Wasserstoff: VW gegen den Rest der Welt

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. In der Automobilindustrie liegen deshalb die Nerven blank. Und es offenbaren sich erstaunliche Denkmuster.

Ein paar Jungs kicken auf dem Bolzplatz. Einer der Buben kann aber besser Handball spielen. Als ihn die anderen immer wieder ins Leere laufen lassen, schnappt er sich die Kugel und brüllt: „Wir spielen jetzt Handball, sonst gehe ich nach Hause.“

Der Handballer heißt Herbert Diess. Er ist VW-Chef, im Sinne seiner Vorvorgänger Piech und Winterkorn ein würdiger VW-Chef. Was man selber nicht hat, ist ein technischer Irrweg, andere Meinungen sind unerwünscht. Piech und Winterkorn setzten alles auf den Diesel. Man war arrogant genug, die dieselallergischen Amerikaner missionieren zu wollen. Das Ergebnis ist bekannt. Den VW-Entwicklern fehlen jetzt die Milliarden, die das Diesel-Desaster gekostet hat und noch kosten wird.

Diess setzt alles auf die Batterie-Elektromobilität. Dummerweise ist er im Elektrosegment Wasserstoff-Brennstoffzelle bislang blank. Seine Vorgänger haben die Zukunftsfähigkeit der Technik negiert, und ihre Diesel-Obsession hat jene Löcher in die Kasse gerissen, die heute für Forschung und Entwicklung fehlen. Diess ruft deshalb für die deutsche Automobilindustrie samt Zulieferern die volle Konzentration auf die Batterieelektrik aus – ungeachtet der Tatsache, dass die Themen Reichweite, Lade-Infrastruktur und Batteriezellen-Produktion brutal dicke Bretter sind.

Bei der Brennstoffzelle ist das anders. Die Wasserstoff-Produktion ist zwar mit hohem Energieaufwand verbunden, aber im Norden Europas gibt es bereits jetzt nahezu unendlich viel überschüssige Windenergie. Und im Süden gibt es für Photovoltaik Sonne ohne Ende und Flächen ohne Ende, die geradezu prädestiniert sind für eine ökonomische und ökologische Elektrolyse von Wasserstoff.

Man muss das alles anpacken, das ist klar. Aber es wird ja bereits viel getan. Die Aktivposten der Elektroalternative Brennstoffzelle sind ja keine Nasenbohrer. Im global agierenden Hydrogen Council zum Beispiel sind nicht nur Daimler, BMW und Bosch am Start, sondern auch die VW-Konzernmarke Audi. Und natürlich Toyota, Honda, Hyundai, General Motors. Und viele globale Energieversorger mit ihrer ganzen Logistikerfahrung.

Und nicht zuletzt für den Langstrecken-Schwerverkehr sind Wasserstoff und Brennstoffzelle die elektrische Alternative, gegen die Batteiespeichertechnik rein physikalisch betrachtet nicht den Hauch einer Chance hat.

Wir wissen natürlich nicht, ob der amtierende VW-Chef jemals Handball gespielt hat. Oder Fußball. Wir hoffen, dass er EBIT nicht mit Arbeit verwechselt. Und wir wünschen ihm, dass er sich nicht für den Größten hält, nur weil er für einen Giganten spricht. Einen Noch-Giganten. Diess hat jetzt den Kollegen im Branchenverband VDA den Zaunpfahl gezeigt: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Diplomatisch ist das ein weiteres Desaster für den VW-Konzern. 

VW ist Diesel und Diess. Wasserstoff und die Brennstoffzelle sind immerhin zukunftsfähige Alternativen.

 

Unser Bild: Der Nexo ist bereits das zweite Brennstoffzellen-Auto, das Hyundai in Serie baut. Foto: Hyundai

Hugo von Bitz