„Das ist doch längst verjährt!“

194 BGB: Das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen (Anspruch), unterliegt der Verjährung.

Karl schuldet Fritz 5,80 Euro wegen des letzten Kneipenbesuches. Monate später fällt ihm ein, dass er für die zwei Biere noch bezahlen muss. Fritz verzichtet großmütig mit dem oft benutzten Alltags-Satz: „Das ist doch längst verjährt!“ Sein Anspruch ist aber nicht verjährt sondern durch seinen Verzicht erloschen.

Wann aber ist ein Anspruch oder eine Forderung verjährt?

In den Debatten des Reichstages anlässlich des bevorstehenden Beschlusses über das neue Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), das schließlich am 1. Januar 1900 in Kraft trat, wurde unterstellt, dass aus der andauernden Untätigkeit des Gläubigers bei  Durchsetzten seines Anspruchs auf einen stillschweigenden Verzicht geschlossen werden kann. Und so heißt es in der damaligen Begründung: Grund und Zweck der Anspruchsverjährung ist, der Behelligung mit veralteten Ansprüchen ein Ziel zu setzen. Nach einer bestimmten Zeit soll der Schuldner, aber auch der zu Unrecht mit Forderungen Behelligte die Gewissheit haben, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden.

Die nachlässige Untätigkeit sollte also sanktioniert werden.

Der Rechtsfrieden sollte nach einer gewissen Zeit wieder hergestellt, die Justiz entlastet und die Dispositionsfreiheit des Schuldners geschützt werden.

Dabei bedeutet Verjährung nicht, dass der Anspruch erloschen ist. Er kann dennoch erfüllt werden, und wenn dies nach Eintritt der Verjährung geschehen sein sollte, kann das Geleistete nicht zurückgefordert werden.

Musterklage gegen VW

Im Prozess muss der Beklagte die Einrede der Verjährung geltend machen. Geschieht das nicht, verurteilt das Gericht den säumigen Schuldner. Wenn also beispielsweise im Verfahren gegen VW wegen Kursmanipulation an der Börse der Richter sich zur Verjährung äußert, ist davon auszugehen, dass VW die Einrede der Verjährung geltend gemacht hat.

In der Musterklage geht es darum, ob durch das Verhalten des VW-Konzerns bezüglich der Diesel-Abgasreinigung der Kurs der Aktie zum Schaden der Aktionäre negativ beeinflusst wurde. VW verweist darauf, dass erst mit der Anschuldigung durch die US-Umweltbehörde die Öffentlichkeit über die unzureichende Abgasreinigung informiert wurde. Erst danach konnte der Kursverfall dem Konzern zugerechnet werden. Alles was davor liegt, sei irrelevant, also verjährt. Für diese Argumentation spricht einiges, zumal Kursentwicklungen an der Börse häufig irrationalen Wegen folgen.

Verjährung: Fristen und Zeitpunkte für den Fristbeginn

Also: Verjährung ist der durch Ablauf einer bestimmten Frist bewirkte Verlust der Möglichkeit, einen bestehenden Anspruch geltend zu machen. Und beim Thema Frist beginnt das Problem. Es gibt mindestens fünf verschiedene Fristen und verschiedene Zeitpunkte für den Fristbeginn.  

Gewährleistungsansprüche aus einem Kauf oder Werkvertrag oder aus einem Reisevertrag verjähren in zwei Jahren. Ansprüche auf Kaufpreis, Werklohn, Arbeitslohn oder Fluggastrechten verjähren in drei Jahren. Gewährleistungsrechte beim Hauskauf verjähren in fünf Jahren ab Übergabe des Gebäudes.

Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe  Fahrlässigkeit erlangen musste. Wenn also ein Käufer am 2. Januar 2015 ein Auto kauft und abnimmt und am 3. Januar in der Zeitung liest, dass es eine unzulässige Abgasreinigung  enthält, kann er bis zum 31. Dezember 2018 Klage auf Schadensersatz gegen den Händler erheben.

Wurde beispielsweise ein Flug 2016 annulliert, kann der Fluggast bis Ende 2019 Rechte auf eine Ausgleichszahlung erheben.

Sobald der Mahnbescheid oder die Klage bei Gericht eingegangen ist, wird die Verjährung gehemmt. Ein einfaches Mahnschreiben, auch solches durch einen Anwalt, reicht dafür nicht.

Strafrecht: Mord verjährt nicht

Im Strafrecht unterliegen  die Verfolgung von Straftaten (außer Mord) und die Vollstreckung ebenfalls der Verjährung. Für die einzelnen Taten gelten – je nach Schwere – unterschiedliche Fristen. Einfacher Betrug wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bedroht. Entsprechend beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Betrügern in einem besonders schweren Fall, die also zum Beispiel einen sehr hohen Vermögensverlust herbeiführen, droht eine Freiheitsstrafe zwischen sechs  Monaten und zehn Jahren. Hier beträgt die Verjährung 20 Jahre.

Ist eine Tat verjährt, ist den Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht) jede strafrechtliche Reaktion auf die Tat untersagt. Der bandenmäßige Betrüger kann also nach 20 Jahren im Ausland wieder unbehelligt in Deutschland leben.

Allerdings kann die Frist auch hier gehemmt werden, zum Beispiel dadurch, dass die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten mitteilt, dass gegen ihn ein Ermittlungsverfahren anhängig ist.

Dietrich Austermann