Unterwegs im vollelektrischen China-SUV. Praxistest.
- Fünfsitziger vollelektrischer SUV.
- Akku 44,5 kWh, gute Verbrauchswerte, ordentliche Reichweite.
- Garantie: sieben Jahre oder 150.000 Kilometer.
Fernost die Dritte. Nach Japan und Südkorea will jetzt China die Automobilmärkte der Welt erobern. Die Japaner und die Koreaner sind längst auch in den Leitmärkten des Westens feste Größen und erfolgreiche Wettbewerber. Die Chinesen? Keine Newcomer, sondern in vier Joint-Venture-Jahrzehnten mit Westpartnern gereift.
Zum Beispiel MG
Die gute alte Morris Garage, 1923 in Oxford als Sportwagenspezialist gegründet, feiert ihr Comeback jetzt in China bei der Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC). Nie war die Chance für eine gesicherte Zukunft der britischen Kultmarke größer, nachdem MG unter den Konzerndächern von Morris, British Leyland (Branchenspott: Britisch Elend), Rover und schließlich BMW jahrzehntelang ein kümmerliches Außenseiterdasein geführt hatte. Keine Stückzahlen, kein Geld, keine Weiterentwicklung, kein Garnichts. Ja, die Autos verkörpern heute britische Roadster-Tradition. Aber als Neuwagen wollte sie keiner haben. Zu eng, zu teuer, zu unzuverlässig. Sportwägelchen für den Wochenendausritt, nicht für den Alltag.
Zum Beispiel der ZS EV
Mit dieser Vergangenheit hat das Markenrevival nichts zu tun. Ganz im Gegenteil. Die neuen MG sind Autos fürs richtige Leben. SUVs, ein Kombi, Blech für Leute, die ihren (Familien-)Alltag organisieren. Der ZS EV, von dem hier die Rede ist, konkurriert nicht auf den Laufstegen der Schönen und der Reichen.
Aber er ist, vielleicht gerade deshalb, ein famoses Auto.
Das mag nur auf den ersten Blick überraschen, denn dass die SAIC-Leute Autos bauen können, liegt auf der Hand. Der China-Konzern führt seit 40 Jahren Joint-Ventures mit Volkswagen und General Motors an, das entwicklungs- und produktionstechnische Know-how kommt also seit vier Jahrzehnten aus erster Hand. Und dabei reden die Experten nicht nur von Qualität, sondern auch von Quantität. Die Shanghai Automotive Industry Corporation baut und verkauft derzeit rund 500.000 Autos – im Monat.
So fühlt er sich an
Der ZS EV ist ein Auto, zu dem der Fahrer rasch Vertrauen fasst. Okay, schön im Sinne des ästhetischen Zeitgeistes ist er vielleicht nicht, aber erstens liegt Schönheit im Auge des Betrachters und zweitens sind die subjektiven Bewertungen von Formen und Farben kein Thema für einen Praxistest.
Zurück also zum Borderlebnis. Der Fahrer fühlt sich auf Anhieb wohl auf seinem Sitz, der in der Höhe verstellbar ist. Die Sicht ist in alle Richtungen gut, das Kombi-Instrument für die wichtigsten Fahrinformationen liegt zentral im Blickfeld (Bild rechts). In der Mitte des Armaturenbretts ist das bei Elektroautos mittlerweile handelsübliche Tablet montiert (Bild unten), das über sämtliche Details der Fahrt und des Wagens informiert: Navigation, Entertainment, Batteriezustand, Lademanagement.
Verspielte Naturen erfreuen sich am informellen Rundumschlag, aber der Blick auf die Straße ist die bessere Option. Der konservative Lenker quittiert es deshalb mit Dankbarkeit, dass die MG-Ingenieure bei der Abfassung des Lastenheftes auch an die Oldschool-Fraktion dachten. Es gibt noch richtige Schalter und Hebel im Wagen, die man drücken und drehen kann. Lüftung, Gebläse, heizbare Heckscheibe und Radiolautstärke sind ebenso manuell bedienbar wie Beleuchtung, Scheibenwischer und Tempomat. Für die Aktivierung der Fahrstufen Vorwärts/Rückwärts/Parken ist ein große massiver Drehschalter montiert, und für die Vorwahl der Fahrdynamik (Eco/Normal/Sport) und der Rekuperationsstärke (1/2/3) sind solide Kippschalter installiert.
Ja, es gibt auch einen Kritikpunkt. Der Beifahrersitz ist relativ hoch montiert, eine Höhenverstellung sucht man vergebens. Keine komfortable Situation für großgewachsene Passagiere. Gute Kunde hingegen von der Frachtfront. Ablagen gibt es in der Mittelkonsole und in den Türen reichlich, und ein in der Höhe verstellbarer Ladeboden macht den Kofferraum (Rücksitzlehnen klappbar) variabel. Das ist praktisch, weil man wertvolles Gepäck wie eine Fototasche bei Bedarf in der Unsichtbarkeit versenken kann.
So fährt er
Auf der Straße ist der ZS EV ein sehr erwachsenes Auto. Die stattliche Elektroleistung (105 kW, 353 Nm Drehmoment) trifft auf ein komfortabel-straffes Fahrwerk, der MG federt und dämpft mit Maß und Ruhe. Ab 120 km/h zerrt der Fahrtwind am Wagen, dann rauscht und zischelt es an der A-Säule und oben im Gebälk der Dachreling. Die elektrische Servolenkung ist ein bisschen synthetisch und Achtung: Der Spurhalteassistent haut dem Fahrer die Ansagen mit brachialer Gewalt in die Hände am Lenkrad. Das ist vielleicht gut für das Training der Adrenalinproduktion, aber schlecht für das Nervenkostüm. Besser ist es also, das Ding abzuschalten und selbst nach dem richtigen Weg zu schauen.
Der macht im Elektro-MG durchaus Spaß. Der Qualitätseindruck ist gut, die Abstimmung des Autos harmonisch. Stellt man die Energierückgewinnung auf Stufe drei, wählt man de facto One-Pedal-Driving. Das Bremspedal gerät dann im Wesentlichen zur Nebensache.
Viel Freude macht der ZS EV auch zwischen den Steckdosen, das Auto ist sparsam. Auf den 1000 Praxistestkilometern hauptsächlich über Land und auf der Autobahn verbrauchte der MG 16,8 kWh/100 km. Und durch die Stadt summte der Elektrowagen mit 13,8 kWh/100 km. Das entspricht einem 100-Kilometer-Verbrauch von 1,4 Liter Diesel oder 1,5 Liter Benzin.
Der MG ZS EV ist aber nicht nur erstaunlich sparsam, er punktet auch mit einem attraktiven Preis-Leistungsverhältnis: 31.990 Euro. Abzüglich Umweltbonus. Und Bedenken der Was-der-Bauer-nicht-kennt-fährt-er-nicht-Fraktion kontert MG mit diesem Garantieversprechen: sieben Jahre oder 150.000 Kilometer. Das gilt selbstverständlich auch und gerade für die Batterie.
Fotos: motorfuture