klappt lernte Rookie Pascal Wehrlein in Mexiko Stadt auf die ganz harte Tour. Der Deutschen wurde quasi auf der Ziellinie von Lucas di Grassi überholt, weil in allerletzter Sekunde die Stromversorgung seines Antriebs zusammenbrach. Der Brasilianer di Grassi wurde für seinen Last-Minute-Sieg beim Saisonabschluss in New York City mit dem Wow-Moment-des-Jahres-Award ausgezeichnet. Die Formel E ist mehr als Gasgeben, Energiemanagement ist ein, wenn nicht der Schlüssel zum Erfolg.
Fehlender Motorsound heißt nicht fehlende Emotionen
Von Petrol Heads wird die junge vollelektrische Rennserie oft belächelt: kein Sound, zu wenig PS, kein Benzin in der Luft. Das fehlende Sounderlebnis ist zu Beginn tatsächlich ungewöhnlich. Aber fehlender Motorsound heißt nicht fehlende Emotionen. Dank des leisen Summens der Elektroboliden hört man jede Berührung auf der Rennstrecke, und davon gibt es bei der Formel E viele. „Das Aggressivitätslevel in der Serie ist hoch… entweder du frisst oder du wirst gefressen“, sagt Doppel-Champion Jean-Éric Vergne. Die 22 Piloten fahren alle mit Messern zwischen den Zähnen und kämpfen auf den engen Stadtkursen um jeden Zentimeter. Kaum ein Fahrzeug kommt ohne Blessuren ins Ziel. Und das obwohl die Formel-E-Boliden robust gebaut sind – soweit das bei Karbonchassis eben möglich ist. Leise kann ziemlich laut sein.
Die Grundidee ist dieselbe
Und obwohl die Formel E sich in vielen Punkten vom klassischen Motorsport unterscheidet, die Grundidee ist dieselbe: Die Hersteller wollen dem Publikum zeigen, dass die Technik funktioniert und nutzen die Rennstrecke als Testlabor für die Serienproduktion. Das war vor 125 Jahren bei der Geburtsstunde des Motorsports nicht anders, als am 22. Juli 1894 die Startflagge für das erste Autorennen von Paris nach Rouen fiel.
Von der Rennstrecke auf die Straße
Aus genau diesem Grund steigen immer mehr große Hersteller in die Formel E ein. „Der Technologietransfer zwischen Motorsport und Serienproduktion ist sehr intensiv. Der Antriebsstrang des Rennfahrzeugs profitiert von unserer Erfahrung aus der Serie. Gleichzeitig fließen die Erkenntnisse aus der Formel E direkt in die Entwicklung zukünftiger Serienantriebe zurück,“ sagt BMW-Technikvorstand Klaus Fröhlich. Und BMW-Motorsport-Direktor Jens Marquardt ergänzt: „Für uns ist das die perfekte Umsetzung unseres Credos: von der Rennstrecke auf die Straße.“
Die Formel E bietet Herstellern die Möglichkeit, einem weltweiten Publikum zu zeigen, dass E-Autos zuverlässig, leistungsstark und attraktiv sind. Diesel-Fahrverbote, die chinesische Elektroautoquote und verunsicherte Verbraucher verlangen dringend nach nach neuen Mobilitätslösungen.
Neben BMW starten mit Audi, DS (PSA- Konzern), Jaguar und Nissan bereits fünf große Automobilhersteller in der elektrischen Serie. Porsche und Mercedes fahren ab der kommenden Saison 2019/20, die am 22. November in Ad Diriyah (Saudi-Arabien) startet, in der Formel E.
Begeisterung und Entertainment
Neu an der Formel E ist neben den vollelektrischen Rennboliden der Rennablauf: Die Stadtkurs-Events sind jeweils auf einen einzigen Tag komprimiert, an dem die Besucher Training, Qualifying und Rennen quasi am Stück sehen können. Die Serie will innovativ sein, Leute begeistern und entertainen. Bis zu 120.000 Zuschauer waren in den ersten fünf Saisons pro Rennen an bisher 22 verschiedenen Rennstrecken. Der Rennkalender variiert im Moment noch von Jahr zu Jahr, die Nachfrage der Austragungsorte ist groß. In der nächsten Saison findet erstmals ein E-Prix in Seoul (Südkorea) statt, Berlin ist so etwas wie die heimliche Hauptstadt der Formel E: Seit der Gründung gibt es hier in jedem Jahr ein Rennen, zuerst auf dem Tempelhofer Feld, dann in Mitte, seit zwei Jahren wieder in Tempelhof.
Geschäftsmodell der Formel E
Die meisten Austragungsorte bezahlen für die Veranstaltungsrechte. Saudi-Arabien hat für das Saisonauftaktrennen in Ad Diriyah (Riad) der aktuellen Saison 30 Millionen Dollar bezahlt. Der Vertrag zwischen der Formel E und Saudi-Arabien läuft zehn Jahre. „Diese Saison ist ein Meilenstein für die Formel E. Nicht nur, weil es ein neues Auto gibt, sondern auch der Rennkalender zeugt von unserer Ambition, einen wirklich globalen Sport zu vertreten”, sagte Formel-E-Gründer Alejandro Agag vor der fünften Saison.
Saison Nummer fünf mit vielen Neuerungen
Die fünfte Saison brachte viele Neuerungen, die die Formel E noch attraktiver machten: Erstmals starteten elf anstelle von zehn Teams bei den 13 Rennen in zwölf Ländern auf fünf Kontinenten. Wichtigste Neuerung war allerdings die neue 374 Kilogramm schwere Batterie von McLaren, die mit einer Kapazität von 52 Kilowattstunden die Energie für ein gesamtes Rennen liefert und somit den Autowechsel nach der ersten Rennhälfte überflüssig macht. Ein großer Schritt in der Formel-E-Geschichte. Und auch ein neues Taktikinstrument feierte Premiere: Der Attack-Modus gibt den Fahrern für vier Minuten 25 kW Zusatzleistung, die FIA legt die Aktivierungs-Anzahl pro Rennen kurz vor dem Start fest.
Alle Teams starten mit identischer technischer Basis: Batterie, Bremsen, Reifen, Kohlefaserchassis, aerodynamische Anbauteile. Einzig den Antriebsstrang können die Teams selbst entwickeln, also Motor, Inverter, Getriebe, Hinterachse, Software. „Die Teams entwickeln nur da, wo es für den Endverbraucher Sinn macht“, erklärt Audi-Motorsportchef Dieter Gass.
Viele Einheitsteile, extrem enges Feld
Die Einheitsteile schonen aber nicht nur die Budgets, sie sorgen auch dafür, dass das 22-Köpfige Fahrerfeld extrem eng beieinander liegt. In den vergangenen 13 Rennen gab es neun Sieger aus acht Teams, die Fahrer- und Team-Meisterschaft wurde bereits zum vierten Mal im allerletzten Saisonrennen entschieden. Das Fahrerfeld bewegt sich auf einer Augenhöhe, das macht die Rennen spannend.
Nicht alles ist Gold, was glänzt: fünf rote Flaggen
Aber auch in der Formel E ist nicht alles Gold, was glänzt. Die engen Stadtkurse sind zwar attraktiv für das Publikum, weil die Rennen in die Metropolen und so zu den Zuschauern kommen. Gleichzeitig ist aber genau das ein Negativpunkt. Überholmanöver auf den engen Stadtkursen führen oft zu Un- und Ausfällen. Dann versperren die Elektroboliden den gesamten Kurs. Gelbe und rote Flaggen sind die Folge und keine Seltenheit in der Formel E. Die rote Flagge, die zum Rennabbruch führt, wurde in der vergangenen Saison fünf Mal geschwenkt. Die Bergung der Formel-E-Boliden dauerte oft über 30 Minuten, das schmälert den Renngenuss. Und wenn das Fahrerfeld Runden unter gelber Flagge oder hinter dem Safety Car dreht, rückt das Energiemanagement in den Hintergrund.
Die FIA reagiert auf die Full-Course-Yellow- (FCY) und Safety-Car-Problematik mit einer neuen Regel für die kommende Saison: Für jede Minute, die entweder hinter dem Safety Car oder unter gelber Flagge gefahren wird, werden den Fahrern je 1 Kilowatt Energie abgezogen. Außerdem wird die Zeit gestoppt, wenn das Rennen wegen einer roten Flagge unterbrochen wird.
Neu im Reglement ist auch die Leistungssteigerung im Attack-Modus von 225 auf 235 kW. Die Zusatzleistung darf außerdem nur noch unter normalen Rennbedingungen und nicht mehr hinter dem Safety Car und FCY aktiviert werden.
2019/20 mit Seoul und London
„Die kommende Saison wird die spannendste in der kurzen ABB-FIA-Formel-E-Geschichte“, sagt Formel-E-Co-Gründer Alberto Longo. „Mehr Rennen und neue Gesichter, die unglaubiche Erweiterung durch Seoul und London genauso wie die Aufnahme von Mercedes-Benz und Porsche. Wenn Sie sich die Liste der Städte und Hauptstädte ansehen, die die Formel E und die elektrische Bewegung unterstützen, ist dies der längste und umfassendste Kalender, den es je gab.“
Die sechste Formel-E-Saison startet am 22. November mit einem Doubleheader in Ad Diriyah (Saudi-Arabien) und endet am 26. Juli 2020 mit einem Doubleheader in London (Großbritannien). Dazwischen gastiert die vollelektrische Rennserie in Santiago de Chile (Chile), Mexiko Stadt (Mexiko), Hong Kong (China), Rom (Italien), Paris (Frankreich), Seoul (Südkorea), Berlin (Deutschland) und New York (USA). Insgesamt stehen 14 Rennen im Rennkalender 2019/20. Zwei Austragungsorte sind noch nicht vergeben, Jakarta könnte ein Austragungsort sein. Der Gouverneur der indonesische Hauptstadt meldete auf Instagram bereits Vollzug. Die Formel E dementierte das noch, die Verhandlungen sollen aber weit fortgeschritten sein.
2019/20 mit Porsche und Mercedes
Mit Porsche und Mercedes-Benz steigen in der kommenden Saison zwei neue Teams in die Formel E ein. Das Fahrerfeld vergrößert sich um ein Team und zwei Startplätze, ab November starten zwölf Teams mit 24 Fahrern. Während Porsche als Rookie in die vollelektrische Rennserie einsteigt, übernimmt Mercedes-Benz den Startplatz von HWA Racelab, die in der vergangenen Saison erste Erfahrungen für den Mercedes-Werkseinstieg gesammelt haben. „Gemeinsam als Team haben wir viel gelernt. Es war eine großartige Reise mit einigen Rückschlägen aber auch vielen Highlights. Ich bin wirklich stolz auf das Team und darauf, was wir in den vergangenen Monaten erreicht haben“, sagt HWA-Teamchef Ulrich Fritz.