„Sie können sich auf maximale Emotion und minimale Verkehrsfläche freuen“

5 Fragen an Oliver Heilmer. Der Designchef der BMW-Marke Mini über Elektroautos, den Ur-Mini, Espressomaschinen und Mähdrescher.

Oliver Heilmer, 43, leitet das Design der BMW-Marke Mini seit Herbst vergangenen Jahres. Das Team des gebürtigen Münchners arbeitet derzeit mit Hochdruck am ersten Elektroauto der Marke, das im kommenden Jahr Premiere feiern wird.

 

Was ist der besondere Reiz, einen rein elektrischen Mini zu gestalten?
Neue Technologien sind für uns Designer immer spannend, weil sie Impulscharakter besitzen und damit etwas vollkommen Neues anstoßen können. Gerade der elektrische Antrieb und seine Bauraumvorteile erlauben es uns, bisherige geometrische Lösungen zu hinterfragen. Der Antrieb ist deutlich kleiner, dafür brauchen die Energiespeicher mehr Platz als bisher ein Kraftstofftank. Das ermöglicht uns zukünftig in Sachen Innenraumgröße und Proportionen völlig neue Freiheiten. Und gerade darin sehe ich auch ein großes Potenzial für Mini.

2019 stellen Sie den ersten rein elektrischen Mini vor, an dem Sie aktuell arbeiten. Was können wir erwarten?
Der rein elektrische Mini wird ein echter Mini sein. Das heißt, Sie können sich auf maximale Emotion und minimale Verkehrsfläche freuen. Im Detail wird seine elektrische Natur erkennbar sein. Sicherlich durch unkonventionelle und innovative Details, die einerseits die bisherige traditionelle Mini-Welt zitieren und sie gleichzeitig mit neuen Technologien verbinden wird. 3-D-Druck wird sicherlich ein Thema sein. Details kann ich noch nicht verraten, da wir aktuell intensiv am Design arbeiten und Entscheidungen noch vor uns liegen.

Der Ur-Mini ist eine Design-Ikone. Kann man ein solches Erbe auf eine völlig neue Antriebstechnik übertragen?
Mini verweilt nicht im Jetzt oder im Gestern – auch wenn wir auf eine starke Historie zurückgreifen können. Der classic Mini wurde enorm zweckgebunden und aus einem starken Bedürfnis entwickelt. Unter anderem genau deswegen ist er heute eine Ikone. Diesen Kern möchte ich weiter in die Zukunft übersetzen – mit all den Möglichkeiten, die sich uns bieten. Gerade der Spagat zwischen Tradition und Zukunftsorientierung macht die Arbeit bei Mini Design so enorm spannend für mich. Und dabei darf, ja muss Mini provozieren. Denn Mini ist eine hoch emotionale Marke. Wir könnten und sollten es uns öfter erlauben, mutiger zu sein – auch wenn das beinhaltet, Fehler zu machen. Denn letztendlich geht es um die Emotion. Mini ist für mich jetzt schon nicht mehr nur ein Produkt – Mini verkörpert für mich eine Haltung. Mini steht für stetige Veränderung und das urbane Umfeld: das Mini-Herz schlägt im Ballungszentrum. Und für mich bedeutet Mini definitiv Diversity – das Gegenteil von Monokultur. Mini passt in keine Schublade. Letztendlich könnte man das alles zusammenfassen als grundsätzliche Offenheit den Dingen gegenüber. Und ich glaube, dass Mini hier in Zukunft deutlich mehr kooperieren muss, um diesen Anspruch auch erfüllen zu können. Und zwar mit Kooperationen, die nicht nur einen enormen Abstrahleffekt haben, sondern vor allem auch über den Kontext Fahrzeug hinaus denken – so wie wir das bereits mit MINI LIVING und MINI FASHION machen. Denn ich bin überzeugt, dass Mini als Marke auch über das Fahrzeug hinaus funktioniert. Und die dafür essenzielle Vernetzung würde ich in Zukunft gerne forcieren.

Im Detail soll das wie aussehen?
Im Zuge aktueller Entwicklungen fragen wir uns natürlich: Was wird einen Mini in Zukunft ausmachen? Wird es das abgesetzte Dach oder der hexagonale Kühlergrill sein? Oder bestimmt das Interieurdesign das Exterieur, da wir durch das autonome Fahren Lebensraum im Fahrzeug erhalten? Egal wie, unsere Aufgabe wird sein, einen Mini als Mini erkennbar zu machen – selbst wenn, überspitzt ausgedrückt, irgendwann nur noch viereckige Boxen autonom das Straßenbild prägen. Ich bin überzeugt, dass sich unser Fokus in Zukunft verschieben wird: Wir gestalten nicht mehr nur Fahrzeuge, sondern Erlebnisse. Mini wird über das Erlebnis erkennbar sein und über ein ehrliches Konzept, das begeistert und einzigartig bleibt. Ich nehme an, dass die grundsätzlichen Bedürfnisse unserer Kunden auch in Zukunft ähnlich wie heute sein werden: Sie wollen mobil und dabei up to date sein, sie wollen in ihren Bedürfnissen so antizipiert und unterstützt werden, dass sie Spaß dabei haben, sich mit ihrem Fahrzeug auseinanderzusetzen. Nehmen wir das Beispiel Connectivity: An dieser Stelle reden wir nicht über Displaygrößen, sondern über die emotionale Bindung bei der Nutzung. Zentral ist hier die Interaktion, und genau diese gilt es zu gestalten. Ein Weg für Mini wäre beispielsweise, die dafür notwendige Technik in den Hintergrund zu rücken und stattdessen das Erlebnis Mini typisch anzubieten. Hierin liegt die große Chance, die gleichzeitig eine große Herausforderung ist. Mini könnte hier einen neuen und vor allem eigenen Weg gehen.

Das ist nicht zuletzt eine Frage der Inspiration. Woraus speist sich Ihre Kreativität?
Grundsätzlich fasziniert mich alles, was mir einen Impuls gibt und meine Kreativität anregt. Beispielsweise finde ich Musik sehr inspirierend – von Jazz bis hin zu Hip-Hop. Mich begeistert aber auch die Ästhetik von Technik. Es gibt Produkte, die nach rein technischen Gesichtspunkten von Ingenieuren entwickelt und gebaut wurden – und trotzdem strahlen sie eine unglaubliche Schönheit aus. Kennen Sie zum Beispiel die Faema Espressomaschinen aus den 1950er- und 1960er-Jahren? Das ist so ein Produkt. Seit frühester Kindheit war ich auch vom Mähdrescher auf dem Bauernhof meiner Großeltern fasziniert. Er hat mich komplett in seinen Bann gezogen, und ich konnte Tage damit verbringen, einfach nur mitzufahren und zu schauen. Und natürlich mag ich schöne Dinge. Wobei Schönheit natürlich etwas sehr Subjektives ist.

Redaktion