Alternative für Deutschland?

Wunsch und Wirklichkeit sind immer häufiger die Antipoden der Gegenwartspolitik. Das gilt auch für scheinbar profane Ziele wie die Elektromobilität. Die Kaufprämie soll es jetzt richten. Geld in die Gießkanne, Problem gelöst? Die meisten Verbraucher wissen, dass das richtige Leben komplizierter ist.

Die deutsche Automobil-Statistik hantiert in der Regel mit großen Zahlen: Für das vergangenen Jahr zum Beispiel sind 3,21 Millionen Neuzulassungen und 7,33 Millionen Besitzumschreibungen registriert – nur Personenwagen. Der Gesamtbestand siedelt mittlerweile im hohen achtstelligen Bereich: 61,5 Millionen zugelassene Kraftfahrzeuge, davon 45,1 Millionen Personenwagen.

Vielleicht sind es diese gewaltigen Dimensionen, die Verkehrsplanern, Zukunftsforschern und Expertengremien zuweilen die Sinne vernebeln. Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) zum Beispiel – immerhin ein Zusammenschluss von 150 Hochkarätern aus Politik, Wirtschaft und Forschung – werkelt seit nunmehr sechs Jahren an einer Strategie. Ursprünglich formuliertes und lange apostrophiertes Marktziel: eine Million zugelassene E-Autos bis 2020.

Die NPE agiere weitgehend ideen- und planlos, sagen Insider hinter vorgehaltener Hand. Auf jeden Fall ist die Arbeit des Gremiums erstaunlich erfolglos. Politik, Wirtschaft und Verbände konnten sich bislang noch nicht einmal auf eine Vereinheitlichung der Landetechnik einigen. Stecker, Ladesäulen, Bezahlsysteme. Der Betrieb eines Elektroautos bleibt deshalb abseits der heimischen Garage nach wie vor eine unsichere Fahrt durch einen undurchsichtigen Infrastrukturdschungel.

Von ihrem vollmundigen Millionenziel haben NPE und Bundesregierung jedenfalls still und leise Abschied genommen. Mittlerweile wäre man schon froh, man würde die Hälfte schaffen. Politik und Nationale Plattform agieren mittlerweile so kleinmütig, dass sie die plakative Zielziffer im Rückblick einfach kassiert haben:

http://nationale-plattform-elektromobilitaet.de/die-npe/historie

Die Realität zeigt in der Tat ein kümmerliches Bild. Etwas mehr als 25.000 Elektroautos sind derzeit in Deutschland zugelassen. Hinzu kommen rund 30.000 Plug-in-Hybride – Autos mit einem Verbrennungsmotor und einem Elektroantrieb, dessen Fahrbatterie extern an der Steckdose aufgeladen werden kann. Soll heißen: Auch auf dem Weg zum halbierten Ziel – 500.000 Elektroautos und Plug-in-Hybride bis 2020 – bleibt also nach wie vor eine gewaltige Strecke.

Letzte Ausfahrt Subventionen? Experten bezweifeln, ob die jetzt beschlossene Kaufprämie – 4.000 Euro für E-Autos, 3.000 Euro für Plug-in-Hybride – Spannung ins Geschäft mit der Elektromobilität bringen kann. Fakt ist nämlich, dass die Prämiengießkanne vor dem Hintergrund der aktuellen Listenpreise vergleichsweise spärlich tröpfelt. Der Renault Zoe etwa, ein kompaktes Elektroauto der neuesten Generation mit einer alltagstauglichen Reichweite von definitiv 150 Kilometern (Werksangabe: bis 240 Kilometer), steht mit 21.500 Euro in der Liste. Bleiben abzüglich der 4.000-Euro-Kaufprämie, die Renault nochmals mit zusätzlichen 1.000 Euro anfettet, 16.500 Euro – plus der monatliche Batteriemiete in Höhe von 49 Euro. Für 49 Euro, die eigentlichen Stromkosten gar nicht gerechnet, fährt der Besitzer eines vergleichbaren Renault Clio bei einem Benzinpreis von 1,50 Euro/Liter aber bereits 500 Kilometer. Und er spart im Einkauf einige tausend Euro: momentan immerhin bis zu 7.000, wenn er sich für das Renault-Aktionsangebot Clio Start entscheidet.

Geschenkt, werden Kritiker an dieser Stelle einwenden, der Vergleich arbeitet mit Äpfeln und Birnen. Elektroauto-Käufer sind keine Leute mit schmalen Brieftaschen, das ist wahr. Im Umkehrschluss belegt die Marktpraxis aber auch: Für finanzielle Normalverbraucher kann die Elektromobilität – Kaufprämie hin, günstige Unterhaltskosten her – bislang kein Thema sein. Elektroautos und Plug-in-Hybride sind im Wettbewerbsvergleich teuer, sehr teuer. Der Blick in den motorfuture-Katalog belegt es:

https://motorfuture.de/katalog-4/katalog-e-autos-und-plug-in-hybride

Das kann auch die Kaufprämie nicht ändern: Hohe Anschaffungskosten, geringe Reichweiten und das bislang weitgehend ungelöste Problem der öffentlichen Ladeinfrastruktur sind die gewaltigen Hürden auf dem Weg in die neue elektrische Automobilzeit. Dass diese Marktkiller das Publikumsinteresse nicht eben befeuern, liegt auf der Hand. Eine im Auftrag der Deutschen Automobil Treuhand (DAT) erhobenen Studie der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) brachte im vergangenen Jahr ernüchternde Ergebnisse: Zwar begeisterten sich 38 Prozent der potenziellen Neuwagenkäufer „für die neuesten Entwicklungen im Automobilbereich“, aber weniger als zehn Prozent hatten sich „intensiv“ mit dem Thema Elektromobilität beschäftigt.

Vielleicht deuten ja diese Zahlen auf einen Stimmungsumschwung hin: 22 Prozent der Neuwagenkäufer gaben im Interview zu Protokoll, „alternative Antriebskonzepte in Betracht gezogen“ zu haben. Konkret wird die Antriebsalternative in Deutschland erst dann auf den Einkaufszettel kommen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen.

Oskar Weber