Von Zahlen und Zeichen

Die Politik formuliert für das Elektroauto erstaunliche Ziele. Und zieht dem Markt gleichzeitig radikal den Stecker. Wunsch und Wirklichkeit passen möglicherweise nicht zusammen.

Der Autogipfel im Kanzleramt heißt jetzt „Strategieplattform Transformation der Automobil- und Mobilitätswirtschaft“. Die Strategen kommen neuerdings aus allen Sphären der grün-roten Transformationsträume, die Konzernchefs und Betriebsratsvorsitzenden der deutschen Schlüsselbranche sind am Tisch des Bundeskanzlers aber nach wie vor zugelassen. Man braucht sie noch. Zur Erinnerung: Die Autobauer und ihre Zulieferer stehen nicht nur für ein enormes Gewerbesteueraufkommen, sie beschäftigen in Deutschland ganz nebenbei auch rund 800.000 gut dotierte Lohn- und Einkommensteuerzahler – allesamt Leute, die tagtäglich an der Deichsel antreten, um den mit vielerlei Lasten und Pflichten beladenen Staatswagen zu ziehen.

15 Millionen Vollelektriker bis 2030?

Die Spitzenrunde diskutiert dem Vernehmen nach stundenlang, die Themen bleiben aber im Ungefähren. „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass ein rascher Hochlauf der E-Mobilität erforderlich ist, um die Klimaziele im Verkehr zu erreichen“, teilte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Dienstag vergangener Woche nach einer Strategiesitzung mit. Konkret: Die Strategieplattform habe das Ziel der Bundesregierung bekräftigt, bis 2030 mindestens 15 Millionen vollelektrische Autos (Battery Electric Vehicles, BEV) auf die Straße zu bringen. In Deutschland.

Das ist, um es vorsichtig auszudrücken, ein ehrgeiziges Ziel. 15 Millionen Vollelektriker in 2030 bedeuten ein Plus von 13,5 Millionen Neuzulassungen in den kommenden sieben Jahren. Macht theoretisch knapp zwei Millionen BEV pro Jahr. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland insgesamt 2,65 Millionen Personenwagen neu zugelassen, darunter rund 469.000 mit vollelektrischem Antrieb.
Auslaufmodell Umweltbonus

Man fragt sich deshalb, ob die Plattformstrategen im Kanzleramt möglicherweise ohne Taschenrechner tagen. Zumal der sogenannte Umweltbonus, der den Elektroautomarkt in den vergangenen Jahren gepusht hat, ein Auslaufmodell ist. Klar ist: Die stattlichen staatlichen Kaufsubventionen entfallen relativ kurzfristig. Klar ist auch: Die grün-rot-gelbe Koalition hat dem mittlerweile sündhaft teuren Elektroauto damit ein Stück weit den Stecker gezogen.

Zur Erinnerung die alten Subventionsgeschenke:

  • Bis Ende 2022 wurden Vollelektriker mit einem Nettolistenpreis von unter 40.000 Euro mit 9000 Euro Kaufprämie gefördert – 6000 Euro spendierte der Staat, 3000 Euro kamen vom Hersteller.
  • Für BEV mit Nettolistenpreisen zwischen 40.000 und 65.000 Euro gab es 7500 Euro Zuschuss – 5000 Euro vom Staat, 2500 Euro vom Hersteller.
  • Für Plug-in-Hybride mit einem Nettolistenpreis unter 40.000 Euro gab es bis Ende 2022 noch 6750 Euro – 4500 Euro vom Staat, 2250 Euro vom Hersteller.
  • Plug-in-Hybride mit einem Nettolistenpreis zwischen 40.000 und 65.000 Euro wurden bis Ende des Jahres mit 5625 Euro subventioniert – Staat und Hersteller brachten anteilig 3750 Euro und 1875 Euro.

Doch damit ist seit dem Jahreswechsel Schluss.

2023 sinken die Kaufprämien bereits empfindlich:

  • Seit dem 1. Januar gibt es für Plug-in-Hybride keine Steuerstütze mehr.
  • Für BEV mit einem Nettolistenpreis unter 40.000 Euro sinkt die Kaufprämie auf 6750 Euro (4500 Euro vom Staat, 2250 vom Hersteller).
  • BEV mit Nettolistenpreisen zwischen 40.000 und 65.000 Euro werden mit 4500 Euro subventioniert (3000 Euro vom Staat, 1500 Euro vom Hersteller).
  • Außerdem: Ab dem 1. September 2023 können nur noch Privatpersonen Förderanträge einreichen.

2024, Streichliste Stufe zwei:

  • Die Nettolistenpreisgrenze sinkt am 1. Januar 2024 auf 45.000 Euro und die
  • Kaufprämie auf 4500 Euro (3000 Euro vom Staat, 1500 Euro vom Hersteller).

Neu ist außerdem der Einbau eines sogenannten Förderdeckels für die kommenden beiden Jahre mit einem Gesamtvolumen von 3,4 Milliarden Euro und folgender Aufteilung: maximal 2,1 Milliarden Euro für 2023 und maximal 1,3 Milliarden Euro für 2024. Ist der Fördertopf leer, ist jeder weitere Subventionsantrag chancenlos.

Bleiben immerhin die Steuerprivilegien für Elektroautos:

  • BEV und Brennstoffzellenautos sind bis auf Weiteres zehn Jahre lang von der Kraftfahrzeugsteuer befreit.
  • Die Pauschalbesteuerung privat genutzter BEV-Dienstwagen beträgt mit 0,25 Prozent pro Monat (bis 60.000 Euro Bruttolistenpreis) und 0,5 Prozent (über 60.000 Euro Bruttolistenpreis) ein Viertel beziehungsweise die Hälfte der Verbrennertarife (ein Prozent). Das bedeutet bei einem 50.000-Euro-Auto eine Differenz von 4500 Euro, die der Nutzer bei der Einkommensteuererklärung kürzen darf.
  • Und steuerfrei ist auch die kostenlose Stromtankstelle am Arbeitsplatz. Kein geldwerter Vorteil, sagt der Gesetzgeber. 
Aus die Maus fürs kostenlose Parken

Unterdessen verliert das E-Auto weitere Privilegien. Der Gemeinderat der Autostadt Stuttgart zum Beispiel (Daimler, Porsche, Mahle, Bosch und viele andere) hat die bislang geltende Parkgebührenbefreiung für die Elektrotechniker kassiert. Seit Jahresbeginn 2023 marschieren in Stuttgart auch die Fahrerinnen und Fahrer eines Elektroautos wieder an die Parkscheinautomaten.

Foto: Porsche

Oskar Weber