Achtung, Hochspannung!

Die Diskussion über die Elektromobilität kennt nicht nur die Kapitel Reichweite und Ladezeiten. Zentrale Themen sind auch: Wie lange halten die Bauteile? Und was passiert, wenn ein Akku defekt ist? Porsche zeigt jetzt sein Reparatursystem für die Stromspeicher.

Grundsätzlich gilt, dass die Akku-Kapazität immer bestimmt wird durch die schlechteste Zelle. Genau an diesem Punkt haben die Porsche-Ingenieure frühzeitig den Hebel angesetzt. Die Reparaturfähigkeit der Fahr-Akkus in den Werkstätten war ein wichtiger Punkt im Lastenheft des Taycan. Parallel zur Fahrzeugkonstruktion schob die Entwicklung deshalb ein Reparaturkonzept für Hochvolt-Akkus (HV) an. „Wir haben von Anfang nicht nur die effiziente Fertigung im Blick gehabt, sondern auch an die Reparaturmöglichkeiten in qualifizierten Porsche-Betrieben gedacht“, sagt Kundendienst-Manager Daniel Schukraft.

Für Porsche ein zentrales Thema. Bereits 2025 soll die Hälfte aller neu verkauften Porsche elektrifiziert sein und fünf Jahre später soll der Anteil bereits bei 80 Prozent liegen. „In Sachen Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung ist das von uns entwickelte Reparaturkonzept deshalb ein wichtiger Baustein“, sagt Schukraft.

Ein Prozent Akku-Defekte

Bei den bisher verkauften 90.000 Taycan-Modellen habe es ein Prozent gemeldete Akku-Defekte gegeben, sagt Peter Reck, Produktmanager After Sales. 80 Prozent davon seien zu reparieren gewesen. Als Defekt wertet Porsche jede Art von Beanstandung, die mit  einem Eintrag in den Fehlerspeicher verbunden ist. Probleme wie geringe Reichweite oder fehlende Vorkonditionierung der Batterie seien hingegen meist kein Defekt, sondern häufig auf zu hohes Tempo oder nicht korrekte Einstellung des Navigationssystems zurückzuführen. So etwas sei in den meisten Fällen im Gespräch mit dem jeweiligen Kunden zu klären.

Qualitätssicherung

Ein Defekt indessen muss grundsätzlich an die Porsche-Zentrale in Zuffenhausen gemeldet werden, damit dort entsprechend reagiert werden kann. Für den zuständigen Qualitätsmanager Christian Brügger ist das ein wichtiger Punkt. Die Akku-Qualität soll ja nicht nur gesichert, sondern auch permanent verbessert werden. „Gerade in den ersten Monaten haben wir Batterien sicherheitshalber komplett getauscht, um zu zu erkennen und zu verstehen, was im System passiert ist und eventuelle Fehlerquellen in der Produktion schnellstens abzustellen“, sagt Brügger. Gibt es bereits Hinweise auf typische Schadenmuster? Bislang Fehlanzeige, heißt es bei Porsche.

Kabel, Platinen, Zellen

Für die eigentliche Reparatur eines Akkus kalkulieren die Spezialisten mit rund vier Tagen. Denn außer den Sicherheitsvorkehrungen müssen auch Klebe- und damit verbundene Trocknungsvorgänge berücksichtigt werden. Um die Akkueinheit vom Unterboden zu lösen, wird der Wagen auf einer Hebebühne nach oben gefahren und der Stromspeicher anschließend auf einen speziell konstruierten, fahrbaren Arbeitstisch abgesenkt. Nachdem der Akku auf die eigentliche Arbeitsfläche gerollt ist, wird an einem Diagnosegerät getestet, wo das Problem liegt. Die Ursache kann in Kabelverbindungen, Platinen oder auch einzelnen Zellen liegen. Ist eine Zelle defekt, wird das entsprechende Modul im Diagnosegerät  angezeigt. „Wir tauschen allerdings keine einzelne Zellen, sondern immer ein komplettes Modul“, sagt Stefan Schierle, der als Service-Trainer für die Ausbildung der HV-Experten verantwortlich ist. Der große Performance-Akku mit einer Kapazität von 93 kWh im Taycan hat 33, der kleinere 80-kWh-Speicher 28 Module. Jedes Modul umfasst zwölf Pouch-Zellen. Bei diesem Zelltyp wird der Elektroden-Stapel nicht von einem festen Gehäuse, sondern von einer flexiblen Verbundfolie umschlossen. Der vorhandene rechteckige Bauraum des Akkus lasse sich dadurch bei gleichzeitiger Gewichtseinsparung optimal nutzen, sagen sie bei Porsche.

Safety first, alles genau nach Plan

Ist das defekte Modul identifiziert, muss zunächst die gesamte Kühlflüssigkeit – beim Taycan gibt es keinen separaten Kühlkreislauf für die Batterie – abgelassen werden. Anschließend öffnet der HV-Techniker den verklebten und verschraubten Akku. Für einige dieser Arbeitseinheiten sind sogar zwei Kollegen notwendig. Dabei muss aber lediglich der direkt am Akku tätige Mitarbeiter Schutzkleidung tragen (unser Aufmacherbild). Sind Steuergerät und Deckel entfernt, wird das fehlerhafte Modul mit Spezialwerkzeug aus dem Batteriekasten gehoben. Jeder Handgriff erfolgt dabei nach den genau festgelegten Sicherheitsmaßnahmen. Das gilt anschließend umgekehrt selbstverständlich ebenso für den Einbau des neuen Moduls. Zuvor muss der Boden des Akkufachs von der dort angebrachten  Thermalpaste gesäubert werden. Die entfernte Masse wird gewogen, um dann exakt die gleiche Menge wieder aufzutragen.

Um das Batteriefach absolut dicht zu verschließen, wird nicht nur geschraubt, sondern auch geklebt. Nach der entsprechenden Trocknungszeit rundet eine Spannungsfestigkeitsmessung die Reparatur ab. Anschließend wird die komplette Akkueinheit wieder unter den Taycan gefahren und mit dem Auto verschraubt.

Vor diesem komplexen Hintergrund sind vorerst nicht alle Werkstätten in der Lage, die Akkus von E-Autos zu reparieren.

Mittelfristig 350 HV-Stützpunkte und 150 Flying Doctors

„Arbeiten an E-Fahrzeugen erfordern besonderes Fachwissen, Spezialwerkzeuge sowie extra ausgewiesene Arbeitsplätze plus Reparaturflächen“, sagt Qualitätsmanager Christian Brügger: „Das alles ist die Grundlage für einen Hochvolt-Stützpunkt.“ Im Porsche-Servicenetz arbeiten derzeit weltweit 80 Standorte an der Hochspannung. Zudem sind 80 mobile Hochvolt-Experten als Flying Doctors unterwegs. Planungstendenz stark steigend: Bis 2025 will Porsche weltweit 370 HV-Stützpunkte und 150 mobile Einsatzkräfte an den Start bringen.

Heute Werkstatt, morgen App

Derzeit müssen die Besitzer eines elektrisch angetriebenen Porsche übrigens noch in die Werkstatt, wollen sie Informationen zu Leistungsstand und Kapazität ihres Fahr-Akkus haben. Ein dort stationierte Diagnosetester liest auf Wunsch die entsprechenden Daten aus. Schon in naher Zukunft will Porsche aber eine App-Lösung anbieten, mit der die Kunden den Gesundheitszustand des Energiespeichers ganz autonom abrufen können.

Fotos: Porsche

Wolfgang Schaeffer