Logbuch Nio ET5

Unterwegs mit der Mittelklasse-Limousine aus China. Fahrbericht.

Bei Nio geht es Schlag auf Schlag. In etwas mehr als einem halben Jahr hat der chinesische Hersteller jetzt drei Modelle auf den deutschen Markt gebracht. Nach ET7 und EL7 ist der ET5 das jüngste Mitglied der Nio-Familie.

Fastback, kurze Überhänge

Der ET5 ist mit einer Länge von 4,79 Metern so etwas wie der kleine Bruder des ET7, der 21 Zentimeter mehr auf die Straße bringt. Die Breite von 1,96 Metern und die Höhe von 1,50 Metern sind bei beiden Modelle fast identisch. Auch mit seinem Fastback-Design übernimmt der ET5 die elegante Silhouette des ET7.

Die Designer haben beiden Baureihen die extrem kurzen Überhänge, die rahmenlosen Fenster und die eingelassenen Türgriffe verpasst. Das Gesicht nimmt die typische Nio-DNA mit schmal geschnittenen Lichtleisten, großen Lufteinlässen darunter und einer weit nach unten gezogenen Frontschürze auf. Die Motorhaube ist stark konturiert, wobei die Wölbungen auf den Außenseiten den muskulösen Eindruck unterstreichen. Das gilt ebenfalls für die ausgestellten Schulterpartien über den hinteren Radhäusern. Markant gestaltet ist das Heck mit einem integrierten Spoiler unterhalb des flach gezogenen Rückfensters, einer filigranen Lichtleiste darunter sowie des Diffusors. Ebenso wie an der Front ist hier alles auf bestmögliche Aerodynamik ausgerichtet. Herausgekommen ist ein cW-Wert von 0,24.

Im Innenraum setzt Nio hochwertige Materialien ein, hat aber auch Nachhaltigkeit im Blick. Der  Einsatz von natürlichen Mineralien und Pflanzenfasern reduziere die Kohlenstoffemissionen bei der Produktion im Vergleich zu herkömmlichen Materialien um 30 Prozent, betont der chinesische Hersteller. Der Armaturenträger ist so clean wie beim ET7. Knöpfe oder Schalter fehlen fast komplett.  Lediglich die Fensterheber, die Warnblinkanlage, die automatische Ver- und Entriegelung der Türen sowie die Wahl der Fahrmodi sind per Knopfdruck zu bedienen. Die Anzeigen erscheinen digital auf einem 10,2 Zoll großen Display.  Der zentrale 12,8 Zoll große Touchscreen in Form eines Tablets scheint frei zu schweben. So gut wie alles wird über dieses Display oder die virtuelle Sprachassistentin Nomi an das Auto vermittelt. Das gilt, wie auch bei den anderen Nio-Modellen, sogar für die Lenkradverstellung, die nur mit mehreren Befehlen über den Touchscreen erfolgen kann.

Manchmal nervt Nomi

Nomi, die auf den Armaturenträger angesiedelte Assistenzkugel, ist aber noch ein wenig begriffsstutzig. Häufig fragt sie nach oder erwartet eine Wiederholung. Und während die Begriffsstutzigkeit der Technik ziemlich nervig sein kann, ist das dauernde Piepen bereits beim geringsten Überschreiten der vorgeschriebenen Geschwindigkeit echt anstrengend.

Ansonsten geht es den Reisenden gut im ET5. Viel Platz auf bequemen Sportsitzen, die  elektrisch verstell- und beheizbar sind. Ein  hochwertiges Infotainmentsystem und ein in unterschiedlichen Farbtönen wählbares Ambientelicht sorgen für eine wohnliche Atmosphäre. Den Komfort unterstreichen die mit Stoff bezogenen Innentüren, in denen die integrierten Lautsprecher quasi unsichtbar sind. Auch herkömmliche Türgriffe sind nicht vorhanden, das ist gewöhnungsbedürftig. Der Kofferraum ist mit einem Volumen von 386 Litern eher klein geraten, bei Bedarf können die hinteren Lehnen umgeklappt werden. 

Das auch im ET7 eingesetzte Watchtover-Sensor-Layout ermöglicht eine 360-Grad-Sicht. Das hochauflösende Lidar mit einer  Reichweite von bis zu 500 Metern soll ebenso wie die hochauflösenden 8-MP-Kameras für Sicherheit beim autonomen Fahren sorgen.

Mächtiges Drehmoment, acht Fahrmodi, zwei Batteriegrößen

Für den  Antrieb der Mittelklasselimousine sorgen an der Vorder- und an der Hinterachse zwei Elektromotoren mit 150 kW (204 PS) und 210 kW  (299 PS) Leistung. Das Drehmoment ist mit 700 Nm mächtig, der Sprint von Null auf Tempo 100 gelingt laut Datenblatt in vier Sekunden. Acht Fahrmodi stehen zur Verfügung.

Zur Wahl stehen mit 75 und 100 kWh zwei Batteriegrößen, die theoretischen Reichweiten werden mit 456 beziehungsweise 590 Kilometern beziffert. Auf unserer Testfahrt über 80 Kilometer – überwiegend Stadtverkehr und Landstraßen sowie ein kurzes Stück Autobahn mit maximal Tempo 130 – ermittelten wir einen Verbrauch von 25,1 kWh/100 km. Das liegt deutlich über dem WLTP-Normverbrauch von etwas mehr als 20 kWh/100 km.

Swap-Power: Akku-Miete für Wechseloption

Eine Nio-Besonderheit ist der optionale Akku-Wechsel an einer Swap-Power-Station (unser Aufmacherbild). Der Batteriewechsel benötigt hier gerade einmal fünf Minuten, allerdings gibt es bislang lediglich zwei dieser Stationen in Deutschland. 

Auch der ET5 saugt deshalb den Strom bis auf Weiteres in aller Regel aus der Steckdose – die Expressladung auf 80 Prozent dauert laut Datenblatte 30 Minuten (kleiner Akku) beziehungsweise 40 Minuten. (großer Akku).

Der umfangreich ausgestattete Nio ET5 kostet 47.500 Euro – ohne Batterie. Wer einen Akku kaufen möchte, zahlt zusätzlich 12.000 Euro für die kleine oder 21.000 Euro für die große Variante. Allerdings: Die Kaufvariante schließt den Akku-Wechsel an der Swap-Power-Station aus. Wird die Wechseloption gezogen, ist eine Akku-Miete fällig: je nach Kapazität 169 beziehungsweise 289 Euro im Monat. 

Fotos: Nio

motorfuture TEST

motorfuture KATALOG e

 

 

Wolfgang Schaeffer