Nur das Bewusstsein ermöglicht Sinn

Bemächtigt sich die Evolution der Technik? Oder umgekehrt? Max Tegmark forscht am Massachusetts Institute of Technology (MIT) zur Künstlichen Existenz (KI). In LEBEN 3.0 spricht der Professor über seine Arbeit. Und die Zukunft.

Künstliche Intelligenz (KI) ist nichts, was die Menschheit kalt lassen kann. KI soll nach dem Willen ihrer Schöpfer ein Segen sein, aber die Kritiker wittern den Fluch. Was, wenn sich selbstlernende Systeme verselbständigen? Was, wenn das Prinzip der quasi-göttlichen Evolution aus dem Baukasten der Natur ins unheimliche System der Bits und Bytes mutiert? Alles Kokolores, sagen die Entwickler. Mehr Demut bitte, warnen die Ethiker.

Ein Blick hinter die Kulissen kann deshalb nicht schaden. Max Tegmark ist einer der führenden KI-Protagonisten. Der 51-jährige Schwede forscht am MIT in Boston, sein populäriwssenschaftliches LEBEN 3.0 ist ein Bestseller. Wir können das gut 500 Seiten umfassende Kompendium ebenfalls empfehlen. Es ist spannend geschrieben, gut übersetzt und leicht verständlich. Für kritische Zeitgenossen ist es voller Fundstellen und Überraschungen.

Lust auf mehr? Ein halbes Dutzend Zitate als Appetizer

„Als er über Energienutzung sprach, spottete er darüber, wie anspruchslos wir Menschen wären. Er wies darauf hin, dass wir unserem gesamten momentanen Energiebedarf auf globaler Ebene nachkommen könnten, wenn wir allein das Sonnenlicht ernteten, das auf eine Fläche trifft, die kleiner ist als 0,5 Prozent der Sahara.“ Tegmark über eine Begegnung mit dem Starphysiker Freeman Dyson

„Die Verdauung eines Schokoriegels ist lediglich zu 0,00000001 Prozent effizient, und zwar insofern, als dabei ein bloßes Zehnbillionstel der darin enthaltenen Energie mc² frei wird. Wäre Ihr Magen nur schon zu 0,001 Prozent effizient, müssten Sie für den Rest Ihres Lebens nur noch ein einziges Mal etwas essen.“ Über Einsteins Äquivalenz von Masse und Energie

„Wenn wir unsere Technik nicht verbessern, lautet die Frage nicht etwa, ob die Menschheit aussterben wird, sondern nur, wie. Wird ein Asteroid, ein Supervulkan, die sengende Hitze der alternden Sonne oder irgendein anderes Desaster uns zuerst erwischen?“ Prophezeihung

„Wenn wir unsere Technik mit genügend Sorgfalt, Weitblick und Planung zur Vermeidung von Fallgruben verbessern, dann hat das Leben das Potential, auf der Erde und weit über sie hinaus viele Jahrmilliarden zu gedeihen…“ These

„Obwohl die Evolution sie für das einzige Ziel der Fortpflanzung optimierte, verbringen viele Menschen ihre Zeit nicht mit der Produktion von Nachkommen, sondern mit Aktivitäten wie schlafen, Lebensmittel auftreiben, Häuser bauen, Dominanz ausüben, andere bekämpfen und anderen helfen – manchmal bis zu einem Ausmaß, das die Fortpflanzung verringert.“ Über die Ziele der Evolution

„Obwohl wir uns in diesem Buch auf die Zukunft der Intelligenz konzentriert haben, ist die Zukunft des Bewusstseins sogar noch wichtiger, da es Sinn ermöglicht.“ Über den springenden Punkt des Seins

 

Max Tegmark, LEBEN 3.0. Mensch sein im Zeitalter Künstlicher Intelligenz. Aus dem Amerikanischen von Hubert Mania. Ullstein, 528 Seiten, 26 Euro.

Redaktion