Alte Männer, die auf ihren Chefsesseln einst Milliarden vernichteten, feiern runde Geburtstage. Start-up-Stars schießen Autos ins All und verbrennen Milliarden. Und in Ulm gibt ein Mittelständler einen aus.
„No jokes with names!“ – „Keine Scherze mit Namen!“ Das war eine der erste Lektionen, die der Journalist früher einmal in seiner Ausbildung zu lernen hatte. Heute ist vieles anders. Und vor allem auf dem Boulevard gibt es auf der nach unten offenen Skala der Geschmacksverirrungen keine Grenzen mehr für diesbezügliche Wortspiele. Das finden wir prinzipiell blöd. Trotzdem machen wir heute selber mal ein Ausnahme (siehe Headline).
Den Anlass dazu gibt uns Ernst Prost, ein Unternehmer aus Ulm. Prosts Firma Liqui Moly raffiniert aus Rohöl und Altöl und ein paar chemischen Zutaten Schmierstoffe, die Motoren, Getriebe und andere mechanische Apparate am Laufen halten. Öl ist als gleichzeitig trennendes und verbindendes Element wichtig, wenn Metall auf Metall kommt. Das Prinzip ist seit dem Altertum bekannt, und das Schmierstoff-Business ist so gesehen ein alter Hut.
Raumfahrerhelme sind vergleichsweise neue Hüte.
Elon Musk, der Magier mirakulöser Märkte, hat jetzt eine Rakete ins All geschossen. Keine schlechte Leistung, gewiss, aber wir dürfen daran erinnern, dass ein gewisser Wernher von Braun schon vor 80 Jahren mit den explosiven Konstruktionen hantierte. Von Brauns Auftraggeber waren zunächst durchgeknallte Größenwahnsinnige, die mit seiner Hilfe die Welt in Brand steckten. Die Trümmer rauchten noch, da bekam der famose Ingenieur Asyl in den USA. Raketentechniker werden immer gebraucht.
Und ein Rocketman darf gerne ein wenig crazy sein.
In der Kapsel auf Musks Rakete, die selbstverständlich bis ans Ende aller Universen fliegen wird, parkt ein roter Tesla-Sportwagen. Am Steuer des roten Tesla-Sportwagens hockt eine mannsgroße Puppe im weißen Raumfahreranzug. Auf dem Puppenkopf selbstverständlich ein Raumfahrerhelm (neuer Hut!). Die Raumfahrerpuppe hat die rechte Hand am Lenkrad, der linke Ellbogen liegt auf der Fahrertür. Das sieht vielleicht lässig aus. Wenn irgendwann in einem anderen Raumschiff Aliens vorbeifliegen, dann werden sie sagen: „Wie cool ist das denn, da fährt ein Kollege in einem roten Sportwagen durchs All. Wo er wohl hin will?“ Das werden sie ihn dann auch fragen wollen und dabei entdecken, dass der Fremde nur ein überdimensionierter Playmobil-Astronauten-Sportwagenfahrer ist. Dann werden sie sich seine voll innovative Hightech-Kapsel nähe anschauen und die Botschaften entdecken, die Elon Musk auf diversen Elektronikbauteilen seines roten Tesla platziert hat: „Gefertigt von Menschen auf der Erde.“ – „Wow“, werden die Aliens dann sagen, „Teufelskerle, diese Menschen vom Teufelsplaneten Erde!“ Dabei werden sie anerkennend ihre Aliendaumen heben. „Schick, dieser rote Sportwagen, bestimmt ein Elektroauto! Und dazu dieser schmucke Plastikastronaut!“
Wir wissen natürlich nicht, wie die Nummer weiter geht, und Elon Musk weiß es auch nicht. Er weiß aber, dass er mit solchen billigen Zirkusnummern via kostenlose Berichterstattung weltweit hunderte von Millionen Publikumskontakte generiert, die er mit Geld gar nicht bezahlen könnte. Schon gar nicht mit dem Geld, das er gar nicht hat. Tesla hat im letzten Quartal 675 Millionen Dollar Verlust produziert.
Auf ziemlich genau diese Summe kommen wir in ein paar Sätzen noch einmal zurück.
Was sind schon ein paar hundert Millionen Dollar, wird sich Elon Musk denken. Geld kann man drucken und die Börse giert nach Phantasie. Nur Kleingeister rechnen in kleiner Münze.
Vielleicht braucht man tatsächlich seine tägliche Prise Westküstenbrise, um den Taschenrechner auch mal liegen zu lassen.
Uber zum Beispiel, ein anderer Start-up-Star aus Kalifornien, hat im vergangenen Jahr 4,5 Milliarden Dollar minus gemacht. Umsatz: 7,4 Milliarden Dollar. Man muss kein Genie sein, um bei dieser Bilanz nach dem Geschäftsmodell zu fragen. Uber macht irgendwas mit Mobilität. Fahrdienstvermittlung heißt das Produkt offiziell. Das ist so ähnlich wie Taxi, aber ohne Taxis und Taxifahrer. Bei Uber bringen Privatleute andere Privatleute für kleines Geld irgendwohin, und die Zentrale in San Francisco kassiert eine Provision. In der Theorie funktioniert das angeblich ganz gut, aber die Praxis – siehe oben! Egal, Hauptsache digital, Hauptsache hip. Gute Geschichte, gute Einschaltquoten, oder?
Gut, gigantische Geldvernichter kennt auch die Old Economy. Zwei von ihnen feierten dieser Tage runde Geburtstage. Edzard Reuter wurde 90, Bernd Pischetsrieder 70. Beide sahen sich als visionäre Unternehmer, obwohl sie nur risikofrei mit dem Geld der Aktionäre um sich warfen. Beide verbrannten Milliarden: Reuter bei Daimler mit seiner integrierten Inflation der Geschäftsfelder von der Waschmaschine bis zum Raumtransporter, Pischetsrieder mit der Übernahme der am Boden liegenden britischen Automobilindustrie. Und beide legten mit ihrem Missmanagement Hand an die Kernkompetenz ihrer Unternehmen: Mercedes war lange Zeit nur noch ein Schatten seiner selbst, und die besten Leute in München kümmerten sich viele Jahre nicht um BMW, sondern um den Pleitekandidaten Rover. Man muss daran erinnern dürfen, wenn man die aktuellen Jubelarien auf die Jubilare liest. Bernd Pischetsrieder sitzt heute übrigens im Aufsichsrat der Daimler AG. Und Edzard Reuter fordert mehr Anstand und Moral in Politik und Wirtschaft.
Ernst Prost (s. Bild unten) spielt in einer anderen Liga. Der Motorölfabrikant aus Ulm hat mit Schmierstoffen, Additiven und anderen Pflegeprodukten im vergangenen Jahr 532 Millionen Euro Umsatz und 52 Millionen Euro Gewinn erwirtschaftet. Der Gesamtumsatz der Firma Liqui Moly entspricht also in etwa dem Verlust, den Tesla im letzten Quartal 2017 schrieb.
Prost ist im Vergleich zu den Milliarden-Hasardeuren – siehe oben – ein kleiner Fisch. Aber er arbeitet mit seinem eigenen Geld. Seine 835 Angestellten sind für ihn keine Mitarbeiter, sondern „Mitunternehmer“. In den vergangenen zwei Jahren hat Liqui Moly 100 Arbeitsplätze geschaffen. Die „fette Beute“ des vergangenen Jahres, lässt Prost in einer Pressemitteilung zum Geschäftsbericht wissen, geht jetzt auch in Form einer „Siegprämie“ an die „Kolleginnen und Kollegen“. 11.000 Euro brutto! Für jeden! Weil „die ganze Mannschaft hart gearbeitet, gut gewirtschaftet und deshalb einen herausragenden Mannschaftserfolg produziert“ habe.
Es gibt viele Prosts in Deutschland. Kleinere und größere Mittelständler, die die soziale Marktwirtschaft leben. Abhängig Beschäftigte sind in diesem System keine betriebswirtschaftliche Verfügungsmasse, sondern Menschen. Und: Leistung soll sich lohnen. Übrigens: Ich kenne Herrn Prost nicht, ich bin ihm noch nie begegnet, aber mir gefällt sein Prinzip.
PS. Der Vollständigkeit halber: Prost hat Liqui Moly Ende vergangenen Jahres an die Würth-Gruppe verkauft, hinter der die Würth-Stiftung der Familie Würth steht. „Damit der Firma nix passiert, wenn mir etwas passiert“, schreibt Prost in einer E-Mail an die „Mitunternehmer“.
Fotos: Liqui Moly