Wir zitieren den Lyriker Günter Eich: „Die eigentliche Antwort ist immer der Tod.“ Und wir zitieren Kurt Tucholsky: „Dies ist die wahrste aller Demokratien, die Demokratie des Todes.“
Neulich habe ich in meinem Tischkalender geblättert, der mich durchs Jahr begleitet. Ja, so etwas gibt es noch. Format DIN A5, ein Kalenderblatt für jeden Jahrestag, dazu nützliche Informationen wie Ferientermine, Feiertage, Zeitzonen, internationale Telefonvorwahlen, Botschaftsadressen. Ich wollte nur wissen, auf welchen Wochentag im kommenden Jahr Dreikönig fällt und stieß dabei auf die Doppelseite „Das Universum / Geschichte des Lebens“.
Ich war überrascht, was so ein Tischkalender zu leisten in der Lage ist, und weil ich ein Leser bin, begann ich zu lesen.
Und zu staunen.
Oder kannten Sie vielleicht die Verteilung der Materie in unserem Sonnensystem? 99,9 Prozent entfallen auf die Sonne und 0,1 Prozent auf die acht Planeten mit ihren 135 Monden sowie die Millionen Gesteinsbrocken, die auf einer Distanz von etwa sechs Milliarden Kilometern durch diese kleine Welt am äußersten Rand einer Milchstraße taumeln, die wiederum nur ein kleiner Teil des Virgo-Superhaufens ist, der tatsächlich nur ein winziges Häufchen ist, gemessen an den Dimensionen des Universums.
Die Redaktion meines Jahreskalenders denkt auch an die schlichteren Gemüter und vermutlich deshalb arbeitet sie mit einfachen Bildern. Die Entstehung des Lebens auf der Erde wird zeitlich an einem 24-Stunden-Tag veranschaulicht, und als die allerersten Vorläufer des Menschen vor zwei Millionen auf den Plan treten ist es nicht etwa fünf vor zwölf, sondern 23 Uhr 59 Minuten und 16,8 Sekunden. Seitdem sind also knapp 43 Sekunden vergangen, und in diesem Wimpernschlag der Erdgeschichte verschwanden der Neandertaler und der Cromagnon-Mensch und all‘ die anderen Homo-Sapiens-Versuche genauso schnell wie sie gekommen waren, und Jesus Christus wurde, wenn wir unser kleines Zahlenspielchen auf die Spitze treiben wollen, vor 0,43 Sekunden geboren.
Was wir daraus lernen können? Ein bisschen Demut zum Beispiel.
Wenn die Grünen zum Beispiel behaupten, die Menschheit zerstöre den Planeten, dann ist das brüllender Unsinn. Können diese Leute nicht auf zwei zählen? Nicht der Mensch zerstört die Natur, sondern die Natur wird über kurz oder lang den Menschen zerstören. Der Mensch ist Teil der Natur, die Natur ist seine Natur. Und es werden nicht Verbrennungsmotoren oder Kohlekraftwerke oder grüne Politiker auf parlamentarischen Bildungsreisen rund um die Welt sein, die der menschlichen Zivilisation den Rest geben.
Ein spektakulärer Vulkanausbruch oder ein Meteoriteneinschlag genügen, und die Lichter auf dieser Welt gehen aus für die Spezies Mensch. Es wird möglicherweise auch nur der Mensch an sich sein.
Fortschritt schafft Bevölkerungswachstum, und die globale Menschheit wächst nicht linear, sondern exponentiell. Leider ist der Mensch, diese biologisch angetriebene Chemiefabrik, kein umweltfreundliches Wesen – auch ohne Kohlekraftwerke und Verbrennungsmotoren und Umweltaktivisten mit der Lufthansa-Vielflieger-Karte nicht. Er schnauft und schwitzt, und er isst und trinkt, und er verdaut, und er konsumiert mit jedem Atemzug. Und wenn die Ressourcen knapp werden, kämpft er.
Kein Grund zu Pessimismus. Der Mensch denkt auch. Gut möglich, dass Forschung und Technik ein paar weitere Sekunden für die Menschheit finden. Ein bisschen Demut könnte, wie gesagt, nicht schaden. Wer mit der Gott gegebenen Angst des Menschen vor Siechtum und Tod seine politischen Spielchen treibt, öffnet auch den Ideologen der Gegenseite Tür und Tor. Geben ist seliger denn nehmen. Und zuhören ist schwieriger als reden. „Ich hasse die Vielredner“, sagt Martin Luther, „die Wahrheit macht nicht viele Worte.“