Elektropop: Autobahn

motorfuture zum Mitsummen. Heute: Tempolimit.

Autobahn. Im November 1974 veröffentlichte Kraftwerk sowohl das Album als auch den gleichnamigen Song Autobahn. Und wer kein deutsch spricht oder nur mit einem halben Ohr hinhört, kann die erste Zeile durchaus als „Fun, Fun, Fun auf der Autobahn“ verstehen. Und dafür ist die deutsche Autobahn ja bekannt. Spaß. Jedenfalls für alle, die Geschwindigkeit lieben – noch beliebter bei denen, die nicht in Deutschland wohnen und für die Tempo 200 km/h plus eine magische Geschwindigkeit ist.: „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn.“

Ebenfalls im Jahr 1974 stand das Tempolimit auf deutschen Autobahnen ernsthaft zur Debatte. Als Folge der Ölkrise wurde im November 1973 ein temporäres Tempolimit (100 km/h) eingeführt, das wegen der Proteste im Folgejahr nicht verlängert wurde. „Freie Fahrt für freie Bürger“ lautete der Slogan gegen das Tempolimit. Als eine Art Kompromiss wurde die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h eingeführt. Das ist knapp 50 Jahre her, seitdem gab es viele weitere Debatten über Tempolimits auf der Autobahn.

Die Gründe für und gegen eine gesetzliche Höchstgeschwindigkeit ähneln sich seit Jahren: Klimaschutz und Sicherheit auf der einen Seite, die Autoindustrie mit vielen Arbeitsplätzen als wirtschaftlicher Faktor auf der anderen Seite. Bisher hat sich im Autoland Deutschland immer das letztgenannte Lager durchgesetzt. Freude am Fahren – dafür sind deutsche Autos im In- und vor allem Ausland bekannt. Aber ist es wirklich immer eine Freude auf der Autobahn, auf der sich die Verteilung auf drei Spuren meist so anfühlt: Rechts fahren die Laster, in der Mitte die Autos, deren Fahrer:innen nicht bekannt ist, dass auch Autos auf der rechten Spur erlaubt sind, und links sind die verkappten Formel-1-Piloten unterwegs. Es kann ganz schön stressen, wenn im Rückspiegel ein Auto angeflogen kommt und der Rentner die Mittelspur bis zum Äußersten verteidigt. Und noch mehr, wenn man sich überlegt, wie vielen Leute die physikalischen Kräfte nicht bekannt sind. Und egal, wie kurz die zurückzulegende Strecke ist, sind das die Momente in denen man sich auf die knapp 1100 Kilometer lange Urlaubsfahrt an den Atlantik zurückwünscht – natürlich erst nach dem Grenzübergang nach Frankreich. Mit 130 km/h gleitet man der Sonne entgegen. Kein Stau, kein Gedrängel, kein Stress. Entspannter lässt es sich kaum reisen.

Aber, entspricht das oben gezeichnete Bild überhaupt noch der aktuellen Situation auf deutschen Autobahn? Hat der gestiegene Spritpreis und die steigende Zahl der Elektroautos nicht dazu geführt, dass sich die Durchschnittsgeschwindigkeit verringert hat? Momentan ist das der Eindruck. Der Markt reguliert die Geschwindigkeit. Und auch bei Elektrofahrzeugen steigt der Verbrauch ab 130 km/h exponentiell, wer also lieber fährt, als an Ladesäulen hält, der drosselt sein Tempo automatisch.

Die Frage ist, wie lange das so bleibt. Im Moment wirkt es, als sei ein Tempolimit nicht unbedingt nötig, um die nötigen Effekte zu erzielen. Dieser Gedanke reift vor allem, wenn man selbst lange Strecken zurücklegen muss und der Weg nicht das Ziel ist: „Wir fahr’n, fahr’n, fahr’n auf der Autobahn.“

Franziska Weber