Wahlprogramme und Klimapolitik: Die GRÜNEN

Am 26. September findet die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag statt. Wir vergleichen die Standpunkte der Parteien zu den Themen Mobilität und Klima in einer kleinen Serie. Heute: Die GRÜNEN.

Wenn man sich die Wahlprogramme der Parteien vor der diesjährigen Bundestagswahl ansieht, fällt einem vor allem zweierlei auf: Die Programme werden meistens kürzer und das Klima spielt die Hauptrolle. Fast hat es den Anschein, als wäre Deutschland in der Lage, wesentlichen Einfluss auf die weltweite Steuerung von Tornados, Tsunamis, Vulkanausbrüchen, Eisschmelzen und Waldbränden zu nehmen. Fakt ist: 2019 betrug der seit Jahrzehnten sinkende (!) deutsche Anteil am weltweiten fossilen CO2-Aufkommen 1,85 Prozent, rund 20 Prozent davon gingen auf das Konto des gesamten Verkehrssektors.

„Bereit, weil Ihr es seid“

So recht entscheiden möchten sich die GRÜNEN nicht beim Titel ihres Wahlprogramms. Erst heißt es „Deutschland. Alles ist drin.“ Und auf die Wähler bezogen: „Bereit, weil Ihr es seid.“ Dann folgt die Kurzfassung: „Unser Land kann viel, wenn man es lässt.“ Die GRÜNEN und der Klimawandel wäre wohl treffender, wenn man auf 259 Seiten plus Sofortprogramm liest, welche Zukunft die Partei „auf Augenhöhe mit der Zukunft“ verspricht.

2 Prozent der Gesamtfläche für Windmühlen

Das Programm geht dabei von einer Reihe von Annahmen aus, die wissenschaftlich fragwürdig und einigermaßen realitätsfern sind. Der Feststellung, der Ausbau der Erneuerbaren Energien lahme, steht die Tatsache entgegen, dass im 1. Halbjahr 2021 Onshore-Windkraftanlagen mit der Leistung eines Kernkraftwerkes installiert wurden (insgesamt inzwischen 55,7 GW Leistung). Während beklagt wird, der Kohleausstieg komme zu spät, muss anerkannt werden, dass dafür neue Gaskraftwerke benötigt werden, allerdings „wasserstoffready“. Die Nachbarländer will man über die EU dazu zwingen, ihre grenznahen Kernkraftwerke abzuschalten (mit denen heute nicht nur bei Windstille ein wesentlicher Teil des deutschen Strombedarfs gedeckt wird). Dass der Weltklimarat die Kernenergie für klimafreundlich hält, wird nicht zur Kenntnis genommen. Solardächer sollen bei Neubauten Pflicht werden. 2 (!) Prozent der bundesdeutschen Fläche soll mit Windkraftwerken bestückt werden. (Was 1,5 Prozent für Landschaft und Artenschutz bedeuten, kann man an der Westküste Schleswig-Holsteins besichtigen. Und dass nicht alle Regionen des Landes gleichermaßen windhöffig sind, ist bekannt.)

Höhere Preise, Energiegeld, Klima-Bonus

CO2 soll über höhere Preise, Förderung und Ordnungsrecht bekämpft werden. Die gewollte Verteuerung der Preise soll mit einem Energiegeld ausgeglichen werden (wo bleibt dann der dämpfende Effekt?). Die stark gebeutelten Pendler sollen über einen Klima-Bonus „großzügig“ beim Umstieg auf den ÖPNV unterstützt werden. Der Klimaschutz im Verkehrssektor mache kaum Fortschritte, heißt es, obwohl die Zulassungszahlen der Elektroautos rasant wachsen. Die GRÜNEN wollen mit einem „Bundesmobilitätsgesetz“ helfen. Es soll vorschreiben, dass der Verkehr künftig klimagerecht, verkehrsvermeidend, flächen- und geschlechtergerecht und bevorzugt im Öffentlichen Personenverkehr erfolgt. Ein lückenloses Fahrradnetz gehört ebenso dazu wie geförderte Lasten- und Jobfahrräder. Für den Straßenbau wird ein Moratorium für alle neuen, noch nicht im Bau befindlichen Projekte des Bundesverkehrswegeplanes gewünscht. Das bedeutet Baustopp. Ausgebaut werden nur noch Geh-, Rad- und Schienenwege.

Weniger Autos, weniger Flüge, mehr Binnenschiffe

Im Einzelnen: Tempo 30 wird innerorts die Regel, außerhalb kommt auf den Autobahnen „Tempo 120 km/h um Ballungsgebiete herum“, ansonsten ein generelles Tempolimit von 130 km/h. Autoverkehr soll abnehmen und emissionsfrei werden (ab 2030 keine neuen Verbrenner mehr). Der Ausbau der Ladeinfrastruktur soll beschleunigt werden. Mobilität auf dem Land sieht im Wahlprogramm der GRÜNEN so aus: „Das E-Auto im Paket mit Solaranlagen auf dem Dach, einem Stromspeicher im Keller und einer Wandladestation in der Garage ist eine zukunftsfähige Lösung.“ In der Stadt soll es autofreie Innenstädte und Stadtviertel sowie mehr Grünflächen geben. Auto- sind in Fahrradparkplätze umzuwidmen. Weiter sind eine City-Maut und Nahverkehrsabgaben geplant.

Verringerung der Kurzflüge, mehr Bahnangebote

Geflogen wird nach dem Willen der Grünen deutlich weniger. Mittel- und Langstreckenflüge sollen sich durch Videokonferenzen erübrigen. Flugzeuge sollen unabhängig von fossilen Treibstoffen (?) werden. Fossiles Kerosin wird durch strombasierte Kraftstoffe ersetzt. Es gibt keinen weiteren Ausbau von Flughafeninfrastruktur.

Und bei der Schifffahrt stehen Forderungen im Programm, die seit Jahren buchstäblich im Fluss sind: Landstromanlagen, Reduzierung von Schweröl, alternative Schiffsantriebe, klimaneutrale Treibstoffe. Immerhin: Die Binnenwasserstraßen sollen ausgebaut werden.

Sicher ist sicher: Vetorecht für Klimaschutz

Schließlich planen die GRÜNEN ein Klimaschutzministerium, das alle Gesetze blockieren kann, die nicht mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar sind. (Dass die GRÜNEN fortschrittliche Energie gelegentlich aktiv verhindern, zeigen viele Initiativen gegen neue Stromtrassen und Wasserkraftwerke.) Ob so die Versprechungen von einem „klimagerechten Wohlstand“ erfüllt werden können, müssen zunächst die Wähler und dann gegebenenfalls Koalitionsverhandlungen entscheiden.

Foto: Pixabay

 

Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.

Dietrich Austermann