Die Zukunft der Stadt (2): Straßen und Quartiere

Autonomes Fahren, Verkehrswende, neue Mobilität: Das Forschungsprojekt AVENUE21 (TU Wien) skizziert konkrete Szenarien für die Zukunft der Stadt. Wir fassen die Wiener Ergebnisse in einer kleinen Serie zusammen. Folge 2: Straßen und Quartiere.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat Ende Oktober 2020 angekündigt, dass Deutschland Weltspitze beim autonomen Fahren werden soll. Alsbald solle ein Referentenentwurf zur Ergänzung der Straßenverkehrsordnung in die Länder- und Verbändeanhörung und danach in das EU-Notifizierungsverfahren, um mögliche Konflikte mit EU-Recht zu prüfen. Bisher dürfen in Deutschland Autos nur einzelne Aktionen „selbständig“ ausführen. Ab 2022 sollen die ersten autonomen Fahrzeuge regulär unterwegs sein.

Lebensfähig, lebenswürdig

Die internationale Forschergruppe um Mathias Mitteregger an der TU Wien denkt weiter. Unterstützt von der Daimler und Benz Stiftung hat sie Überlegungen angestellt (und unter der Überschrift AVENUE21 veröffentlicht), wie sich unsere Lebensverhältnisse durch autonomes und vernetztes Fahren (avF) zwangsläufig verändern könnten und was getan werden muss, um die europäischen Städte lebensfähig und lebenswürdig zu erhalten.

Straßenraum und Stadtgestalt

Die Fragestellung der Untersuchung bezog sich zunächst auf die naheliegenden Wirkungen der neuen Fahrzeuge, von den technischen Möglichkeiten insbesondere zu den städtebaulichen Folgen: Wie entwickelt sich die Stadtgestalt beim Straßenraum? Wie ändern sich die Quartiere und Gebäudestrukturen?  Wie können/müssen gesellschaftliche Innovationen gestaltet werden? Worauf müssen sich Verwaltungen und Planer einstellen?

Das Projekt AVENUE21 hat den Anspruch, eine praxisrelevante Grundlage für die nächsten fünf bis zehn Jahre Stadt- und Mobilitätsentwicklung zu legen. Daraus könne sich dann ein sinnvoll gestalteter Prozess in Richtung auf ein neues Mobilitätssystem in den nächsten 20 bis 30 Jahren entwickeln, meinen die Autoren.

Technik und Strategien

Und dies ergab neue Fragen:

  • Wie passt die technologische Entwicklung der neuen Fahrzeuge in eine künftige Siedlungs- und Infrastruktur?
  • Welche Bürgerbeteiligung braucht die Diskussion über die technischen und praktischen Möglichkeiten der automatisierten und vernetzten Mobilität?
  • Welche Strategien braucht eine nachhaltige Verkehrs- und Stadtteilentwicklung?

In den vier Kapiteln der Ausarbeitung geht es um den sich ergebenden umfassenden gesellschaftlichen Wandel (technologisch, ökonomisch, ökologisch, gouvernemental und sozial). Die Autoren sind davon überzeugt, dass eine lang andauernde Übergangsphase im Level 4 („Langes Level 4“) den Beginn der neuen Mobilität markiert. Die technische Entwicklung wird im Detail erläutert, ein Abgleich mit der bestehenden Stadtstruktur vorgenommen, internationale Vorreiterregionen werden vorgestellt.

Ausführlich werden die Aspekte der europäischen Stadtentwicklung mit den Perspektiven zur Siedlungsentwicklung, Verkehrspolitik und Planung während der Übergangszeit abgeglichen und in mehreren Szenarien zusammengefasst.

Schließlich endet AVENUE21 mit sechs konkreten Handlungsfeldern.

Demnächst hier bei motorfuture: Die Zukunft der Stadt, Folge 3: Die Ausgangssituation.

Unser Aufmacherbild: Fußgängerzone in Istanbul. Foto: Pixabay

 

Mehr zum Thema

Die Zukunft der Stadt, Folge 1: Das Projekt

 

 

Die Studie: „AVENUE21. Automatisierter und vernetzter Verkehr: Entwicklungen des urbanen Europa“ ist Ergebnis eines interdisziplinären Forschungsvorhabens an der Technischen Universität (TU) Wien, gefördert von der Daimler und Benz Stiftung. Anhand ausgewählter Städte und Ballungsgebiete wurde untersucht, welche Szenarien für Europa zu erwarten sind und welche Entwicklungen sich bereits heute weltweit abzeichnen.

 

Der Autor: Dietrich Austermann ist Jurist und CDU-Politiker. Von 1982 bis 2005 war er Mitglied im Deutschen Bundestag, von 2005 bis 2008 gehörte er der Landesregierung Schleswig-Holstein als Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Verkehr an.

 

Dietrich Austermann