Formel-E-Saisonfinale: Evans und Cassidy siegen in London, Dennis und Envision gewinnen Fahrer- und Team-WM

Mitch Evans und Nick Cassidy feiern jeweils vierten Saisonsieg in London. Jake Dennis (unser Aufmacherbild) gewinnt bereits am Samstag den Formel-E-WM-Titel, Envision Racing feiert am Sonntag den WM-Team-Titel.

Die Formel E hat am vergangenen Wochenende ihre neunte Saison in London beendet. 16 Rennen in elf Metropolen standen auf dem diesjährigen Formel-E-Saisonkalender.

Viele Gleichteile, Chancengleichheit: Das Konzept geht auf

Wie gewohnt war der Kampf um die Weltmeisterschaft eng und bis zum letzten Saisonwochenende spannend. Die Formel-E-Macher haben bei der Gründung der vollelektrischen Rennserie ein neues Konzept entwickelt: Rennen auf temporären, engen Stadtkursen mit Boliden aus vielen Gleichteilen sowie begrenzte Testtage. Die vielen Gleichteile führen nicht nur zur Kostenreduktion, sondern auch zu Chancengleichheit — Spark Racing Technology baut das Einheits-Chassis, Williams Advanced Engineering liefert die Batterie, Hankook ist Reifenlieferant der Formel E.

16 Rennen, sieben Sieger

Die Teams entwickeln den Antriebsstrang und die Software, die ein, wenn nicht sogar der Schlüssel zum Erfolg ist. Insgesamt siegten sieben Fahrer in den 16 Rennen der neunten Saison: Jake Dennis (Mexiko-Stadt, Rom 2. Rennen), Pascal Wehrlein (Diriyah 1. und 2. Rennen, Jakarta 1. Rennen), Maximilian Günther (Jakarta 2. Rennen) Jean-Éric Vergne (Hyderabad), António Félix da Costa (Kapstadt), Mitch Evans (Sao Paulo, Berlin 1, Rom 1, London 1) und Nick Cassidy (Berlin 2, Monaco, Portland, London 2).

„Das Finale hier in London ist so unvorhersehbar, wie die Formel E im Allgemeinen“, sagt Andretti-Chef Michael Andretti während der zweiten Rotphase des vorletzten Formel-E-Rennens. Das Rennen hat sauber angefangen, ist im Laufe der Zeit aber umso emotionaler und angespannter geworden, zwei rote Flaggen unterbrechen das 15. Saisonrennen nach Unfällen. Die Anspannung ist dem Teamchef ins Gesicht geschrieben — noch hat sein Fahrer Jake Dennis die Weltmeisterschaft nicht gewonnen. Wenige Runden später sichert sich Dennis als erster Brite den Titel und ist nach Nyck de Vries und Stoffel Vandoorne der dritte Formel-E-Weltmeister der Geschichte. Die vollelektrische Rennserie fährt erst seit der siebten Saison um den FIA-Weltmeistertitel, davor feierten Nelson Piquet jr. (2014/15), Sébastien Buemi (2015/16), Lucas di Grassi (2016/17), Jean-Éric Vergne (2017/18 und 2018/19) und António Félix da Costa (2019/20) die Meisterschaften.

Gen3: mehr Leistung, weniger Gewicht

Die neunte Formel-E-Saison war auch die erste Saison des Formel-E-Boliden der dritten Generation. Mussten die Fahrer die Autos der ersten Generation nach der halbe Renndistanz wechseln, geht mit dem Boliden der dritten Generation (Gen3) das leistungsstärkste Fahrzeug an den Start: 350 kW (476 PS), 322 km/h, 840 kg. Die höheren Leistungswerte gehen einher mit einem kürzeren Radstand, einer schmaleren Spur und einem reduzierten Gesamtgewicht. Das wirkt sich auf die Gesamt-Performance und Agilität der Fahrzeuge im Rennbetrieb aus.

Die Teams gehen noch drei Saisons mit der aktuellen Fahrzeuggeneration an den Start, in der 13. Formel-E-Saison (2026/27) wird es ein neuen Boliden geben — die Vorbereitungen laufen bereits.

Porsche hat sein Formel-E-Engagement bereits vor dem Finalwochenende bis einschließlich der zwölften Saison verlängert und arbeitet an der Entwicklung des neuen Boliden mit. „Wir wollen innovative Technologien und mehr Nachhaltigkeit in den Motorsport bringen und an der Spitze neuer Entwicklungen stehen“, sagt Porsche-Motorsport-Leiter Thomas Laudenbach. „Die Formel E spielt dabei eine große Rolle. Der Wettbewerb in dieser Serie ist auf einem außergewöhnlich hohen Niveau und ermöglicht uns, wichtige Impulse für zukünftige Serienmodelle zu setzen.“

Saisonfinale 2022/23, Weltmeister Dennis mit elf Podestplätzen

Drei Fahrer hatten vor dem Doubleheader-Rennwochenende in London noch Chancen auf den Weltmeistertitel: Jake Dennis, Nick Cassidy und Mitch Evans. Dennis direkter Verfolger Cassidy schied nach einer teaminternen Kollision mit Envision-Teamkollege Sébastien Buemi aus, dieser unnötige Zweikampf spielte Dennis zwar in die Karten, war aber schlussendlich nicht der ausschlaggebende Punkt für die Meisterschaft — der Brite ist mit elf Podestplätzen (zwei Siege, sieben zweite Plätze und zwei dritte Plätze) der beständigste Fahrer der neunten Saison. „Mir fehlen ehrlich gesagt die Worte“, sagt Weltmeister Dennis. „Wir sind gerade Weltmeister geworden. Ich freue mich so sehr für mich, das Team, alle – wir haben das so sehr verdient.“

Seine beiden Hauptkonkurrenten Cassidy und Evans feierten in London ihren jeweils vierten Saisonsieg und beendeten die neunte vollelektrische Saison auf dem zweiten (Cassidy, 199 Punkte) und dritten Platz (Evans, 197 Punkte). „Es sind gemischte Gefühle, aber letztendlich bin ich sehr glücklich, denn heute war ein schwieriger Tag für mich, vor allem, weil ich letzte Nacht nicht gut geschlafen habe und zu spät gekommen bin – aber ich habe meinen Job gemacht und es geschafft, also bin ich stolz“, sagt Cassidy nach seinem Sieg beim Saisonfinale.

Team-WM: Envision vor Jaguar und Andretti

Nach dem vorzeitigen Titelgewinn am Samstag geht es am finalen Renntag noch um die Team-Weltmeisterschaft. Jaguar und Envision starten punktgleich (268 Punkte) vor Andretti (252 Punkte) und Porsche (242 Punkte) ins 16. Saisonrennen. Cassidy sichert seinem Team Envision mit der Poleposition die ersten drei Punkte des Renntags, der Rennstart verzögert sich wegen Regen um knappe 1,5 Stunden. Der letzte Saisonlauf verläuft trotz nasser Strecke ohne Kollisionen und für Formel-E-Verhältnisse mit wenigen Überholmanövern. Cassidy gewinnt das Rennen, feiert seinen vierten Saisonsieg und gewinnt mit seinem Team Envision Racing die Teamweltmeisterschaft mit 304 Punkten vor Jaguar (292 Punkte) und Andretti (252 Punkte). „Wir haben neun Jahre dafür gebraucht, und es ist ein unglaubliches Gefühl“, sagt Envision-Teamchef Sylvain Filippi. „Es war eine unglaubliche Saison, es war alles so eng. Das Team hat einen unglaublichen Job gemacht.“ Envision ist eines der Teams, die bereits seit der ersten Formel-E-Saison im Jahr 2014 am Start sind.

Saison 2023/24

Am 12. Januar 2024 startet die Formel E in ihre zehnte Saison, 17 Rennen stehen im vorläufigen Saisonkalender — erneut startet die Saison in Mexiko-Stadt und endet am 20. und 21. Juli mit einem Doubleheader in London. Dazwischen starten die elf Teams in Diriyah, Sao Paulo, Tokio, Rom, Monaco, Berlin, Jakarta und Portland. Drei Austragungsorte stehen noch nicht fest und somit ist Tokio der bisher einzige neue Austragungsort und Berlin bleibt weiterhin die einzige Stadt, in der seit Beginn in jedem Jahr mindestens ein Formel-E-Rennen stattgefunden hat. „Wir freuen uns, dass die Meisterschaft zum ersten Mal in Japan starten wird. Das wird die Präsenz und den Einfluss der Serie in Asien stärken, was für viele Hersteller wichtig ist“, sagt FIA-Sport-Direktor Marek Nawarecki.

Kommt Vettel?

Bereits am letzten Rennwochenende werden die ersten Veränderungen im Formel-E-Fahrerfeld kommuniziert: Robin Frijns verlässt Abt Cupra und Sam Bird verlässt Jaguar. Wohin die beiden Piloten wechseln ist noch nicht offiziell, ebenso wenig, wie die Welchselgerüchte zum WM-Zeiten Nick Cassidy und McLaren-Pilot René Rast.

Außerdem wurde am letzten Rennwochenende auch ein sehr bekannter Name in Bezug auf einen möglichen Formel-E-Einstieg genannt: Formel 1 Weltmeister Sebastian Vettel. Konkret ist noch nichts, Abt-Motorsportdirektor Martin Tomczyk kommentiert die Gerüchte in der Pro7-Formel-E-Übertragung: „Ich glaube ein Name wie Sebastian Vettel würde der Formel E gut tun.“ Es bleibt spannend in der Formel E  — am 23. bis 27. Oktober 2023 finden die Testtage in Valencia statt, spätestens dann werden die Teams ihre neuen Fahrer-Duos vorstellen.

Weltmeister Jake Dennis (in der Mitte mit weißer Kappe) mit seinem Team Avalanche Andretti Formula E

Formel E Saison 2022/23
15. Rennen in London (Großbritannien), 29. Juli 2023
Ergebnis
1. Mitch Evans, Jaguar TCS Racing
37 Runden
2. Jake Dennis, Avalanche Andretti Formula E
+1,116 s
3. Sébastien Buemi, Envision Racing +1,668 s
4. Sam Bird, Jaguar TCS Racing +3,054 s
5. Edoardo Mortara, Maserati MSG Racing +4,263 s
6. Lucas di Grassi, Mahindra Racing
+4,769 s
7. Dan Ticktum, NIO 333 Racing +5,118 s
8. Norman Nato, Nissan Formula E Team
+7,527 s
9. Pascal Wehrlein, TAG Heuer Porsche Formula E Team
+8,725 s
10. Jake Hughes, NEOM McLaren Formula E Team +9,128 s
11. Stoffel Vandoorne, DS Penske +10,231 s
12. Maximilian Günther, Maserati MSG Racing +10,568 s
13. André Lotterer, Avalanche Andretti Formula E
+11,094 s
14. René Rast, NEOM McLaren Formula E Team +11,789 s
15. Roberto Merhi, Mahindra Racing +23,472 s
16. António Félix da Costa, TAG Heuer Porsche Formula E Team +3:00,666 min

 

Rennen nicht beendet
Sacha Fenestraz, Nissan Formula E Team Runde 27
Nick Cassidy, Envision Racing Runde 22
Nico Müller, Abt Cupra Formula E Team Runde 19
Jean-Éric Vergne, DS Penske Runde 9
Robin Frijns, Abt Cupra Formula E Team Runde 6

 

disqualifiziert

Sérgio Sette Câmara, NIO 333 Racing Runde 37

 

Pole Position

Mitch Evans, Jaguar TCS Racing,  min

Schnellste Rennrunde

Jake Hughes, NEOM McLaren Formula E Team, 1:12,714 min, Runde 37

 

16. Rennen in London (Großbritannien), 30. Juli 2023
Ergebnis
1. Nick Cassidy, Envision Racing 38 Runden
2. Mitch Evans, Jaguar TCS Racing
+4,934 s
3. Jake Dennis, Avalanche Andretti Formula E
+16,295 s
4. Norman Nato, Nissan Formula E Team
+24,819 s
5. Stoffel Vandoorne, DS Penske +26,290 s
6. Sébastien Buemi, Envision Racing +27,406 s
7. Sam Bird, Jaguar TCS Racing +29,376 s
8. Nico Müller, Abt Cupra Formula E Team +30,304 s
9. Dan Ticktum, NIO 333 Racing +30,832 s
10. Pascal Wehrlein, TAG Heuer Porsche Formula E Team
+35,558 s
11. Edoardo Mortara, Maserati MSG Racing +36,615 s
12. René Rast, NEOM McLaren Formula E Team +38,160 s
13. Sérgio Sette Câmara, NIO 333 Racing +40,295 s
14. Maximilian Günther, Maserati MSG Racing +51,140 s
15. Sacha Fenestraz, Nissan Formula E Team
+51,918 s
16. António Félix da Costa, TAG Heuer Porsche Formula E Team +53,336 s
17. Robin Frijns, Abt Cupra Formula E Team +56,608 s
18. Lucas di Grassi, Mahindra Racing
+58,064 s
19. Jake Hughes, NEOM McLaren Formula E Team +59,956 s
20. Roberto Merhi, Mahindra Racing +1:02,506 min
21. André Lotterer, Avalanche Andretti Formula E
+1:02,890 min
22. Jean-Éric Vergne, DS Penske +1 Runde

 

Pole Position

Nick Cassidy, Envision Racing

Schnellste Rennrunde

Jake Dennis, Avalanche Andretti Formula E, 1:21,554 min, Runde 38

 

WM Fahrerwertung 2022/23
1. Jake Dennis, Avalanche Andretti Formula E 229 Punkte
2. Nick Cassidy, Envision Racing 199 Punkte
3. Mitch Evans, Jaguar TCS Racing 197 Punkte
4. Pascal Wehrlein, TAG Heuer Porsche Formula E Team 149 Punkte
5. Jean-Éric Vergne, DS Penske 107 Punkte
6. Sébastien Buemi, Envision Racing 105 Punkte
7. Maximilian Günther, Maserati MSG Racing 101 Punkte
8. Sam Bird, Jaguar TCS Racing 95 Punkte
9. António Félix da Costa, TAG Heuer Porsche Formula E Team 93 Punkte
10. Norman Nato, Nissan Formula E Team 63 Punkte
11. Stoffel Vandoorne, DS Penske 56 Punkte
12. Jake Hughes, NEOM McLaren Formula E Team 48 Punkte
13. René Rast, NEOM McLaren Formula E Team 40 Punkte
14. Edoardo Mortara, Maserati MSG Racing 39 Punkte
15. Lucas di Grassi, Mahindra Racing 32 Punkte
16. Sacha Fenestraz, Nissan Formula E Team 32 Punkte
17. Dan Ticktum, NIO 333 Racing 28 Punkte
18. André Lotterer, Avalanche Andretti Formula E 23 Punkte
19. Nico Müller, Abt Cupra Formula E Team 15 Punkte
20. Sérgio Sette Câmara, NIO 333 Racing 14 Punkte
21. Oliver Rowland, Mahindra Racing 9 Punkte
22. Robin Frijns, Abt Cupra Formula E Team 6 Punkte
23. Kelvin van der Linde, Abt Cupra Formula E Team 0 Punkte
24. David Beckmann, Avalanche Andretti Formula E 0 Punkte
25. Roberto Merhi, Mahindra Racing 0 Punkte

 

WM Teamwertung 2022/23
1. Envision Racing
304 Punkte
2. Jaguar TCS Racing
292 Punkte
3. Avalanche Andretti Formula E 252 Punkte
4. TAG Heuer Porsche Formula E Team 242 Punkte
5. DS Penske
163 Punkte
6. Maserati MSG Racing 140 Punkte
7. Nissan Formula E Team 95 Punkte
8. NEOM McLaren Formula E Team 88 Punkte
9. NIO 333 Racing 42 Punkte
10. Mahindra Racing 41 Punkte
11. Abt Cupra Formula E Team 21 Punkte

 

*Punkteschlüssel Plätze 1 bis 10: 25 P. / 18 P. / 15 P. / 12 P. / 10 P. / 8 P. / 6 P. / 4 P. / 2 P. / 1 P. 3 Zusatzpunkte gibt es für die Pole Position, 1 Zusatzpunkt für die schnellste Rennrunde.

Franziska Weber